„Ein bisschen teurer als geschätzt“, sagt der neue Eigentümer nach 50 Minuten Biet-Zeit. Für 241.000 Euro wechselte am Dienstag (4.2.) ein Sechs-Familien-Haus am Rande der Castrop-Rauxeler Altstadt den Besitzer. Für ihn und drei Mitbieter war die Zwangsversteigerung vor dem Amtsgericht Castrop-Rauxel sozusagen ein „Blind Date“.
Schließlich hatte das gutachterliche Exposé im Vorfeld einige Fragen offen gelassen. In vier der sechs Wohnungen konnten die Gutachter keine Innenbesichtigung vornehmen. Für die je zwei Wohnungen im 1. Obergeschoss und im Dachgeschoss liegen der Bauakte keine Baugenehmigungsunterlagen vor. Der Umbau erfolgte im Jahr 1936.
„Ob eine nachträgliche Baugenehmigung für die durchgeführten Umbauten genehmigt wird, kann nur durch einen Bauantrag geklärt werden“, heißt es im Exposé. „Es können in diesem Zusammenhang diverse baurechtlich erforderliche Maßnahmen gefordert werden.“ Konkret können das Brandschutz- und Schallschutzmaßnahmen sein, wie auch der Nachweis zusätzlicher Stellplätze.
Mindesterlös vom Erstbieter
Es ist 10.15 Uhr in Saal 1 des Amtsgerichts. 16 potenzielle Bieter und Zuhörer haben hinten in zwei Stuhlreihen Platz genommen – darunter der gesetzliche Betreuer des Schuldners. Vertreter der Sparda-Bank als Gläubigerin sitzen an der linken Saalseite. Sie betreibt das Vollstreckungsverfahren.
Der Bekanntmachungsteil mit den Formalitäten ist abgeschlossen. Klar ist in dieser ersten Runde, dass die Auktion mindestens die Hälfte des Verkehrswertes von 270.000 Euro für das Haus am Altstadtring erzielen muss. Der Gläubiger kann das Höchstgebot dennoch ablehnen, wenn es unter sieben Zehntel des Schätzwertes – also 189.000 Euro – liegt. In einem zweiten Vollstreckungsverfahren würden diese beiden Einschränkungen nicht mehr gelten.
Ein erster Interessent fragt die Gläubigerin, ob sie die Sieben-Zehntel-Option ziehen werde. Die Sparda-Vertreterin bejaht das. „Dann gebe ich ein Erstgebot von 189.000 Euro“, erklärt der Mann. Die Summe ist der verlangte Mindesterlös. Der Bieter tritt nach vorne, legt seinen Ausweis vor und weist die hinterlegte Sicherheitsleistung nach.

Schweigen im Saal. Der Rechtspfleger der die Auktion leitet, blickt durch den Saal. Vor Beginn hatte er darauf hingewiesen, dass die Mindestbietzeit bei 30 Minuten liege – bei regem Bieterverhalten könne er die Versteigerung verlängern. Besucher, die nicht allein gekommen sind, tuscheln leise. Es ist vollkommen offen, wer mitbietet oder nur aus Interesse zuschaut.
10.29 Uhr: Ein zweiter Bieter hinterlegt Personalien und Sicherheiten – und erhöht auf 191.000 Euro. Eine Minute später kontert der Erstbieter. 195.000 Euro. Wieder breitet sich Schweigen in dem großen Saal aus. Um 10.39 steigt ein dritter Interessent ein. 196.000 Euro. Der Zweitbietende treibt den Erlös direkt auf 200.000 Euro. Einmal erhöht der Erstbieter noch auf 201.000 Euro – dann steigt er aus.
Zehn Minuten lang treiben der Zweit- und der Drittbietende den Erlös bis auf 213.000 Euro. An der linken Saalwand sitzt ein Mann neben den Gläubigern. Vor sich eine Handtasche auf dem Tisch. und zwei Handys, auf die er immer wieder blickt. Um 10.50 steigt er mit 214.000 Euro als insgesamt vierter Bieter ein. In 500- und 1000-Euro-Stufen steigern nun nur noch der Dritt- und Viertbietende mit.
Es ist 10.56. Der Dritte hat 221.000 Euro geboten. Pause. Der Rechtspfleger wiederholt das letzte Gebot. „221.000 Euro zum Ersten.“ Der zuletzt Eingestiegene erhöht um 1000 Euro. Der Überbotene schaut ruhig und konzentriert, wechselt leise ein paar Worte mit seiner Begleiterin. „224.000 Euro“, ruft er. Der Mann neben den Gläubigern schüttelt den Kopf und bewegt die Lippen. Es sieht aus wie ein ungläubiges „Nee.“ – „224.000 Euro zum Ersten“

Aber so schnell geht es nicht. „230.000“, gibt der Mann am Tisch vor der linken Wand ein klares Statement ab. Nicht ohne Antwort des dritten Bieters. Weiter geht es. Es ist 11.03 Uhr: Der Bieter neben den Gläubigern nennt 237.500 Euro. Spürbar geht es in die Schlussphase. 241.000 Euro ruft sein Kontrahent auf. Der Überbotene steckt seine Smartphones in die Ledertasche. Gut sichtbar steigt er aus.
Um 11.05 Uhr beendet der Rechtspfleger die Bietzeit. Die Vertreter der Gläubiger nicken nicht unzufrieden. Besucher und Mitbietende gratulieren dem Höchstbietenden. Der bedankt sich ruhig. „Ist okay, aber viel Arbeit“, sagt der 59-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion.
Es kam teurer als erwartet. Ein Schnäppchen ist der Neubesitz nicht. „Das Haus ist sehr renovierungsbedürftig, eine Herausforderung“, erklärt der Dortmunder. „Ich werde mir erst einmal jede Wohnung einzeln anschauen.“ Für den Eigenbedarf will er das Altstadt-nahe Gebäude nach der Sanierung nicht nutzen. „Die Wohnungen werden vermietet.“