
© Tobias Weckenbrock
Weiter Feuer unterm Dach bei Rütgers in Rauxel - Geschäftsführer Holland geht
Rütgers Germany
Bei Rütgers in Rauxel herrscht Unruhe. Produktionslinien werden eingestellt, neue gebaut, langjährige Verträge enden. Es gibt viele Gerüchte. Jetzt nimmt Geschäftsführer Holland seinen Hut.
Ein Gerücht, das die Runde macht, hat sich in unserer Recherche bisher als Ente herausgestellt: Von staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen möglicher Unterschlagung oder Steuerhinterziehung einzelner Mitarbeiter ist weder der Staatsanwaltschaft noch dem Unternehmen etwas bekannt. Auch die Summe von 3 Millionen Euro ist vielleicht nicht mehr als ein Gerücht. Aber es ist ein Indikator für die Nervosität, die unter den Mitarbeitern und bei der Führung des Werks in Rauxel herrscht.
Die begründet sich durch die Veränderungen, die gerade in diesem Jahr das Werk mit seinen rund 500 Mitarbeitern erreicht haben: Neubau einer Produktionsanlage für weiße Harze, die aus Teer gewonnen werden (Meldung vom 6. März). Betriebsrats-Chef Danszczyk nach zehn Jahren abgewählt (24. April). 100 Mitarbeiter sollen sich neue Jobs suchen (20. September). Die Stimmung auf dem Rütgers-Gelände ist nicht nur rosig (23. September). Das waren die Schlagzeilen, die die Rain Carbon, der Mutterkonzern des Betriebs Rütgers Germany, in diesem Jahr schrieb. Auf gefeierte gute Nachrichten kamen gleich schlechte vom Abbau von Arbeitsplätzen.
„Wir benötigen heute andere, neue Fähigkeiten“
Und jetzt? Uwe Holland verlässt das Unternehmen. Oder er muss es verlassen? Der Mann, der zig Jahre bei Rütgers tätig war, wird „beim Aufbau des Geschäftsbereichs Advanced Materials“ nicht mehr gebraucht. Oder anders formuliert: „Es hat sich gezeigt, dass wir heute andere, neue Fähigkeiten benötigen“, so die Antwort aus der Unternehmensführung auf Anfrage unserer Redaktion. „Vieles, was das Unternehmen im 19. und 20. Jahrhundert erfolgreich gemacht hat, funktioniert im heutigen Geschäftsumfeld nicht mehr, in dem Kunden, Aufsichtsbehörden und die Gesellschaft nach leichteren und umweltfreundlicheren Rohstoffen und Produkten verlangen“, schreibt Annekatrin Sonn aus der Öffentlichkeitsabteilung.
Zu den ersten Schritten, mit denen die Firma den sich verändernden Erwartungen des Geschäftsumfelds begegnet sei, gehörte Anfang des Jahres die Ernennung von Bram D’hondt zum Leiter der Globalen Fertigungskompetenz und von Ralf Meixner zum neuen Leiter des Geschäftsbereichs Advanced Materials. „Uwe Holland, der seit über 30 Jahren Führungskraft in unserem Unternehmen ist, hat die Notwendigkeit eines Wandels erkannt und beschlossen, sich Ende des Jahres zurückzuziehen, um den Veränderungsprozess zu erleichtern“, heißt es im Rütgers-Sprech weiter.
„Anforderungen des Gesetzgebers und der Gesellschaft“
Als Begründung nennt der Vorstand einen tiefgreifenden Veränderungsprozess, den das Unternehmen ebenso wie die Industrien, die es beliefere, derzeit durchlaufe. „Wir arbeiten daran, die Anforderungen des Gesetzgebers und der Gesellschaft im Hinblick auf umweltfreundlichere und leichtere Produkte zu erfüllen“, so Sonn. Grundstoffe, die man seit Jahrzehnten produziere, seien heute nicht mehr rentabel oder durch andere Stoffe ersetzt worden. „Daher schließen wir Produktionseinheiten, die auf veralteten Technologien beruhen oder Materialien produzieren, die in den sich verändernden Märkten nicht mehr nachgefragt werden.“ Das führe auch dazu, dass die mit diesen Produktionseinheiten verbundenen Arbeitsplätze wegfielen.
Viele Betroffene sind inzwischen in einer Auffanggesellschaft beschäftigt, in der sie sich qualifizieren und wegbewerben sollen. Sie bekommen weiterhin den vollen Lohn ausgezahlt – inklusive künftiger Tariferhöhungen. Es sollen faire Bedingungen sein, unter denen sie sich neue Jobs suchen. Aber für Menschen, die sich viele Jahre wichtig in einer Firma fühlten und auch so behandelt wurden, ist es dennoch schwierig.
Mehr als 100 Millionen Euro Investition in den Standort Rauxel
Gleichzeitig investiert die indische Mutterfirma Rain in erheblichem Umfang in die Modernisierung des Rauxeler Werks, um dessen Wettbewerbsfähigkeit und langfristige Rentabilität sicherzustellen. In den kommenden 18 bis 24 Monaten sollen es mehr als 100 Millionen Euro in verschiedenen Projekten sein. Die neue Anlage für Kohlenwasserstoffharze, die allein 60 Millionen Euro Volumen hat, soll im dritten Quartal 2019 in Betrieb gehen - mit 75 Arbeitsplätzen, wovon 30 bei Rain und die anderen 45 bei Subunternehmen anfallen sollen. Dafür soll Ende 2019 der intern als Phenol-Betrieb bezeichnete Produktionsstrom geschlossen werden. „Wir sind seit 1898 in Castrop-Rauxel“, schreibt die Werksführung, „und wir werden weiterhin ein wichtiger Teil dieser Stadt bleiben.“
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
