Das kommt selbst in diesem Haus nur äußerst selten vor. In einer Woche endete jeden Tag ein Leben im Marler Klara Hospiz. „Ich kann damit umgehen, wenn die Menschen hier sterben“, sagt Angela Ziemer (53) aus Dorsten. Seit dem ersten Tag gehört sie zum Pflegeteam im Hospiz. „Dass die Gäste friedlich gehen können, in Ruhe und oft im Beisein ihrer Angehörigen einschlafen, hilft mir, das zu verarbeiten. Auch wenn es so häufig passiert wie in dieser Woche“, betont die erfahrene Pflegekraft. „Schwieriger wird es für mich, wenn die Verstorbenen noch sehr jung sind oder wenn jemand aus meinem Geburtsjahrgang stirbt.“
Dass der Tod zum Leben gehört, ist an wenigen Orten so präsent wie im Hospiz. Zehn Plätze hat die vor gut einem Jahr eröffnete Einrichtung für Marl und Umgebung vor den Toren der Paracelsus-Klinik. So wie meistens sind alle Zimmer auch in diesen Tagen ausgebucht. Angela Ziemer gehört von Beginn an zum Pflegeteam und fühlt sich im Kreis der Kolleginnen und Kollegen gut aufgehoben. „Es ist natürlich praktisch, wenn man schon Erfahrung in ein neues Haus mitbringt“, sagt die Dorstenerin heute. Aber das Team sei inzwischen auch eine Stütze für sie.
Bevor sie nach Marl kam, war Angela Ziemer viereinhalb Jahre lang in einem Oberhausener Hospiz tätig. In dem vor 14 Monaten eröffneten Marler Hospiz hat die Dorstenerin ihre Berufung gefunden. Die bisher längste Zeit ihres Berufslebens arbeitete sie in einem Seniorenheim, kennt Personalmangel, Stress und das ewig schlechte Gewissen, weil zu wenig Zeit für die Menschen bleibt.
„Aber ich wollte doch etwas anderes“, sagt sie rückblickend mit einem Lächeln. Mit der Zusatzausbildung zur Palliativ-Care Pflegefachkraft schlug sie ihren neuen Weg ein.

Die Wünsche der Gäste bestimmen den Tag
In Marl ist die 53-Jährige jetzt eine Stütze des Teams, mit dem das Klara Hospiz im Sommer 2022 an den Start ging. Angela Ziemer hat mit der Arbeit im Hospiz ihren Traumjob gefunden. „Es war definitiv die richtige Entscheidung“, sagt sie. „Der Umgang mit den Menschen ist ein ganz anderer als in einem großen Altenheim. Hier bin ich nur für drei bis vier Gäste zuständig. Bei der Pflege kann ich mich nach ihren Wünschen richten“, zählt sie auf. Wer gern lange schläft, wird nicht geweckt. Auch beim Baden, Duschen oder Essen bestimmen die Menschen genau wie zu Hause selbst ihren Tagesrhythmus. „Hier steht immer die Frage im Vordergrund, was macht in dieser Situation noch Sinn und was nicht. Und ich habe die Zeit, mich nicht nur um die Sterbenden, sondern auch um deren Angehörige zu kümmern“, betont die Dorstenerin.
Der Weg ins Hospiz fällt schwer
Sie weiß, dass der Weg ins Hospiz nicht leicht fällt. Nicht den Schwerstkranken, aber auch ihren Familien nicht. „Viele sagen uns, dass sie ihre Angehörigen eigentlich bis zum Schluss zu Hause behalten wollen - aber irgendwann sind sie einfach völlig überlastet“, weiß Angela Ziemer. Im Haus am Lipper Weg nimmt sie ihnen die Alltagspflichten ab.

Ein Ritual für jeden, der gehen muss
Doch es gibt auch schwere Momente: „Manche Gäste wachsen mir ans Herz, vor allem wenn sie nicht nur ein paar Tage, sondern Wochen oder Monate bei uns sind“, sagt Angela Ziemer. Dann hilft ihr der Zusammenhalt mit den Kolleginnen und Kollegen und das Ritual für jeden, der dieses Haus nach seinem Tod verlässt. „Wenn der Bestatter den Sarg herausbringt, begleitet ihn das Team, das ihn betreut hat, bis zur Tür. In der ersten Oktoberwoche fand das Ritual jeden Tag statt.
Das Klara Hospiz soll für die sterbenden Menschen ein letztes Zuhause sein. „Unsere Devise ist: Alles kann, nichts muss“, erklärt Hospizleiterin Michaela Sommer. Angela Ziemer sorgt dafür, dass diese Freiheit möglich ist.
Ausstellung zum Welthospiztag
Am 14. Oktober findet der Welthospiztag 2023 statt. Unter dem Motto „Hospiz lässt mich noch mal“ informiert das Klara Hospiz über seine Unterstützungsangebote für schwerstkranke Menschen und ihre Angehörigen.
Nach dem Motto „das erste gemalte Bild – der letzte Besuch einer Kunstausstellung“ wird am Samstag, 14.30 Uhr, im Klara Hospiz, Lipper Weg 13, die Ausstellung „dem Leben lauschen“ – Inspirationen von Gisela Rott eröffnet.
Zum Sterben ins Marler Klara-Hospiz: „Die beste Entscheidung meines Lebens“
Monika Appel zog als Erste ins Marler Klara Hospiz ein - das letzte Zuhause