Der Vorraum zu Saal 1 des Castrop-Rauxeler Amtsgerichts ist bereits vor Beginn der geplanten Zwangsversteigerung gut besucht. Neben potenziellen Interessenten sind einige interessierte Zuschauer gekommen. Auch sie rätseln, wer denn nun die „echten Bieter“ sind.
Unter den Hammer kommt ein Einfamilienhaus im Knappenweg 27 in Habinghorst. Das 541 Quadratmeter große Grundstück samt Haus und Garage wurde vom Gutachter auf einen Verkehrswert von 184.000 Euro geschätzt.
Großes Grundstück mit Haken
Das 1911 erbaute Reihenendhaus ist baulich mit dem benachbarten Haus Nummer 29 verbunden. Es besteht aus einem Keller, Erdgeschoss, Obergeschoss, Dachgeschoss und einem Spitzboden. Angrenzend befindet sich ein Garten mit Terrasse und Gartenhäuschen.
Es gibt jedoch Haken: Zuletzt hat sich offensichtlich niemand um das Grundstück gekümmert. Der Garten ist verwildert, der Weg zum Gartenhäuschen komplett zugewachsen. Die Entrümpelung und Instandhaltungsarbeiten müssen potenzielle Käufer einkalkulieren. Dazu kommt: Ein Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken ist laut vorliegender Bauakte nicht genehmigt.
Lange 30 Minuten
Um kurz nach 12 Uhr verliest der zuständige Rechtspfleger die Formalien und Versteigerungsbedingungen. So liegt das Mindestgebot bei knapp 6.200 Euro, die Fünf-Zehntel-Grenze bei 92.000 Euro. Unterhalb dieser muss das Gericht den Verkauf „von Amts wegen“ versagen.
Der Rechtspfleger teilt um 12.20 Uhr mit, dass er nun die Bietzeit eröffnet, die mindestens 30 Minuten beträgt. Da jedoch in den ersten 10 Minuten niemand ein Gebot abgibt, ergänzt er: „Sehen Sie lieber davon ab, erst zum Ablauf der Zeit Ihre Gebote abzugeben. Das hat keinerlei Vorteile und zögert die Versteigerung nur hinaus.“ Kurz darauf erhebt sich der Inhaber einer Immobilienfirma aus Essen, um vorne sein erstes Gebot abzugeben: 25.000 Euro. Bis zum nächsten Gebot durch zwei Brüder vergehen erneut einige Minuten: Es beläuft sich auf 92.000 Euro, also exakt die Summe der Fünf-Zehntel-Grenze. Bis zum Ende der Mindestbietzeit um kurz vor 13 Uhr sind gerade einmal 95.000 Euro in vier Geboten durch drei Interessenten erreicht. Ab dann geht alles ganz schnell.

Kopf-an-Kopf-Rennen
Die zwei Brüder und der Immobilieninhaber kommen sichtlich an ihre Grenzen, während sie in Fünfhunderter- und Tausender-Schritten ihre Gebote bis über die 100.000 Euro erhöhen. Es wird wild durch die Unterlagen geblättert, das Exposé wieder und wieder überflogen und der ein oder andere Kontakt per Handy kontaktiert. Ein weiterer Bieter hatte vor Ende der ersten 30 Minuten ein einzelnes Gebot abgegeben und steigt nun mit 107.500 Euro wieder ein. Es ist Viktor Sawatzky, der im Auftrag seiner Schwester Nicole Sawatzky und seines Schwagers Jens Ehlebracht die Immobilie erstehen möchte. Die beiden zuvor bietenden Brüder sind an dieser Stelle raus.
Jetzt geht das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Essener Immobilieninhaber und Sawatzky alleine weiter. Letztlich erhält Sawatzky mit 110.500 Euro den Zuschlag. Ganze 50 Minuten dauerte die Verhandlung. Die Sieben-Zehntel-Grenze in Höhe von 128.800 Euro, als auch der geschätzte Verkehrswert von 184.000 Euro wurden dabei nicht erreicht. Dennoch kommt der Kauf zustande.
Zuschlag kam überraschend
Viktor Sawatzky und sein Schwager Jens Ehlebracht zeigen sich sichtlich zufrieden. Knapp 150 Kilometer sind sie von Lemgo aus angereist, fast wären sie schon vor Beginn der eigentlichen Versteigerung wieder gefahren. „Es waren so viele Menschen vor dem Gerichtssaal, das haben wir nicht erwartet. Man wusste ja auch nicht genau, wer jetzt mitbietet. Wir haben gar nicht mehr damit gerechnet, die Immobilie zu ersteigern“, sagt Jens Ehlebracht. Er und seine Frau Nicole Sawatzky betreiben den Immobilienhandel nach eigener Aussage gewerblich. Für das Reihenendhaus im Knappenweg 27 sei eine Entrümpelung und ein anschließender Wiederverkauf geplant.
Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 5.11.2024.