Einzigartige Wochenend-Angebote für Kinder Mandy (37) über „ihr“ Projekt am Hof Emscher-Auen

Marion (50) und Mandy (37) über ihr einzigartiges Projekt Emscher-Falken
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Die Emscher-Auen zwischen Dortmund-Mengede und Castrop-Rauxel-Ickern am Sonntag (27.4.2025): Allmende und der Hof Emscherauen sowie die Emscher-Falken veranstalteten gar nicht viel mehr als eine Pflanzentauschbörse. Und es war brechend voll. Kinder spielten, Fahrrad-Touristen genossen den Sonnenschein und den Kuchen im Café oder die Pommes aus der Bude von Uwe Frisch.

Der ehemalige Hühnerstall des Hofes liegt etwas im Abseits. Doch hier spielt sich jedes Wochenende etwas ab: Jugend- und Kinderarbeit, die Natur- und Umweltbewusstsein vermittelt wie vielleicht kein zweites Projekt in Castrop-Rauxel. Die Mutterorganisation „SJD Falken“ (Sozialistische Jugend Deutschlands ist ein Kinder- und Jugendverband, der aus der sozialistischen Arbeiterjugendbewegung hervorging. Wir sprachen an diesem belebten Sonntag mit Mandy Schreiber, der Umweltpädagogin vor Ort, die jedes Wochenende offene Angebote für Kinder ab acht Jahren macht. Ohne Mitgliedschaft, ohne Anmeldung und ohne Kosten für Teilnehmer.

Die Emscher-Falken arbeiten mit Umweltpädagogin Mandy Schreiber am Hof Emscher-Auen mit Kindern zusammen. Das Angebot läuft an jedem Wochenende.
Die Emscher-Falken arbeiten mit Umweltpädagogin Mandy Schreiber am Hof Emscher-Auen mit Kindern zusammen. Das Angebot läuft an jedem Wochenende. © Tobias Weckenbrock

Was für ein Wochenende hier auf dem Hof Emscher-Auen. Warum ist hier so viel los, Frau Schreiber?

Wir sind hier bei der Pflanzenbörse. Es gibt auch eine Saatgutbörse, die ist aber auch schon im März gewesen.

Wer seid ihr denn?

Wir sind von den Emscher-Falken. Wir dürfen hier zum Beispiel mit der JVA Castrop-Rauxel zusammenarbeiten und mit dem Café, mit der Allmende, mit Nabu und BUND zusammenarbeiten, die es hier alle gibt. Begegnungen vor Ort gibt es auch. Der ADFC Gelsenkirchen war für eine Führung angemeldet und die Emschergenossenschaft, das ist diejenige, der dieser ganze Hof gehört.

Und was macht ihr als Emscher-Falken? Wo kommt das her?

Das FBF Dortmund, das Falken-Bildungs- und Freizeitwerk, hat das Projekt hier auf die Beine gestellt. Wir werden gefördert durch „Nordwärts“, ein EU-Förderprojekt im Dortmunder Norden. Die Förderung läuft noch bis Ende dieses Jahres, danach steht noch in den Sternen, wie es weiter gehen kann.

Was heißt das konkret, was macht ihr hier?

Wir sind für offene Kinder- und Jugendarbeit in der Umweltbildung aktiv. Von Werkstattarbeit über handwerkliches Upcycling, ganz, ganz viel mit Kochen, teilweise auch ein bisschen Backen oder Eis selber herstellen. Die ganzen Begriffe kennenlernen, die alle irgendwie mit Umwelt zu tun haben, zum Beispiel Nachhaltigkeit.

Das könnt ihr hier alles machen?

Wir haben viel, was wir von zu Hause mitbringen, und die Infrastruktur, die wir hier vor Ort in unserem alten Hühnerstall haben. Ein riesengroßes Lager mit allem, was das Bastelherz begehrt. Wir haben eine eigene Werkstatt und Küche, die wir sehr häufig nutzen. Häufig sind wir aber auch an unserer Feuerstelle, wo wir über offener Flamme mit den Kindern kochen und Stockbrot backen.

Ich habe den Eindruck, in Castrop-Rauxel wissen gar nicht so viele, dass es euch gibt. Wie kann man denn da teilnehmen und mitmachen?

Wir sind jeden Samstag und Sonntag von 14. bis 17.30 Uhr da. Und bei Sonderveranstaltungen, die sind aber meistens auch am Wochenende. Unsere Teilnehmer sind 6 bis 12 Jahre alt, wir haben aber auch ein paar 14-Jährige dabei, einige, die von Anfang an mitmachen und nicht genug bekommen können. Manchmal sind auch die 5- und 4-Jährigen mit am Start. Aber der Kern ist das Alter von 8 bis 12 Jahren. Da kann man schon sehr, sehr viel machen.

Wir sind gut aufgestellt, was Spiele angeht. Neben dem Basteln und Werkeln haben wir auch feste Themen, wie zum Beispiel Feuerpädagogik: Die Kinder lernen dabei den Umgang mit Feuer und das Löschen. Wir gehen auch in die Natur, sammeln Materialien und versuchen dann große Eulen oder andere Dinge daraus zu basteln. Was das Herz begehrt.

Klingt wie ein großes Abenteuer. Das ist doch bestimmt super teuer, wenn man sein Kind hier anmelden möchte, oder?

Wir sind komplett kostenfrei, genauso wie das Bogenschießen, was wir auch als erlebnispädagogischen Aspekt anbieten können. Das kostet gar nichts, außer den Weg hierher, also die Mühen. Es ist leider ein bisschen schwierig, hierherzukommen. Das heißt per Pedes oder mit dem Radel. Zu Fuß sind es ungefähr 15 Minuten, egal ob man aus Ickern oder aus der Mengeder Heide kommt. Allerdings sind die Sperrungen durch die Baustelle am Regenrückhaltebecken so in etwa in zwei Monaten Gott sei Dank nach zwei Jahren endlich aufgehoben.

Dann ist die Emschergenossenschaft hier fertig?

So ist zumindest der Plan. Aber toi toi toi, sie haben sich bisher immer extrem gut an ihre Versprechen gehalten. Die Zeiten passen immer wirklich gut. Wir haben die Hoffnung, dass wir dann wieder mehr Wege nutzen können, auch kleinere Ausflüge mit den Kettcars, also unserem Fuhrpark, machen können. Die Vogelwelt, die sich ja hier etabliert hat, kann sich dann auch wieder wohler fühlen ohne die ganzen Bagger. Die sind natürlich auch immer wieder jede Beobachtung unsererseits wert.

Die Emscher-Falken sind in einem ehemaligen Hühnerstall untergebracht. Daneben haben sie einen Garten, den sie bewirtschaften.
Die Emscher-Falken sind in einem ehemaligen Hühnerstall untergebracht. Daneben haben sie einen Garten, den sie bewirtschaften. © Tobias Weckenbrock

Muss man sich denn anmelden, wenn man teilnehmen möchte?

Wir haben ab und zu mal Sonderveranstaltungen, wie zum Beispiel eine Übernachtung hier am Hof. Da wäre eine Anmeldung gut, das sagen wir aber auch immer mit dabei. Ansonsten gilt: Kommen nach Lust und Laune. Über Flyer, Social Media und unseren Newsletter oder in unserem Aushang geben wir bekannt, was wir vorhaben. Der Newsletter kommt zweimal im Monat per Mail.

Wer außer Ihnen arbeitet hier mit den Kindern?

Personalengpässe haben wir zum Glück nicht. Es arbeiten alle sehr, sehr gerne hier. Also: Wir sind mittlerweile sehr gut aufgestellt, haben alle pädagogische Vorkenntnis in verschiedensten Bereichen, sind Gewässer- oder Feuer- oder Streuobstpädagogen.

Als Vater oder Mutter bringt man sein Kind hierher, wenn es noch nicht alleine kommen kann, und geht wieder? Oder bleibt man dabei?

Das sind die verschiedensten Möglichkeiten. Manche fahren einfach mit dem Fahrrad noch eine Runde oder gehen spazieren. Es sind auch einige, die sich auf die wunderbare Sonnenterrasse ins Café setzen und Kaffee und Kuchen genießen oder ein Bierchen. Sie sammeln dann ihre Kinder nach drei, vier Stunden wieder ein. Viele kommen zweimal mit den Eltern hierher, danach aber alleine. Kinder lernen so auch viel Selbstständigkeit. Der Weg hierher ist ja relativ simpel von der Strecke. Es ist halt nur erstmal schwierig, den Weg hierher zu finden. Danach haben die Eltern Vertrauen in uns, dass die Kinder wieder nach Hause kommen und am nächsten Wochenende dann auch gerne wieder hierher möchten.

Der Hof Emscher-Auen liegt westlich vom Regen- und Hochwasserrückhaltebecken an der Emscher in Ickern und Mengede. Hier hat in den vergangenen Monaten ein groß angelegter Aus- und Umbau stattgefunden.
Der Hof Emscher-Auen liegt westlich vom Regen- und Hochwasserrückhaltebecken an der Emscher in Ickern und Mengede. Hier hat in den vergangenen Monaten ein groß angelegter Aus- und Umbau stattgefunden. Auf der „Insel“ auf dem Hof sind auch die Emscher-Falken untergebracht. © Jörg Gutzeit

Wie geht es weiter, wenn die Förderung ausläuft?

Wir würden das wahnsinnig gerne weiterführen. Die Flagge, also die Finanzierung dahinter, ist relativ egal. Aber es muss halt etwas sein, was mit unserem Motto, unserem Credo übereinstimmt. Zum Beispiel ist bei der „Aktion Mensch“ auch Nachhaltigkeit ein Thema.

Das heißt, Sie müssen jetzt Klinken putzen, Förderanträge schreiben, in der Hoffnung, dass sich jemand bereit erklärt?

Ganz genau. Idealerweise wären hier zwei Pädagogen-Stellen, sodass wir nicht nur zwei Tage aufhaben können, sondern vier bis fünf Tage plus Wochenende. Das wäre ein Wunsch, auch innerhalb der Woche für Schulklassen, Kita-Gruppen oder OGS da zu sein. Dann könnten wir den Unterrichtsaspekt noch stärker bedienen.

Wie kann man euch am besten kennenlernen?

Einfach herkommen. Wir sind jedes Wochenende hier. Wir haben so ein bisschen eine Neben- und eine Hauptsaison, sprich alles Ende Oktober bis in den März hinein ist hier mit dem Wetter nicht ganz so ideal. Aber alles innerhalb der Sommermonate ist gut. Dann hat auch das Café offen. Und wir können viel, viel mehr draußen anbieten.

Ich bin die, die sich im Hintergrund um den Papierkram und die Bürokratie kümmert. Die Hauptverantwortliche für den Hof, die es auch mitgestaltet hat, ist Marion Neuhaus. Wir als großes Team sind einfach nur hier: An dem besten Arbeitsplatz, den man haben kann. Wir dürfen uns wirklich sehr, sehr glücklich schätzen, dass wir das hier so lange Zeit machen konnten und durften. Es wäre schön, wenn wir das noch eine Stufe höher kriegen würden, mit ein bisschen mehr Regelmäßigkeit und noch mehr Angebot. Vor allem, dass mehr Kinder nicht nur den Standort kennenlernen, sondern alles, was das hier bieten kann.

Was lernen Kinder hier? Also sie sind nicht nur bespaßt, sondern machen auch was, was sich nachhaltig auf ihr Leben auswirkt, oder?

Das hat einen Schneeball-Effekt: Die Auswirkung für das spätere Leben ist auf jeden Fall da. Wir sehen es an den Kindern, die jetzt schon seit vielen Jahren immer wieder hierherkommen. Da haben sie sich teilweise Berufswünsche so angepasst, dass sie etwas Ähnliches machen wollen. Darauf sind wir sehr, sehr stolz. Die Hauptsache ist: Sie sollen mit viel Freude immer wieder was Neues lernen. Egal aus welchem Bereich: Kochen, selber pflanzen und ernten, Bewegung, dass die Kinder einfach mal wieder raus können und nicht vorm Bildschirm sitzen, sondern draußen sind. Es gibt hier keinen Bildschirm. Und das stört die Kinder überhaupt nicht. Zwar machen die ganz gerne mal ein Selfie zwischendurch, aber die Bildschirme, die den Alltag so sehr bestimmen, sind hier einfach nicht vorhanden. Abgesehen davon, dass wir auch kein Internet haben...

Das, was die Kinder am meisten mitnehmen, ist die Freude an den natürlichen Dingen. Nicht nur die großen Worte Nachhaltigkeit und Wertschätzung. Wir sind hier wirklich losgelöst auf so einer Art Insel. Dieser Ort hat ein immenses Wachstum hingelegt. Dadurch können wir Kindern nahelegen, wie etwas funktioniert, wie etwas wächst, wieso das für sie selber wichtig ist. Wie viel mehr Geschmack auf einmal so eine Tomate hat, wenn man sie kurz vorher selbst frisch geerntet hat aus der Sonne Ickerns, nicht irgendwo aus Spanien aus irgendeinem Gewächshaus. Das macht einen sehr großen Unterschied. Das nehmen die Kinder mit nach Hause, das nehmen sie mit in die Schule und das nehmen sie mit zu ihren Freunden.

Mandy Schreiber im Video-Interview auf rn.de/castrop und rn.de/mengede