So ein Wetter Ende Oktober. Ist das noch normal, Herr Bevc?
Wir hatten das in den vergangenen Jahren auch, das ist nicht so ganz unnormal. Aber die Durchschnittstemperaturen in den vergangenen Wochen, die sind schon ungewöhnlich hoch.
Stimmt. So kommt es ja auch dazu, dass Deutschland gerade recht wenig Gas verbraucht und die Speicher voll sind. Immerhin ein Gutes … Oder was ist noch gut, aus Gärtner-Sicht? Reifen Ihre Tomaten noch?
Nein, das mit den Tomaten hat sich bei mir trotzdem erledigt. Da fehlt einfach die Intensität der Sonne. Auf das Gärtnern hat das milde Wetter jetzt gerade eigentlich keine direkten Auswirkungen. Es ist und bleibt Herbst. Aber selbst die Honigbiene sucht noch kräftig nach Nektar: Es ist sehr ungewöhnlich, wie viele Insekten zurzeit noch fliegen.
Das jetzt milde Wetter und der Klimawandel hängen ja nicht immer ganz direkt zusammen, das ist mir schon klar. Aber brechen wir es doch mal rauf: Wie spüren Sie den Klimawandel?
Man spürt ihn über das ganze Gartenjahr hinweg: Während manche Naturschutz-Verbände noch fordern, die einheimischen Gewächse zu pflanzen, sage ich: Das ergibt keinen Sinn! Es wird einfach immer schwieriger, denn viele Pflanzen kommen mit den Bedingungen heute schon nicht mehr klar. Lavendel und Basilikum dagegen, also untypische Pflanzen für unseren Raum, stehen jetzt noch voll in Blüte und liefern so auch noch Nektar für Insekten.
Anderes Beispiel: Jeder zehnte oder fünfte Kleingärtner hat heute einen Feigenbaum. Die funktionieren als sich selbst befruchtende Sorten heute auch bei uns. Die Stadt sucht für ihr Grün immer mehr trockenheits- und klimaresistente Bäume. Die reden auch längst nicht mehr von einheimischen Bäumen. Da sind wir Kleingärtner weit vorne: Wenn ich mir die Vielfalt heute ansehe oder anhöre, dann wäre das noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen.
Ich habe einen im Khaki-Baum in meinem Garten stehen. Der ist so voller Früchte gerade. Die Äste, die sonst so hoch hängen, dass ich locker drunter her passe, sind aktuell an meiner Gürtelschnalle. Die Khaki wuchs sonst eher im Mittelmeerraum. Nosferatu-Spinne, Tigermücke: zwei Beispiele aus der Tierwelt.

Was Ihnen nun reiche und gefühlt exotische Ernte bringt, ist es also dann eher eine Freude?
Das Ganze ist natürlich erschreckend. Ich sehe mit Sorge, was mit unserem Klima passiert. Aber wir werden es nicht ganz aufhalten können, wie manche es vielleicht noch glauben. Wir sind schon so weit fortgeschritten. Wir müssen uns darum mit unserem Anbau auch langsam anpassen. Was nützt es, wenn man sich an das hält, was man Jahrzehnte und Jahrhunderte angepflanzt hat, aber es wächst nicht mehr?
Was wächst denn nicht mehr gut? Kohl vielleicht?
Bei Kohl sehe ich gar keine so großen Probleme, auch wenn mein Brokkoli dieses Jahr nicht gut gegangen ist. Es sind viel mehr Pilzkrankheiten hier als früher. Bei vielen Süßkirschen hat es teilweise angefangen, dass sie absterben. Apfelbäume haben zwar getragen dieses Jahr, aber die Quantität war doch nicht so groß wie sonst in manchen Jahren. Es kann aber auch sein, dass es nur dieses Jahr ein Ausreißer war. Solche Dinge muss man längerfristig über Jahre betrachten.
Wir haben jedenfalls viele Baustellen in Sachen Klima. Oregano-Pflanzen vermehren sich heute viel stärker als früher. Der sogenannte Schmetterlings-Flieder war früher schön, aber mittlerweile ist er auf alten Betriebsflächen eine regelrechte Seuche geworden ist. Aus meinem Garten hab ich ihn rausgenommen.
Das gleiche gilt für die Brombeere. Das hängt aber auch mit den Emissionen zusammen: Früher sonderte die Industrie hier mehr Schwefel, heute mehr Stickoxyde. Dadurch wird dauerhaft gedüngt. Früher hatten wir Schwachzehrer auf Magerböden. Heute kommen sie auf den überdüngten Böden nicht mehr klar.
Der Herbst ist da. Ist Ihr Garten fertig für den Winter?
Einen richtigen Abschluss fürs Jahr habe ich im Garten gar nicht. Ich räume nicht die Beete auf und schneide Stauden zurück, das mache ich erst im Februar/März.
Sieht aber chaotisch aus dann, oder? Was ist der Vorteil?
Das hat mehrere Gründe. Wenn ich die Sachen liegen lasse, verrotten sie an Ort und Stelle und düngen so den Boden. Wenn noch Samen dran sind, haben Vögel und Insekten noch etwas zu fressen. Und ein gravierender Punkt: Alles, was ich stehen lasse, schützt den Boden vor Erosion. Wenn ich Laub auf den Beeten habe und es regnet, wird der Boden nicht weggespült. Den Rasen sollte man aber doch noch abharken, sonst nimmt er Schaden.
Und dass es dann nicht so schön aussieht…?
Das liegt doch im Auge des Betrachters. In den 70er-Jahren hat man noch umgegraben, alles schwarz und glatt geharkt. Heute ist das anders. Ein umweltbewusster Gärtner macht das nicht.