Wohncamp für Flüchtlinge
Wie war das Leben in der Habinghorster Unterkunft?
Ein eigener kleiner Stadtteil Castrop-Rauxels ist Geschichte. Einer aus Leichtbauhallen, in einer Notsituation errichtet – und nun überflüssig: Die Großnotunterkunft in Habinghorst hat ihren Dienst getan. Wir sind mit Leiter Horst Kreienkamp noch einmal durch alle Stationen gegangen. Wie funktionierte das Leben hier?
Horst Kreienkamp in der Kleiderkammer der Notunterkunft: Hier kamen gespendete Kleidungsstücke aus der ganzen Region an. Hier wurden sie sortiert und dann an bedürftige Flüchtlinge ausgegeben. Kreienkamp: "Manche hatten viel Kleidung dabei, andere kamen nur mit dem, was sie am Körper trugen."
Horst Kreienkamp war bei der Feuerwehr in Recklinghausen beschäftigt. Und mit seinen 64 Jahren pensioniert. Er hatte anderes vor, als im Herbst 2015 jemand fragte, ob er sich vorstellen könnte, einen wichtigen Job zu übernehmen. Die Leitung der zu errichtenden Groß-Notunterkunft in Habinghorst – das wäre was für ihn.
Nach einigem Überlegen entschied er sich für diese Aufgabe. Und bewältigte sie. Organisieren von Dienstplänen für 80 Mitarbeiter, das war noch die geringste Herausforderung. Die Fäden in der Hand zu halten, die Arbeit zu koordinieren – das hatte mehr.
Funkgerät und Handy waren Begleiter
Dafür hatte er auch „nur“ eine halbe Stelle Zeit, auf der anderen Seite aber auch Teamleiter im Büro nebenan und in der Anlage, die Führungsaufgaben hatten. Ein Funkgerät und ein Handy, das waren seine Begleiter. Denn im Büro selbst, einem Container wie ein Baubüro in Eingangsnähe, wo „Leitung“ auf der Tür steht, war er ja nur einen Teil seiner Zeit. Immer unterwegs, um hier und da, wo sie eben gerade auftraten, sprichwörtliche „Brände“ zu löschen.
„Wir hatten kein Konzept – das mussten wir uns selbst erarbeiten“, sagt er. Zusammen mit dem Mitarbeiterteam des Deutschen Roten Kreuzes setzte er in kurzer Zeit ein System aus medizinischer Versorgung, interner Registrierung, Nahrungsmittelaufnahme, Sozialbetreuung und Beschäftigung, Sicherheit und Zusammenarbeit mit den Behörden wie Polizei, Stadtverwaltung, Bezirksregierung auf, das funktionierte.
Rundgang mit Leiter Kreienkamp
Bei unserem Rundgang kommen wir durch die Kleiderkammer, wo die Mitarbeiter die gespendeten Dinge aus den Regalen nehmen und sortiert in Kartons verpacken. „Alles, was noch gut ist, wird weiterverwendet“, sagt Kreienkamp. Wie, ist offen. Aber es sei ja das meiste abgezählt. Auch für das Materiallager gilt das: ein Pagodenzelt, in dem noch Hunderte Rollen Toilettenpapier liegen, andere Hygieneartikel, Mineralwasserflaschen und vieles mehr.
Die großen, langen Zelte – das waren die, in denen sich das „Leben“ der Bewohner abspielte: eine Leichtbauhalle für alleinreisende Frauen oder Frauen mit Kindern, unterteilt in Parzellen für zwölf Personen. Darin je sechs hölzerne Etagenbetten. Keine Schränke, nichts. „Wir mussten verhindern, dass sicherheitsrelevante Gegenstände oder Verderbliches in den Zelten aufbewahrt werden“, so Kreienkamp. Privatsphäre? „Dafür hatten wir keinen Platz.“
Immerhin: In den Sanitärzelten, getrennt nach Geschlecht, gab es für jede Dusche eine Kabine. Gut sieht es da aus, weil der Reinigungsdienst schon durchgegangen ist – alles sauber, alles fertig zur Demontage. „Alle Bretter, alle Kabinen maßangefertigt für die Notunterkunft“, so Kreienkamp.
50, 60 Kinder spielten hier
Wir gehen über den Asphalt, auf dem Hunderte bunte Kinderhände zu sehen sind – ein Kunstprojekt; kommen an der Außenfläche vorbei, die Mitarbeiter und Bewohner gemeinsam geschaffen haben zur Freizeitbeschäftigung: Rindenmulch ist ausgelegt, zwei Grillplätze, einige Bänke und Stühle, ein Volleyballfeld. „Hier war bei gutem Wetter was los“, sagt Kreienkamp.
Und ein paar Meter weiter der Spielplatz, ebenfalls auf weichem Mulch: gespendete Spielgeräte, einige für kleines Geld im Internet zusammengekauft. Nebenan das Kita-Zelt: Hier waren mal 50, 60 Kinder gleichzeitig, die von Erzieherinnen betreut wurden. Und die erste Integrationsschritte machen konnten: etwas Deutsch und Radfahren lernen.
Arabische Abende waren beliebt
Das Freizeitzelt ist jetzt ein großes Matratzenlager: Alle Bettmatratzen sind hier aufgestapelt, wo sich die Leute sonst aufgehalten haben. Und daneben das Verpflegungszelt, in dem auch schon kaum noch was ist, wie es war: Das schwarze Brett, wo „Veranstaltungen“ angekündigt waren, ist leer. Die arabischen Abende, sagt Kreienkamp, seien beliebt gewesen. „Da konnten die Bewohner ein Stück Heimat erleben“, sagt er.
Wir gehen durchs Medizinzelt. In vier Behandlungskabinen wurden die Patienten versorgt. Alle wurden bei ihrer Ankunft durchgecheckt. Hier lief auch die Vermittlung zu Fachärzten, zu denen Mitarbeiter die Bewohner begleiteten.
Mitarbeiter haben Zukunftssorgen
Vor dem Wäsche-Container sitzen drei dieser Mitarbeiter: Sie haben hier bald keine Aufgabe mehr. Die Notunterkunft ist geschlossen. „Einige haben Zukunftssorgen“, sagt Horst Kreienkamp.
Er selbst nicht: Er feiert bald noch seine 100 Überstunden ab, wenn die Bauarbeiter die „Gnuk“ abgebaut haben. Der Abbau beginnt nächste Woche. Danach ist Kreienkamp, der Feuerwehrmann, zurück im Ruhestand.