Zwölf Schafe in Dorsten-Rhade gerissen Schäfer Erwin Biedermann: „Ein Bild des Grauens“

Zwölf Schafe in Dorsten-Rhade gerissen: „Ein Bild des Grauens“
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Erwin Biedermann hat das Gesicht eines Mannes, der sein Leben lang draußen war. Der 70-Jährige ist seit mehr als 50 Jahren Schäfer und steht am Freitagmorgen neben seiner Herde auf einer Wiese in Dorsten-Rhade. „Gucken Sie mal, wie schön die Lämmer spielen.“ Doch Biedermann ist immer noch geschockt, denn das, was in der Nacht zu Donnerstag mit seiner Herde zwischen Westerfeldweg, Bahnhegge und Rhader Bach passierte, hat er noch nie erlebt.

Im Sommer ist Biedermann mit seiner Herde immer im Sauerland unterwegs, von Oktober bis April im Kreis Recklinghausen. Oft auch in den Dorstener Ortsteilen Rhade und Lembeck. Am Mittwoch zäunte er seine Herde, rund 370 Tiere, auf einer Wiese in Rhade mit einem wolfsabwehrenden 1,20-Meter-Stromzaun ein und fuhr abends weg. Bei seiner Rückkehr am nächsten Morgen erwartete ihn dort „ein Bild des Grauens“.

Wolle am Stacheldraht

Zuerst habe er gedacht, alle Schafe seien verschwunden. Dann sah er ein totes Tier auf der Wiese liegen. „Dann habe ich erst mal die Schafe gesucht.“ Die waren Hunderte Meter weit geflüchtet. Unter anderem über den Weg Bahnhegge, wo sie in Panik durch einen Stacheldrahtzaun brachen. Über viele Meter hing noch am Freitag die Wolle der Schafe an diesem Zaun.

Auf der Flucht rannten die Schafe durch den Stacheldraht. Ihre Wolle hängt einen Tag später noch am Zaun.
Auf der Flucht rannten die Schafe durch den Stacheldraht. Ihre Wolle hängt einen Tag später noch am Zaun. © Berthold Fehmr

Hinter einem Wall eines benachbarten Hofs hätten sich die meisten Tiere versteckt, so Biedermann. Eines fand er in Sträuchern. Ein Lamm habe man in einer Scheune eines anderen Hofs gefunden. Dass die Tiere schreckhafter als sonst waren, stellte Biedermann sofort fest. Auf die Wiese, wo Biedermann sie einzäunt hatte, wollen die Schafe auch am Freitag noch nicht.

Mehrere Mutterschafe hätten am Donnerstagmorgen „geschrien“. Biedermann: „Wenn die Euter voll sind, wollen sie, dass die Lämmer saugen. Die haben Schmerzen, wenn die Euter voll sind.“ Biedermann merkte erst jetzt, dass weitere Schafe tot und verstreut auf den Wiesen im Umfeld lagen. Insgesamt zehn Lämmer und zwei Mutterschafe. Einige davon waren am Hinterteil angefressen, bei vielen hingen die Gedärme heraus.

DNA-Spuren werden untersucht

Biedermann kontaktierte die Biologische Station. Wolfsberater Niels Ribbrock nahm DNA-Proben bei den gerissenen Schafen, die nun daraufhin untersucht werden, ob ein Wolf oder mehrere Wölfe die Schafe gerissen haben. In dem Fall kann der Schaden finanziell ersetzt werden.

Als "ein Bild des Grauens" bezeichnet Erwin Biedermann die Situation, als er die toten Schafe und Lämmer fand. Die heraushängenden Gedärme wurden in diesem Bild verpixelt.
Als „ein Bild des Grauens" bezeichnet Erwin Biedermann die Situation, als er die toten Schafe und Lämmer fand. Die heraushängenden Gedärme wurden in diesem Bild verpixelt. © Francisco Lopez

Wenn die DNA-Probe es hergibt, kann man auch womöglich feststellen, ob es ein „durchreisender“ Wolf oder ein Wolf aus der Region war. Für Biedermann steht fest, dass es ein Wolf war. Oder mehrere: „Was soll es denn sonst gemacht haben? Eine Katze?“ Bislang war Rhade, das zum Wolfsgebiet Schermbeck gehört, von Nutztier-Rissen verschont geblieben, doch bereits vor rund einer Woche gab es erste Gerüchte in Rhade, dass ein Wolf gesichtet worden sein sollte. Ein totes Reh mit Bisswunden war zwischen Höfer Weg und Leblicher Weg gefunden worden.

Ein Anwohner berichtet, dass er am Donnerstag um 7.45 Uhr die Schafe gehört habe, vermutlich bei der Flucht. Seit dem Vorfall sei die Nachbarschaft „aufgewühlt“. Einige wollten nicht mehr wie gewohnt mit dem Hund eine Runde drehen, ein Mann wolle nur noch bewaffnet nach draußen gehen. „Wir sind nicht gegen den Wolf“, sagt der Anwohner. „Aber es werden Grenzen überschritten, wo die persönliche Bewegungsfreiheit zu sehr eingeschränkt wird.“

Eigentlich wollte Biedermann so lange Schäfer sein, „wie ich laufen kann“. Doch den Anblick seiner toten Tiere mit heraushängendem Gedärmen wird er nicht los. Jetzt sagt er: „Ich mache es nicht mehr.“ Er wolle nun die Schafe verkaufen. Sein Zaun sei damals gefördert worden, berichtet Biedermann - geholfen hat es nichts. „Für solche Sachen sind Millionen ausgegeben worden. Das Geld hätte man besser in Freibäder, Altenheime oder Kindergärten stecken sollen. Aber das ist nur meine Meinung.“

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