
© Silja Fröhlich
Wie „Radio Ruhrpott“ eine Hauptdarstellerin fürs neue Musical suchte
Ruhrical-Casting
Am Dienstag castete die „Radio Ruhrpott - das Ruhrical“-Crew in der Stadthalle Castrop-Rauxel zwei der Hauptrollen. Könnte die neue Hauptdarstellerin sogar Castrop-Rauxelerin sein?
Julia Breier hat kein Lampenfieber. Die 25-Jährige arbeitet schon lange professionell als Sängerin und Schauspielerin, über 100 Aufführungen hat sie im Jahr. Doch das Gesangs-Casting am Dienstag in der Stadthalle am Europaplatz ist auch für sie etwas Besonderes. Schließlich geht es dieses Mal um ein Musical über ihre eigene Heimat, über Castrop-Rauxel. „Radio Ruhrpott - das Ruhrical“ sucht noch die Hauptdarstellerin.
Petra: Eine Rolle, perfekt für Julia?
„Petra ist Friseurin und verliebt sich in einen Bergarbeiter, aber ihr Vater ist sein Vorsteiger. Und da gibt es natürlich Komplikationen“, erzählt Julia. Eine Rolle, die eigentlich perfekt für sie ist, denn auch sie ist gebürtige Castrop-Rauxelerin. Nur zehn Minuten brauchte sie von Tür zu Tür, und jetzt steht sie auf der Bühne und legt los. „Küssen verboten“ von den Prinzen hat sie vorbereitet, dazu trägt sie einen kurzen Lederrock und das Haar offen. Schon beim ersten Klang ist Julia im Show-Modus, erobert im Handumdrehen die Bühne, schwingt die Hüften und legt ihren ganzen Castrop-Rauxeler Charme in den Song aus den 90er-Jahren.
„Der Ruhrpott hat so ein Stück einfach verdient“, sagt Julia Breier. Der Pott, das sei Entspanntheit, Offenheit, Direktheit. „Man redet miteinander, man ist immer direkt beim Du“, so Julia Breier. „Und mal ehrlich, man kann mit der Bahn durch den ganzen Pott fahren, und überall ist irgendwas los.“ Ihr Auftritt auf der Bühne dauert nicht lange, doch es kommen einige Nachfragen, das Interesse scheint da zu sein. „Ich habe mein Bestes gegeben, aber wer weiß, was genau sie suchen“, sagt Julia Breier mit einem optimistischen Lächeln.
Drei Damen singen Nena vor - und Sasha
Ob Julia Breier die neue Petra wird? Alleine ist sie nicht beim Casting. Drei Konkurrentinnen versuchen, die Jury zu überzeugen und geben Gas bei Nenas „99 Luftballons“, „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ und Sashas „If you believe“. Genau beobachtet werden sie von der Radio-Ruhrpott-Crew. Die besteht aus dem künstlerischen Leiter Bernd Böhne und einem Teil seines Teams: Toningenieur Wolfgang Pentinghaus, Sängerin Claudia Stern und Choreograf Benjamin Isankunya.
Ihnen fällt die Aufgabe zu, sich voll und ganz auf die Performance der Bewerberinnen zu konzentrieren, jede Reaktion der Jury wird gefilmt und festgehalten von den Kamerateams von WDR und Sat.1, die an dem Vormittag dabei sind. Schließlich geht es um das erste Musical aus dem Ruhrgebiet. Das betont auch noch einmal das Logo des Musicals, das groß auf eine Leinwand auf der Bühne projiziert wird, und vor der sich die Bewerber mit nichts als einem Mikrofon und ihrer Stimme beweisen müssen.
Nach dem Gesangteil bittet Choreograf Benjamin Isankunya noch einmal alle Bewerberinnen für eine kleine Tanzeinlage auf die Bühne.
Wie hoch kann Julia singen?
Wolfgang Pentinghaus sitzt ebenfalls in den Zuschauerreihen der Stadthalle und schaut sich jede Bewerberin ganz genau an. Bei Julia stellt er unter anderem ein paar Nachfragen zum Stimmvolumen, wie hoch sie noch singen könne, was sie sonst so mache. Er hatte auf ein paar mehr Sängerinnen beim Casting gehofft, doch nur auf den Gesang käme es eben auch nicht an. „Alle Damen, die vorgesungen haben, klangen schon mal sehr gut. Aber natürlich müssen sie Bühnenerfahrung haben, sie müssen sich bewegen und tanzen können, die Mimik und die Gestik müssen da sein.“
Die „üblichen Verdächtigen“, wie Wolfgang Pentinghaus erfahrene Musicaldarsteller nennt, suche man hier nicht. „Wir wollen neue, junge Leute“, betont er, für ein neues, junges Stück. „Das Musical soll so werden wie der Pott, ganz direkt, menschlich, und den Wandel der Zeit reflektieren, der hier stattgefunden hat.“ Das solle vor allem durch den bunten Mix an Liedern aus unterschiedlichen Jahrzehnten geschehen. Was Wolfgang Pentinghaus am Ruhrgebiet begeistert, sei die Affinität der Menschen zu ihrer Region. „Das Herz der Menschen, die hier leben, schlägt für den Pott, und jede Ansage kommt von Herzen. Man weiß immer genau, woran man hier ist.“
Kein Konzert: „Wir machen hier eine Party“
Eine Kultur, die es verdient hat, gefeiert zu werden. „Das Musical wird kein klassischer Konzertbesuch. Wir machen hier eine Party, und die Leute sollten sich darauf einstellen, dass wir sie auffordern werden, aufzustehen und mitzutanzen“, so Wolfgang Pentinghaus. Doch natürlich gehört zu jedem Musical eine Geschichte, und die wird erzählt von Petra und Ritchie, zwei Ruhris, die sich ineinander verlieben.
Bernd Böhne ist optimistisch, beim Casting „seine“ Petra gefunden zu haben. „Wir haben unsere Petra gesehen, und auch ihre Zweitbesetzung“, sagt er, doch wen er favorisiert, will er nicht verraten. „Und auch unser Bewerber für die Rolle des Michael Jackson ist ganz schön nah dran.“ Michael Jackson im Ruhrpott? „Nicht viele wissen, dass einer der größten Hits der Jackson Five aus dem Pott kommt“, sagt Wolfgang Pentinghaus. „Blame it on the Boogie“ wurde von zwei Männern von hier geschrieben, und einer hieß sogar Jackson.“ Dass daher auch Michael Jackson nicht fehlen kann, ist keine Frage.
Musical-Stadt Castrop Rauxel, warum auch nicht? So sieht es Bernd Böhne. „Jeder kennt Castrop-Rauxel, auch wenn viele noch nicht hier waren. Aber die Lage passt, die Location passt. Castrop-Rauxel lag auf dem Teller und wir haben zugegriffen“, sagt er. Wenn Bernd Böhne sich sein Publikum ebenfalls zusammencasten könnte, wäre eines für ihn ganz klar: „Das hier wird ein Musical für die ganze Familie, von 10 bis 75 Jahren, um die musikalische Identität des Ruhrgebiets zu reflektieren. Wir wollen umfänglich sein und ein Stück auf die Bühne bringen, das Radiofreunde jedes Alters begeistert.“
Da kann es durchaus sein, dass bei der Premiere am 2. Mai auch das ganze Drumherum die Ruhrgebiets-Atmosphäre widerspiegeln wird. „Vielleicht gibt es sogar Currywurst“, sagt Wolfgang Pentinghaus mit einem Augenzwinkern.