Streit um die Traditionskneipe Mythos Hohe Miet-Rückstände, Wasserschaden und ungewisse Zukunft

Kneipen-Querelen: Wie Eigentümer und Pächter um den Fall Mythos streiten
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Manche sagen noch immer Koch-Willms zu der Gaststätte an der Borghagener Straße. Für Habinghorster, vermutlich auch viele andere Castrop-Rauxeler ist das große Lokal mit Kegelbahnen und Saal, Restaurant und Vereinsräumen ein bedeutender Ort. Die Wirtschaft ist im 111. Jahr ihres Bestehens aber in eine Schieflage geraten. Das Mythos, wie es seit etwa 20 Jahren heißt, ist geschlossen.

Veranstalter Jörg Schlösser sagte dort das Oktoberfest ab, weil er keine klare Ansage von Pächter und Betreiber Marvin Michalek erhalten habe. Der wiederum schloss sein Lokal schon vor vielen Wochen und hängte einen Zettel in die Tür: geschlossen bis 31.8. wegen Urlaubs. Nun ist aber klar: Es ist anders. Nicht nur, weil inzwischen Mitte September ist und das Mythos weiterhin geschlossen; sondern weil die Eigentümer des Gebäudes, die Familien Nastos und Peitos, neue Details offenlegen. Demnach gibt es Querelen im Hintergrund. Es hat mit nicht gezahlten Pachten und Mieten, einem Insolvenzverfahren, Kündigungen und mehr zu tun.

Die Eigentümergemeinschaft: Das sind Vasileios Peitos und Ioannis Nastos. Peitos ist der Sohn von Thomas Peitos, dem Betreiber des Rhodos-Grills an der Bochumer Straße in Obercastrop*. Nastos ist der Sohn von Athanasios Peitos, Betreiber des Helena-Grills in Datteln. Die befreundeten Familien waren es, die das einstige Lokal Koch-Willms aus der Zwangsversteigerung kauften. Sie sanierten es 2003 bis 2005 komplett, statteten die Wirtschaft neu aus und betrieben sie zwei Jahre selbst.

Dann gaben sie sie in die Hände des Chefkochs Olaf Bartecki. Der wiederum gab nach vier Jahren auf. In seiner Küche arbeitete unter anderem Marvin Michalek. Der wollte weiter machen, sah Potenzial und bat Peitos und Nastos darum: Gebt das in meine Hände, ich übernehme den Laden.

Anfangs war es eine gute Zusammenarbeit

Das war um 2012, und in den ersten zehn Jahren sei es eine gute „Zusammenarbeit“ gewesen, sagt Thomas Peitos heute. Zwar sei die Pacht nicht immer pünktlich gekommen; und als junger Geschäftsmann habe Michalek vielleicht den ein oder anderen Fehler gemacht. „Aber wenn ich ein Objekt verpachte, kann ich mich nicht einmischen, wie der Pächter den Laden führt“, sagt Peitos. „Er hat sich große Mühe gegeben. Wir haben ein gutes Verhältnis gehabt“, so Thomas Peitos im Gespräch mit unserer Redaktion.

Das habe sich aber vor zwei Jahren geändert: In einer der sieben Wohnungen im Gebäudekomplex des Mythos, in der Michalek selbst mit seiner Frau und zwei Kindern wohnte und wo auch seine Schwiegermutter in einem kleinen Apartment untergebracht war, soll ein Wasserschaden aufgetreten sein. Michalek soll daraufhin von heute auf morgen keine Miete mehr für die Wohnung gezahlt haben. „Dabei haben wir ihm die Mieten zehn Jahre lang nicht um einen einzigen Cent erhöht“, sagt Thomas Peitos.

Marvin Michalek bestätigt, dass man gut miteinander ausgekommen sei. Aber durch den Wasserschaden sei die Decke in zwei Zimmern heruntergekommen. Per Handschlag habe Peitos ihm damals zugesichert, sich zu kümmern. Aber passiert sei nichts. Michalek habe die Schäden auf eigene Faust saniert, so wie er überhaupt die Wohnung schon vorher selbst komplett renoviert habe. Eine Mieterhöhung sei darum ohnehin nie infrage gekommen. Für den Kostenersatz des Wasserschadens habe er die Miete einbehalten. Ende der Diskussion. Aus seiner Sicht.

Nastos und Peitos halfen bei Corona

Generell seien Nastos und Peitos als Vermieter kulant gewesen, behaupten die beiden Griechen. In der Corona-Phase habe man zum Teil auf Nebenkosten- und Mietzahlungen des Pächters einfach so und stillschweigend verzichtet. Einfach, weil man den Weiterbetrieb des Mythos möglich machen wollte; weil man wusste, wie schwer es die Gastronomen damals hatten. Sie waren und sind ja selbst in diesem Gewerbe tätig.

Überhaupt habe man für die in Summe mehr als 1450 Quadratmeter mit Restaurant, Saal, Kegelbahnen, Küche und Co. eine unschlagbar günstige Miete genommen. „Unser Bestreben war immer, dass der Pächter stemmen kann, den Laden weiterzubetreiben“, so Peitos. Doch dann kam das Problem mit der Raumluftanlage hinzu.

Was wird aus dem Tanzpalast ist Habinghorst?
Was wird aus dem Tanzpalast ist Habinghorst? © Tobias Weckenbrock

Die Anlage sei von 1974 und entspreche nicht mehr den aktuellen Anforderungen, die sich für Versammlungsstätten unter anderem durch die neue Viren-Brisanz seit der Corona-Pandemie stark verändert hätten, so Marvin Michalek. Im Frühjahr 2024 sei das bei einer Begehung amtlich festgestellt worden. Der TÜV sei schon seit 2018 abgelaufen.

Für Instandhaltung und Wartung sei immer er als Pächter in der Verantwortung gewesen. Aber nicht für eine Komplett-Erneuerung. Und genau die brauche es hier. Den Hersteller der Anlage gebe es nicht mehr, Ersatzteile auch nicht. Man müsste sie komplett ersetzen. Und das kostet einen nicht geringen fünfstelligen Betrag, meint Michalek. Das sei aber eben nicht seine, sondern die Sache der Eigentümer.

Zentral sei für ihn: „Ich möchte nicht persönlich haften, wenn etwas passiert. Da stelle ich jeden wirtschaftlichen Aspekt hintenan.“ Man könne ja vielleicht mal das Gespräch suchen, meint Michalek.

Thomas Peitos bestreitet, dass Nastos und er zuständig seien: „Das ist auch vertraglich festgeschrieben“, sagt Peitos. Wenn eine Wand einstürze oder Schäden an der Bausubstanz seien, dann wäre der Eigentümer dran; aber die Einrichtung sei komplett Sache des Pächters. Und überhaupt: Ein paar Hundert Euro, und das Gerät laufe sicher wieder.

Thomas Peitos vor dem Tanzpalast Mythos: Mit einem griechischen Freund kaufte er für die Kinder das Traditionslokal aus einer Zwangsversteigerung auf. Sie brachten es auf Vordermann, betrieben es zwei Jahre lang selbst und verpachteten es dann. Nun, nach weiteren 16 Jahren, steht die Zukunft in den Sternen.
Thomas Peitos vor dem Tanzpalast Mythos: Mit einem griechischen Freund kaufte er für die Kinder das Traditionslokal aus einer Zwangsversteigerung auf. Sie brachten es auf Vordermann, betrieben es zwei Jahre lang selbst und verpachteten es dann. Nun, nach weiteren 16 Jahren, steht die Zukunft in den Sternen. © Tobias Weckenbrock

„Er musste bei seiner Übernahme nichts zahlen, keine Kaution, keinen Teller kaufen, kein Glas, keine Einrichtung, keine Musikanlage. Nichts“, sagt Peitos. Doch der Wohnung wegen ging es sogar vor Gericht: Peitos habe in der ersten und der zweiten Instanz Recht bekommen, behauptet er, nachdem ein halbes Jahr keine Miete mehr gekommen sei und er nach acht oder neun Monaten Rechtsbeistand genommen habe. „Und jetzt will er wohl mit sauberer Weste aus der Nummer herauskommen“, so sein Vorwurf und seine Vermutung.

Für Peitos und Nastos komme noch eine andere Kausalität ins Spiel: Seit Januar habe Michalek auch die Zahlung der Pacht für die Gastronomie eingestellt. Daraufhin habe Peitos‘ Anwalt am 19. März schriftlich eine Kündigung ausgesprochen, behaupten die Eigentümer. Die Antwort des Anwalts von Michalek sei ein Kündigungsschreiben seinerseits gewesen, datiert auf den 27. März, mit Frist zum 31.7.2024.

„Er hat also gewusst, dass er Ende Juli raus ist. Warum hat er aber einen Zettel in der Tür ausgehängt, dass das Lokal bis 31.8.2024 wegen Urlaubs geschlossen ist?“, fragt Peitos. „Warum hat er nicht mit Jörg Schlösser gesprochen? Warum hat er nicht auch andere Veranstaltungen abgesagt?“

Gast stand vor verschlossener Tür

Genau das, sagt Michalek, habe er bei Veranstaltern getan. Mit Schlösser habe er über eine Schließung und eine Absage gesprochen, mit denen von der 90er-Party und anderen.

Aber nicht mit allen: Beim Heckenschnitt auf dem Gelände habe man zufällig freitags eine ältere Frau angetroffen, erzählt Thomas Peitos: Sie habe ein Klassentreffen organisiert, rund 20 Personen seien zum Teil von weither angereist für den Folgetag. Sie habe vor verschlossener Tür gestanden. Er selbst, so Thomas Peitos, habe ihr den Lindenhof um die Ecke als Ersatz-Location empfohlen. Am Ende habe sie das Treffen zu „Tante Amanda“ verlegen können. „Das ist schlimm“, meint Peitos; so gehe man mit Menschen nicht um. „Und dann stellt er uns schlecht dar, obwohl wir gar kein Verschulden an der Situation haben“, meint Peitos.

Man habe vor zwölf Jahren alles in einem einwandfreien Zustand an Michalek übergeben. Nun müsse man sich erst einmal ansehen, wie der Zustand ist. Aber dafür müsse man die Schlüssel haben. Das nächste Problem: Die Schlüsselübergabe sollte erst Mitte August, dann Ende August stattfinden. Doch Michaleks Anwalt habe Termine kurzfristig abgesagt. Weil es für 2022 und 2023 keine Nebenkostenabrechnung gegeben habe, hätte Michalek als Grund angegeben. Das stimme, so Peitos: Die Abrechnungen habe der Dienstleister von Nastos und Peitos nicht zeitgerecht abgeliefert. Aber die dadurch fälligen rund 14.000 Euro, zu zahlen an den Pächter, seien längst durch Michaleks Mietrückstände in Höhe von inzwischen etwa 40.000 Euro aufgewogen.

Im Stammhaus, das Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, gibt es auch einige Mieter in Wohnungen.
Im Stammhaus, das Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, gibt es auch einige Mieter in Wohnungen. © Tobias Weckenbrock

Nun soll es am Freitag (20.9.) wieder ein Treffen zur Schlüsselübergabe geben. Da wollen sich Peitos und Nastos ansehen, ob die Dinge, die in der Inventarliste stünden, noch da seien. Und Thomas Peitos will endlich Wohnraum haben für zwei Mitarbeiter seines Rhodos-Grills, die er in einer Wohnung an der Borghagener Straße habe unterbringen wollen. Für sie habe er spontan ein Hotelzimmer bei Hubbert an der Langen Straße gebucht. Auch das koste ihn gerade 1000 Euro.

Wie es im Mythos weitergehe, sei vollkommen offen, sagt Peitos. „Wir müssen nun erstmal schauen, was wir dort vorfinden.“ Nach unseren ersten Berichten hätten sich allein drei Interessenten gemeldet, die das Lokal weiterbetreiben würden. „Aber wir haben noch niemandem etwas versprochen.“ Auch einen anderen Plan ziehe man in Erwägung: Ein Investor habe schon vor längerer Zeit den Plan unterbreitet, hier abzureißen und Seniorenwohnungen zu bauen. Bisher sagte Peitos immer: „Unser Pächter hat einen gültigen Pachtvertrag. So lange er hier ist, geht nichts.“

Das Fähnchen hat sich aber gedreht. „Hauptsache ist, wir haben erst einmal die Schlüssel“, sagt Peitos. Dann müsse man sich an einen Tisch setzen und neu überlegen. Ob das Mythos bleibt oder ob es nach 110 Jahren Koch-Willms schließt: Es sei offen.

Schlüsselübergabe: Michalek will nicht

Den Termin am Freitag werde Michalek nicht einhalten, kündigte er gegenüber unserer Redaktion am Mittwoch schon an. Nicht, bevor er nicht die Nebenkostenabrechnungen für die vergangenen Jahre habe. Denn die brauche er für den Geschäftsabschluss seiner GmbH. Der fehle nun schon für mehrere Jahre. Das koste nicht nur Mahngebühren vom Bundesanzeiger, sondern inzwischen sogar Strafgelder. Einige Tausend Euro seien dafür inzwischen aufgelaufen. Schon wieder vermeidbare Kosten.

Am 30. Juni war der letzte Öffnungstag. Seither haben sieben Angestellte und weitere Minijobber im Mythos keine Beschäftigung mehr. Ein unausweichliches Insolvenzverfahren am Dortmunder Amtsgericht ist schon durchgelaufen: Wo kein Ertrag ist, kann auch kein Gehalt und keine Rechnung mehr bezahlt werden. Das Insolvenzverfahren ist mangels Masse abgewiesen worden. Das bedeutet, dass die GmbH zu wenig Vermögen besitzt, um die Kosten für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu zahlen. In solchen Fällen wird die GmbH von Amtswegen aufgelöst.

Familie Michalek hat längst neue Betätigungsfelder: Alt-Horneburg in Datteln und „Alter Ritter“ in Waltrop sind die Lokale, in denen ihre Geschäfte aktuell laufen; besser als im Mythos in jedem Fall. Jörg Schlösser, sagt Michalek, habe er für sein Oktoberfest die Kneipe in Datteln-Horneburg angeboten... Auch so ein Punkt, der unklar ist.

Am Tanzpalast Mythos sind die Türen verschlossen. Am 30.6.2024 war der letzte Öffnungstag nach 110 Jahren Gastronomie-Geschichte. Ob es weiter geht, steht in den Sternen.
Am Tanzpalast Mythos sind die Türen verschlossen. Am 30.6.2024 war der letzte Öffnungstag nach 110 Jahren Gastronomie-Geschichte. Ob es weiter geht, steht in den Sternen. © Tobias Weckenbrock

*Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle stand vorher, dass die Vassileios Peitos auch den Ammos-Grill an der Nordstraße betreibe. Dabei handelt es sich aber um seinen gleichnamigen Cousin.