Dorstener Dr. Albers Leiter in Herten Über Seelisches, Cannabis und das Stigma Psychiatrie

Dr. Johannes Michael Albers: „Bild von Psychiatrie ändert sich“
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„Ich habe ein hochqualifiziertes Team und eine solide Situation im Haus vorgefunden“, sagt Dr. Johannes Michael Albers. Seit Juli erst ist er neuer ärztlicher Leiter der Hertener LWL-Klinik und freut sich, endlich wieder in der Nähe seiner Heimatstadt Dorsten arbeiten zu dürfen. Das sei auch „effektiver“. Denn zuletzt hatte er einen sehr viel längeren Weg zur Arbeit, musste als Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Gerontopsychiatrie in Gummersbach oft hin- und herpendeln, wohnte unter der Woche zur Miete weit weg von der Familie.

Als Nachfolger von Dr. Luc Turmes, der vor ihm 21 Jahre lang ärztlicher Direktor war, tritt er in große Fußstapfen. Dr. Albers will dessen gute Konzepte des Hauses – mit 195 Betten, 505 Mitarbeitern, darunter 170 Pflegefachkräfte – weiter voranbringen und auf gesellschaftliche, nicht nur demografische, Veränderungen der heutigen Zeit reagieren.

Anspruch auf psychisch gesundes Altern

„In Anbetracht der demografischen Entwicklung werden wir in Zukunft den gerontopsychiatrischen Bereich stärken müssen“, erklärt der 41-Jährige. Die Arbeit mit der älteren Generation stelle in der heutigen Zeit eine andere Herausforderung dar. „Der Anspruch an die eigene seelische Gesundheit ist größer“, erklärt der Mediziner, „früher war das Stigma der Psychiatrie stärker in den Köpfen. Das Bild von Psychiatrie ändert sich in der Gesellschaft. Man habe den Anspruch auf psychisch gesundes Altern“.

Mit besonderen therapeutischen Angeboten stelle man sich darauf ein. Im Hertener Schlosshof gebe es beispielsweise einen schönen Therapiegarten, der „außergewöhnlich“ sei und viele gewinnbringende Möglichkeiten biete. Für demenzerkrankte Patienten müssten Orientierungskonzepte erstellt werden, damit sie sich im Haus und insgesamt besser zurechtfinden. Am Konzept des geplanten 22 Millionen schweren Neubaus des gerontopsychiatrischen Zentrums plant der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit. Die Fertigstellung des Hauses mit zwei Stationen und insgesamt 47 Betten wird im Jahr 2026 erwartet.

Cannabis nicht mehr so mild wie in den 68ern

„Ich sehe aber auch zusätzlich die Herausforderung, dass wir uns im Hinblick auf die junge Generation, auf die Folgen der Digitalisierung ausrichten müssen.“ Als Stichworte nennt der Arzt Internetabhängigkeit, Druck aus den sozialen Medien, Mobbing. Dabei sei aber klar, dass eine psychische Erkrankung mehrerer Faktoren bedarf.

Sorge mache ihm vor allem der zunehmende Cannabis-Konsum, der heute gesellschaftsfähiger sei, die Konzentrationen in den Drogen seien sehr viel höher. „Das, was die jungen Leute heute rauchen, ist nicht vergleichbar mit den Substanzen, wie sie in den 68ern konsumiert wurden.“

Als weitere Bausteine seiner Arbeit nennt der junge ärztliche Direktor die Öffnung psychiatrischer Themen. Ziel sei eine sehr viel offenere niederschwellige Therapie. Erreichen könne man die Öffnung bei einer gleichzeitig engeren „Vernetzung mit den ambulanten Versorgungsstrukturen und Einbindung der Patienten in entsprechende therapeutische Angebote.“

Mutter-Kind-Spezialambulanz und Obstgarten

Last but not least möchte er die ambulanten Angebote stärken. Zum Beispiel gebe es eine psychosomatische Sprechstunde mit speziell ausgebildeten Fachärzten oder die Mutter-Kind-Spezialambulanz. Als eines der wenigen Häuser können in Herten Mütter ihre Kinder mit auf die Station nehmen, falls eine stationäre Unterbringung erforderlich ist.

All diese Bausteine sieht Dr. Johannes Michael Albers als zentral an und fasst es so zusammen: „Alle Probleme der Gesellschaft zeigen sich zeitgleich auch bei uns in der Klinik.“ Aber auch Lösungsansätze: Zum Abschluss des Gesprächs geht es noch hinein in den Obstgarten, zu gelben Sonnenblumen, orangenen Kürbissen und dem Kräuterbeet in Form einer Schnecke.

Dr. Johannes Michael Albers greift im Therapiegarten am Schloss Herten nach einem orangenen Kürbis.
Dr. Johannes Michael Albers, hier im Therapiegarten am Schloss Herten, fühlt sich „sehr willkommen“ in der LWL-Klinik, die seiner Meinung nach außergewöhnlich schön gelegen ist. © Harald Landgraf

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