ADFC Dorsten nach Lkw-Unfall Kreuzungen nach niederländischem Vorbild gefordert

ADFC Dorsten fordert mehr Sicherheit beim Rechtsabbiegen
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Der schreckliche Unfall mit einer schwer verletzten sechsjährigen Radfahrerin lässt die Diskussion um Sicherheit für Radfahrer und Fußgänger in Dorsten wieder aufflammen. Es sei ja auch nicht der erste Unfall dieser Art, sagt Ulrich Bolle, Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Dorsten. „Ein Ghostbike an der Kreuzung Clemens-August-Straße/Gahlener Straße erinnert an einen ähnlichen Unfall vor einigen Jahren, bei dem eine Radfahrerin tödlich verletzt wurde.“

Eine 65-Jährige war damals von einem abbiegenden Lkw erfasst und mehrere Meter mitgeschleift worden. Der Fahrer hatte von der Kollision nichts mitbekommen und war weitergefahren. Vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung wurde er freigesprochen. Die Frau sei im toten Winkel aufgetaucht und der Lkw-Fahrer hätte den Unfall nicht verhindern können, stellte ein Gutachter fest.

Die Gefahren für Radfahrer und Fußgänger durch rechtsabbiegende Fahrzeuge seien durchaus bekannt, betont Ulrich Bolle. Eine Gestaltung des Kreuzungsbereichs nach niederländischem Vorbild könne diese Gefahren verringern. In den Niederlanden wird durch bauliche Maßnahmen konsequent gegengesteuert, wenn eine Kreuzung sich als zu gefährlich für Radfahrende erweist.

Geisterrad Ghostbike Clemens-August-Straße Ecke Gahlener Straße in Dorsten
Vor Jahren starb eine Radfahrerin in Dorsten, nachdem sie von einem Lkw erfasst wurde. Um daran zu erinnern, wurde damals ein Geisterrad an der Clemens-August-Straße aufgestellt. © Archiv

Ein typisches Designelement niederländischer Kreuzungen sind sogenannte Schutzinseln: sichelförmige Verkehrsinseln mit einem kleinen Radius, die für eine geringere Geschwindigkeit von Fahrzeugen beim Abbiegen sorgen. Für Lastwagen sind diese Inseln überfahrbar, da sie einen größeren Abbiegeradius haben.

Wartenischen sind ein weiteres Element. Sie entstehen automatisch, wenn eine Schutzinsel eingerichtet wird. In einer solchen Nische können sich Radfahrende bei Rot aufstellen, um querenden Radverkehr nicht zu behindern.

Durch eine Verschwenkung der Radwege kann laut ADFC der komplexe Abbiegevorgang entzerrt werden. Für Autofahrende entsteht eine Aufstellfläche. Sie könnten sich in Ruhe erst auf den Abbiegevorgang und anschließend auf die Wahrnehmung des querenden Radverkehrs konzentrieren. Die Gefahr des toten Winkels würde minimiert, da die Aufstellung des Fahrzeugs im rechten Winkel zu sich nähernden Rädern erfolge.

Ein viertes Designelement niederländischer Kreuzungen sind vorgezogene Haltelinien. Dadurch werden Radfahrende besser sichtbar. Im Idealfall sorgen sie auch dafür, dass die Kreuzung bereits beim Eintreffen der Fahrzeuge geräumt ist, da Radfahrende durch die vorgezogene Haltelinie einen Vorsprung bekommen.

Designelemente für Kreuzungen in den Niederlanden, um die Sicherheit zu erhöhen: Schutzinseln (1), Wartenischen (2), verschwenkte Radwege (3) und vorgezogene Haltelinien (4).
Designelemente für Kreuzungen in den Niederlanden, um die Sicherheit zu erhöhen: Schutzinseln (1), Wartenischen (2), verschwenkte Radwege (3) und vorgezogene Haltelinien (4). © ADFC

Wegen des toten Winkels sei es „gerade für Lkw-Fahrer äußert schwer, Fußgänger und Radfahrer im rechten Bereich des Fahrzeugs wahrzunehmen“, sagt Ulrich Bolle. Das hat inzwischen auch der Gesetzgeber erkannt und elektronische Abbiegeassistenten zur Pflicht erklärt - allerdings nur für neue Fahrzeugtypen. „Der ADFC fordert schon seit Jahren, dass auch ältere Lkw mit diesen Assistenzsystemen verpflichtend ausgestattet werden“, so Bolle.

Kaum freiwillige Nachrüstung

Das Bundesverkehrsministerium unterstützt die Aus- und Nachrüstung älterer Fahrzeuge mit Abbiegeassistenten durch zwei Förderprogramme. Laut einer Erhebung des ADFC waren im vergangenen Jahr allerdings weniger als fünf Prozent der rund 834.000 Lkw, Busse und Sattelzugmaschinen über 3,5 Tonnen auf Deutschlands Straßen über diese Programme freiwillig nachgerüstet worden. „Das System Freiwilligkeit funktioniert im Bereich der Verkehrssicherheit nicht“, sagt ADFC-Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider.

Ein weiterer Vorschlag des ADFC Dorsten zur Verbesserung der Sicherheit betrifft die Ampelschaltung. „Fußgänger und Radfahrer dürfen nicht gleichzeitig mit den abbiegenden Fahrzeugen Grün bekommen“, sagt Ulrich Bolle. „Die Ampelphasen sollten getrennt geschaltet sein.“

Eine Änderung der Ampelschaltung sei eine komplexe Angelegenheit, heißt es von Straßen.NRW. Unter anderem müsse darauf geachtet werden, dass Verkehrsflüsse auf zuführenden Straßen durch eine Änderung nicht verschlechtert werden. Die Behörde hat angekündigt zu prüfen, welche Voraussetzungen für eine Änderung an der betroffenen Kreuzung in Wulfen erfüllt sein müssten.

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