AfD-Kandidat Dr. Daniel Zerbin aus Dorsten

AfD-Kandidat Dr. Daniel Zerbin ist meist nur an den Wochenenden in seinem Heimatdorf Lembeck. Der Kriminalwissenschaftler ist Dozent an einer privaten Hochschule in Hamburg. © Stefan Diebäcker

Ist es gefährlich in unserer Stadt, Daniel Zerbin? Der AfD-Kandidat im Porträt

rnLandtagswahl 2022

Daniel wer? Der Mann, der für die AfD bei der Landtagswahl kandidiert, ist Kriminalwissenschaftler, aber politisch kaum in Erscheinung getreten bislang. Eine Spurensuche.

Dorsten, Haltern

, 07.05.2022, 14:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der konspirative Treffpunkt: ein Waldweg nahe der Wulfener Straße in Lembeck. Das Wasserschloss ist jenseits eines weiten Feldes zu erkennen, die Sonne schimmert an diesem Nachmittag durchs Geäst. Dr. Daniel Zerbin (49) trägt unverdächtige Freizeitkleidung. Das ist nicht immer so, wenn er diesen Ort aufsucht. „Ich jogge hier ganz gerne“, sagt der frühere Kampfsportler. Das ist vor allem am Wochenende der Fall. Denn der Landtagskandidat der AfD im Wahlkreis 71 ist Kriminalwissenschaftler und Dozent an einer privaten Hochschule in Hamburg.

In Lembeck lebt der gebürtige Gelsenkirchener seit seinem vierten Lebensjahr. „Mein Vater war Polizist, und meine Eltern haben sich damals entschieden, aufs Land zu ziehen und ein Haus zu bauen.“ Daniel Zerbin ist geblieben, wohnt dort inzwischen mit Frau und zwei kleinen Kindern. Der Beruf hat ihn allerdings oft und auch für längere Zeit in die Ferne geführt.

Das ständige Pendeln zwischen seinem Wohnort im Dorstener Norden und der Hansestadt in Norddeutschland könnte aber bald ein Ende haben. Daniel Zerbin steht auf Platz 11 der Landesliste seiner Partei und wird am 15. Mai mit ziemlicher Sicherheit in den Düsseldorfer Landtag einziehen. Da macht einer verdächtig schnell politische Karriere, könnte man meinen.

Kandidat wollte kein Plakat mit seinem Foto

Wahlplakate mit einem Foto des Kandidaten sucht man vergebens in seinem Dorf. Merkwürdig. „Ich wollte das nicht“, erklärt Daniel Zerbin. „Ich muss nicht aus dem Haus gehen und mich dann selber sehen.“ Und der Verwandtschaft ist das vermutlich auch nicht ganz unlieb. Der Bruder ist in der SPD, seine Mutter „eine 68erin, die seit Jahren die Grünen wählt“. Da prallen im Hause Zerbin schon mal politische Welten aufeinander.

„Ich muss nicht aus dem Haus gehen und mich dann selber sehen.“
Daniel Zerbin

Daniel Zerbin bezeichnet sich selbst als konservativ-liberal. Nach der Schulzeit trat er in die FDP ein, zwei Jahre später aber aus Zeitgründen wieder aus. 1998 schloss er sich der CDU an, wollte Helmut Kohl unterstützen und ein Zeichen setzen gegen die rot-grüne Bundespolitik. „Eigentlich habe ich mich in der Partei wohlgefühlt“, betont er.

Dann kam das Jahr 2015, die sogenannte Flüchtlingskrise und Merkels „Wir schaffen das“. Er habe als junger Mann geschworen, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen, sagt der ehemalige Bundeswehrsoldat. „Diese Politik konnte ich mit meinem Eid nicht vereinbaren.“ Daniel Zerbin wechselte zur AfD, weil er sich „mit vielen Dingen identifizieren“ konnte. Vor allem mit der Sorge vor einem fundamentalistischen Islamismus.

Und auch mit den teilweise rechtsextremistischen Tendenzen in seiner Partei? Bei der Wahlarena dieser Zeitung am vergangenen Mittwoch (4. Mai) hat er Björn Höcke vorsichtig als „Politiker in Thüringen“ bezeichnet.

Dr. Daniel Zerbin in jungen Jahren als Militärpolizist in Afganistan

In jungen Jahren war Daniel Zerbin als Militärpolizist unter anderem in Afghanistan. Diese Zeit hat seine Einstellung zum fundamentalistischen Islamismus geprägt. © privat

Daniel Zerbin war als Militärpolizist u.a. in Afghanistan. „Vor Ort musste ich mich mit dem Islam, mit Selbstmordattentätern auseinandersetzen. Wir sind nicht direkt angegriffen worden, aber die Anschläge kamen doch sehr nah.“ Fortan beschäftigte er sich nach eigener Aussage immer wieder mit der Frage: „Warum wollen die uns eigentlich umbringen?“ Sie wurde später auch Thema seiner Promotion.

Zuvor allerdings hat der Lembecker Berufs- und Betriebspädagogik studiert, dann Kriminologie und wurde schließlich wissenschaftlicher Angestellter bei der Polizei Hamburg. Auch das hat seinen Ursprung in der Bundeswehrzeit. „Nach der Rückkehr aus Afghanistan bin ich nach Köln versetzt worden und war für die Beweismittel-Sicherung der Feldjäger-Truppe zuständig.“

Gutachten für den Landtag geschrieben

Dieses Spezialwissen, das Studium, der Afghanistan-Einsatz, aber auch „ein bisschen Glück“ haben ihn auf Platz 11 der Landesliste geführt. Und dass er seit drei Jahren für den Landtag Gutachten zu Anträgen von Parteien schreibt. „Neutrale Gutachten“, wie er ausdrücklich betont.

Denn Innere Sicherheit ist für alle Parteien in NRW ein wichtiges Thema. Daniel Zerbin hält das für gerechtfertigt und meint, dass „da mehr getan werden muss“. Die Kriminalstatistik der letzten Jahre für den Kreis Recklinghausen belegt diese Einschätzung nicht unbedingt. Die Zahlen sind in den meisten Bereichen rückläufig. Wie sicher sind Dorsten und Haltern wirklich?

„Das kommt immer auf den Vergleich an“, weicht der Kandidat zunächst aus, sagt dann aber auf Nachfrage: „Dorsten und Haltern sind vergleichsweise sicher.“ Wobei die Kriminalstatistik ja „nur ein Auszug“ sei und beispielsweise „keine Auskünfte über das Dunkelfeld“ gebe. Das er versucht hat zu erforschen.

In manchen Deliktbereichen gibt es laut Zerbin einen Ausländeranteil von 38 Prozent bei einem Bevölkerungsanteil von zwölf Prozent. Für dieses Missverhältnis gebe es verschiedene, auch soziale Gründe. „Das ist politisch sehr aufgeladen, aber man darf es eben nicht verschweigen.“

Kritik von einem Fach-Kollegen

Daniel Zerbin betont, es dürfe nicht nur Repressalien geben, sondern man müsse auch Ursachenforschung betreiben. Und ergänzt dann im eher typischen AfD-Sprech: „Wir müssen auch gucken, wo wir hinwollen, wer wir sein wollen und wie wir miteinander zurechtkommen in diesem Land. Dafür brauchen wir einen gemeinsamen Wertekanon, und da spielt die Religion auch eine Rolle.“

Ein Fach-Kollege der Ruhr-Universität in Bochum kritisiert in einem seiner Bücher, dass Daniel Zerbin von seiner Partei als „AfD-Kriminologe“ geführt werde, einem rechtsextremistischen Magazin ein Interview gegeben habe und gleichzeitig Lehrbeauftragter an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Münster sei. „Das bin ich schon seit 2008“, entgegnet Daniel Zerbin, „und das möchte ich auch bleiben, wenn ich in den Landtag komme.“