
AfD-Abgeordnete im Dorstener Stadtrat zum Rücktritt aufgefordert
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Eine große Mehrheit im Dorstener Stadtrat hat zwei AfD-Abgeordnete aufgefordert, ihr Mandat zurückzugeben. Zuvor war eine Stunde emotional debattiert worden - nachzulesen im Liveblog.
Es war erst die dritte Ratssitzung der neuen Legislaturperiode. Viele wichtige Beschlüsse galt es eine Woche vor Weihnachten zu fassen. Doch zunächst wurde am Mittwoch diskutiert über das, was zwei AfD-Ratsherren öffentlich kundgetan haben.
Der Stein des Anstoßes: Der ehemalige Bürgermeisterkandidat der AfD in Dorsten, Marco Bühne, hat in einer privaten Facebookgruppe Verschwörungstheorien zu den geplanten Corona-Impfungen verbreitet („Da will einer Gott spielen“). Wenige Tage später trägt Parteikollege Ernst Kirschmann auf einer „Querdenker“-Demo in Dorsten eine Maske mit der Aufschrift „Corona-Diktatur“.
Die emotionale Debatte im Stadtrat
18.30 Uhr: Mit großer Mehrheit hat der Stadtrat die beiden AfD-Abgeordneten Marco Bühne und Ernst Kirschmann jetzt zum Rücktritt aufgefordert. Es ist nicht zu erwarten, dass sie ihr Mandat tatsächlich zurückgeben.
Zuvor war der gesamte AfD-Gegenantrag abgelehnt worden. Und damit auch Passus drei, das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dazu hatten sich alle Ratsmitglieder ohnehin schon am 2. November bekannt. Friedhelm Fragemann (SPD): „Die AfD will uns aufs Glatteis führen. Ich habe keine Lust, einem Teil-Antrag der AfD zuzustimmen.“
18.15 Uhr: Jetzt gibt es eine kurze Pause, um das GW mal ordentlich zu lüften. Dicke Luft herrschte tatsächlich. Anschließend wird über die Anträge abgestimmt.
18.11 Uhr: Thomas Grund (CDU) hält ein AfD-Plakat aus dem Wahlkampf hoch, auf dem die „Merkel-Raute“ mit einem Hakenkreuz verglichen wird. „Und von so einer Partei muss ich mir die Demokratie erklären lassen?“ Die AfD fordere Meinungsfreiheit, nenne die Reaktion darauf aber „Beleidigung“ und „Verleumdung“.
18.07 Uhr: Lutz Ludwig (FDP) glaubt, dass man durchaus hinterfragen könne, ob Entscheidungen am Parlament vorbei erfolgen könnten. „Aber die Existenz des Virus‘ kann man nicht in Frage stellen.“ Auch eine stabile Demokratie könne wanken, wenn sie immer wieder torpediert werde. „Aussagen, die destabilisieren, fördern nicht den Zusammenhalt.“
17.59 Uhr: Simon Rodriguez Garcia (FRAKTION) versteht die Aufregung nicht. „Was hat man von der AfD erwartet?“ Er ärgert sich aber, dass seine Fraktion im Vorfeld nicht eingebunden wurde. „Ich fasse es nicht, dass ich derjenige bin, der den Rat auffordern muss, zur Sacharbeit zurückzukehren.“ Fraktionskollege Wilhelm Zachraj ergänzt zum Antrag von CDU, SPD und Grüne: „Gut gedacht, aber schlecht gemacht.“
17.56 Uhr: Leineweber räumt ein, dass er einen Strafantrag nicht stellen würde. Er beantragt aber, das „demokratiefeindliche Verhalten der drei Fraktionsvorsitzenden“ zu missbilligen. Alle Ratsmitglieder sollten sich davon distanzieren.
17.53 Uhr: Jetzt ist Heribert Leineweber (AfD) an der Reihe. „Die Antragsteller maßen sich eine nachträgliche Zensur an“, sagt er. Ernst Kirschmann habe als Spätaussiedler Diktatur kennengelernt. Und nicht jede Äußerung bei Facebook sei ernst zu nehmen, „das ist häufig nicht in Ordnung. Aber deshalb muss man nicht gleich die große Distanzierung machen. Wir streiten Corona nicht ab. Wenn Dinge mal überspitzt werden, solle man das nicht so ernst nehmen.“ Die Antragsteller seien wohl „von allen guten Geistern verlassen“, weil sie den AfD-Abgeordneten generell alle kognitive Fähigkeiten absprechen würden.
17.48 Uhr: Thorsten Huxel (Grüne) spricht von generell „wirrer Corona-Politik“ der AfD. „Wir können das Schlechtreden unserer Demokratie nicht mehr hören.“ Die Initiativen der AfD zielten einzig auf Stimmungsmache ab. „Wir werden in der Sache Ihnen immer klar entgegen treten und werden Populisten unsere freiheitliche Grundordnung untergraben.“ Wer sich auf Meinungsfreiheit berufe, müsse auch mit Kritik leben.
17.42 Uhr: Der Gegenantrag der AfD ist nach Meinung von Friedhelm Fragemann (SPD) eine „Polit-Posse“. Wer Querdenker unterstütze und mit Reichsbürgern gemeinsame Sache mache, muss sich fragen, warum er die dramatischen Zustände in Krankenhäusern verharmlose. „Jeder hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit.“ Alle müssten deshalb verantwortungsbewusst handeln. „Vielleicht gelingt es ja, dass Sie Fakten nicht weiter ignorieren“, sagt Fragemann in Richtung der AfD.
17.37 Uhr: Bernd Schwane findet es „erstaunlich“, dass es AfD-Fraktionschef Heribert Leineweber „so laufen lässt und seine Leute nicht zurückpfeift“. Jurist Schwane würde sich nach eigenem Bekunden freuen, wenn die AfD Strafanzeige wegen Verleumdung stellen würde. Und jetzt darf sich Friedhelm Fragemann (SPD) zum Antrag äußern.
17.28 Uhr: Bernd Schwane (CDU) spricht von „unsäglichen Äußerungen“ der beiden AfD-Abgeordneten, die zum Thema gemacht werden müssen, „weil die Bürger dieser Stadt einen Anspruch darauf haben zu erfahren, wie der Rat der Stadt darüber denkt“. Ratsmitglieder hätten eine besondere Pflicht gegenüber den Bürgern. Es sei unsäglich, dass ein ehemaliger Bürgermeisterkandidat Verschwörungstheorien verbreite. In einer Diktatur wären solche Äußerungen nicht möglich gewesen, „auch wenn sie dummes Zeug sind“. Beide AfD-Ratsmitglieder hätten ihre Pflichten „aufs Gröbste verletzt. Wir sind nicht bereit, das zu akzeptieren.“
17.21 Uhr: Bevor die Debatte beginnt, teilt Bürgermeister Tobias Stockhoff mit, dass Kämmerer Hubert Große-Ruiken positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Baudezernent Holger Lohse fehlt ebenfalls, weil das Ergebnis eines Schnelltests noch nicht vorliegt.
17.18 Uhr: Jetzt müssen die Antragsteller begründen, warum öffentliche Belange berührt sind. Bernd Schwane (CDU): „Wenn ein Ratsmitglied sich zu einem hochbrisanten Thema äußert, ist das nicht privat, sondern berührt jeden Bürger.“ Thorsten Huxel (Grüne): „Jedes Ratsmitglied ist auch Repräsentant der Stadt.“ Die AfD hätte es gerne gesehen, wenn das Thema von der Tagesordnung gestrichen worden wäre.
17.15 Uhr: Für die Erweiterung der Tagesordnung ist eine Dringlichkeit notwendig. Die konnte die AfD wohl im Vorfeld nicht begründen. Die Kommunalaufsicht teilt offenbar die Einschätzung des Bürgermeisters.
17.08 Uhr: Die AfD beantragt eine Sitzungsunterbrechung, weil sie einen Befangenheitsantrag gegen den Bürgermeister stellen möchte. „Der Antrag wird u.a. von der CDU gestellt, deren Mitglied auch der Bürgermeister ist. Wir haben die Kommunalaufsicht eingeschaltet, weil der Bürgermeister emotional befangen ist.“ Der Antrag wird abgelehnt. Stockhoff kontert: „Dann müsste ich bei jedem Antrag der CDU die Sitzungsleitung abgeben.“ Er sei nicht Mitglied der antragstellenden Fraktion, sondern nur der Partei.
17.05 Uhr: Friedhelm Fragemann (SPD) beantragt erwartungsgemäß, den Antrag von CDU, SPD und Grünen nach vorne zu ziehen, um „ein Zeichen zu setzen“. Nur die drei AfD-Abgeordneten sind dagegen.
17.00 Uhr: Bürgermeister Tobias Stockhoff eröffnet die Sitzung und begrüßt zunächst zwei Vertreter des Pfadfinderstammes St. Johannes, die das Friedenslicht bringen. Das hat Tradition kurz vor Weihnachten. Möge es in den nächsten Minuten auch friedlich zugehen....
16.55 Uhr: Die Sitzung hat noch nicht begonnen, da gibt es schon Ärger: AfD-Ratsherr Ernst Kirschmann kommt ohne Maske ins GHW und wird von Bürgermeister Tobias Stockhoff ermahnt. Auch Grünen-Abgeordneter Michael Haake beschwert sich. Alle Ratsmitglieder haben im Vorfeld FFP2-Masken bekommen. Stockhoff: „Ich würde empfehlen, die zu tragen.“
16.47 Uhr: So langsam füllt sich das GHW. Gerade hat noch der Wahlprüfungsausschuss im Nebenraum getagt - exakt neun Minuten. Die beiden AfD-Abgeordneten, um deren Äußerungen es heute im Rat geht, sind noch nicht eingetroffen.
16.40 Uhr: Seit der Sommerpause tagt der Stadtrat im Gemeinschaftshaus Wulfen, weil dort mehr Platz und die Frischluft-Zufuhr besser ist als im großen Sitzungssaal des Rathauses. Dicke Luft könnte tatsächlich gleich herrschen, denn die AfD hat mit einem Gegenantrag auf die Erklärung von CDU, SPD und Grüne reagiert.
Die drei großen Fraktionen fordern, dass Marco Bühne und Ernst Kirschmann ihre Mandate „wegen demokratiefeindlichen Verhaltens“ niederlegen, die AfD spricht von „übler Nachrede“ und „Verleumdung“ - ein Straftatbestand.
Veränderungen gab es immer, doch nie waren sie so gravierend. Und nie so spannend. Die Digitalisierung ist für mich auch eine Chance. Meine journalistischen Grundsätze gelten weiterhin, mein Bauchgefühl bleibt wichtig, aber ich weiß nun, ob es mich nicht trügt. Das sagen mir Datenanalysten. Ich berichte also über das, was Menschen wirklich bewegt.
