Jäger Markus Schmidt in seinem kleinen Kühlhaus. Hier hängen Damwild, Wildschwein und Rehe. In den nächsten Tagen werden sie zerlegt. © Iris Müller

Jäger und Metzger

Vom Jagen, Schlachten und Zerlegen - unterwegs mit Jäger und Metzger Markus Schmidt

Wurst und Kotelett. Blut und Tod. Heutzutage kommt das Fleisch aus dem Supermarkt, das Töten ist verdrängt. Wir haben Markus Schmidt bei der Jagd und dem Zerlegen eines Rehs begleitet.

von Iris Müller, Benjamin Legrand

Castrop-Rauxel

, 20.01.2019 / Lesedauer: 7 min

In einem Hinterhof in Castrop-Rauxel hängen die noch warmen Tiere an einem Stahlhaken im Maul in einem Kühlraum. Die Innereien sind entfernt, Reh und Wildschwein bluten noch ein bisschen nach. Der Keiler hat nicht nur den Haken, sondern auch noch einen Zweig im Maul - der Jäger nennt es Gebrech. „Der letzte Bissen“, erklärt Jäger Markus Schmidt und meint das keineswegs höhnisch, sondern todernst. Der letzte Bissen soll Demut vor der Natur, Achtung vor dem Lebewesen und Dank zum Ausdruck bringen - ein alter Brauch. Das Brauchtum ist dem Castrop-Rauxeler und seinen Kollegen wichtig. Schmidt selbst war vor einer guten Stunde noch auf dem Ansitz in seinem Revier in Hagen. Auf dem Kopf einen grünen Hut mit Jagdhornabzeichen, in der Hand ein 3,8-Kilo-Gewehr, Augen auf die Natur.

Für mich ist das wie UrlaubJäger Markus Schmidt

Das Wetter: Regen und leichter Wind. Das finden auch die Tiere ungemütlich und kommen nicht gerne raus aus dem Wald. Dass sie dort sind, haben Schmidt und seine Freunde Volker Lapkowski und Jörg Seemann anhand von Spuren gesehen. Eine Rotte Wildschweine hat zudem die Wiese eines Landwirts umgepflügt. Ein Schaden, für den der Jäger aufkommen muss, das gehört zu seinen Pflichten. Ebenso wie das Auflesen von Tieren nach einem Wildunfall. Wer wenige Schäden begleichen will, sollte viel jagen gehen. Schmidt ist fast jede Woche in seinem Revier.

„Für mich ist das wie Urlaub“, erklärt der 49-Jährige. Beute machen gehöre dazu. Oben auf der Liste stehen alte und kranke Tiere und die, die sich zu nah an der Landstraße aufhalten. Unten auf der Liste stehen Muttertiere. Das hört sich makaber an, doch Schmidt und seine Kollegen haben einige Grundsätze:

Der Jäger will, dass das Wild ruhig aus dem Wald herauskommt und dann erlegt wird. Es soll nicht in Stress geraten - schon mal gar nicht durch die Jagd eines Hundes.Der Schuss sollte sitzen: „Wenn jemand versucht, ein Stück Wild zu erlegen, reicht das nicht“, so Schmidt. Man müsse sich zu 100 Prozent sicher sein, bevor man abdrückt. Die Kugel sollte durch das Tier hindurchgehen und auf der anderen Seite wieder raus. „Dann hört das Tier den Schuss nicht einmal und fällt einfach um.“ Das klappe in den meisten Fällen.Markus Schmidt: „Ich jage nur, was ich auch verwerte.“ Fuchs gehöre zum Beispiel nicht dazu. „Der schmeckt nicht.“

Ohne Jäger gebe es mehr Leid für den Menschen

Schmidt ist sich sicher: „Würde es uns Jäger nicht geben, gäbe es mehr Leid für den Menschen.“ Er meint damit Wildunfälle auf den Straßen und landwirtschaftliche Schäden. Dass einige Menschen in diesem Punkt anderer Meinung sind, das weiß er. Die Jagd ist sein Hobby. Er sitzt auf dem Hochsitz, schaut durchs Fernglas in den Regen und wartet. Seit einer guten Stunde.

Die Tiere dürfen nicht sehen, wenn er auf seinen Hochsitz klettert, das merken sie sich. Sie riechen auch, wenn tagsüber viele Spaziergänger mit ihren Hunden durchs Revier streifen. „Dann werden die Tiere heimlicher“, erklärt Schmidt. Sie verstecken sich dann, suchen ihr Fressen eher im Wald und kommen nicht raus. „So sitzt man hier und denkt über seine Sünden und Sorgen nach“, sagt der Castrop-Rauxeler. Mit den Jahren werde man ruhiger. Die Spannung bleibe und man warte auf Beute. Er genieße aber auch die Natur und die Ruhe.

Um 18 Uhr packt der Jäger seine Sachen zusammen. Heute fährt er ohne ein Tier im Kofferraum zurück. „Halb so wild.“ In seinem Kühlraum hängen noch einige Tiere, die er vor ein paar Tagen erlegt hat.

Unterschied zwischen schlachten und erlegen

An dieser Stelle wird es kurz bürokratisch, denn es gibt einen Unterschied zwischen schlachten und erlegen, zwischen Schweinen, Rindern, Pferden auf der einen und Kaninchen und Hühnern auf der anderen Seite. Wildtiere sind noch einmal eine spezielle Kategorie. „Schlachten ist Töten durch Blutentzug nach vorheriger Betäubung“, erklärt Dr. Siegfried Gerwert, Leiter des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung im Kreis Recklinghausen. Schweine, Rinder und Pferde werden von den Landwirten meist zu großen Schlachthöfen gefahren. Hausschlachtungen gibt es heutzutage fast gar nicht mehr: Im gesamten Kreis Recklinghausen waren es von Dezember 2017 bis November 2018 insgesamt 13 (sieben Rinder, drei Schafe, drei Ziegen).

Das Betäuben und Töten von Tieren bei Hausschlachtungen darf nur von Personen durchgeführt werden, die über die notwendigen Fachkenntnisse verfügen. Man braucht einen Sachkundenachweis. Außerdem muss bei Huftieren immer eine Fleischuntersuchung durch einen amtlichen Tierarzt erfolgen. Bei der Schlachtung von Schweinen und Pferden ist zusätzlich eine amtliche Trichinenuntersuchung durchzuführen. Trichinen sind Fadenwürmer, die heute so gut wie nicht mehr vorkommen, aber noch im 19. Jahrhundert viele Krankheitsfälle verursacht haben.

Keine Weitergabe an Dritte erlaubt

„Das erschlachtete Fleisch darf den Haushalt aber nicht verlassen, das heißt, Fleisch darf nicht an Dritte weitergegeben werden“, erklärt Gerwert. Landwirte wollen in der Regel aber Geld verdienen mit ihren Tieren. „Es gibt seit Langem den Trend zu größeren Schlachthöfen, weil dort die hygienischen Bedingungen grundsätzlich besser sind“, erklärt Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer NRW.

Bei Kleinvieh ist das verwaltungstechnische Prozedere einfacher. Bei Geflügel und Kaninchen ist zum Beispiel eine amtliche Fleischuntersuchung nicht vorgeschrieben. „Ein Tier darf töten, wer die nötigen Fähigkeiten hat“, sagt Siegfried Gerwert. Kontrolliert werde das aber nicht. Der Tierschutz müsse eingehalten werden und man muss wissen, wie es geht. Eine Prüfung gebe es nicht, aber vielfach über Generationen vererbtes Wissen.

Die Verantwortung liegt komplett bei der Person, die das Tier lebendig und tot gesehen hatSiegfried Gerwert, Kreisveterinär

Ein Jäger schlachtet nach der Definition gar nicht, er erlegt das Tier durch einen Schuss. Auch dafür braucht er einen Sachkundenachweis, in diesem Fall ist das der Jagdschein. Um den ausgehändigt zu bekommen, muss man auch in Sachen Fleischhygiene geschult sein. Im Anschluss darf der Jäger das Tier auch zerlegen und in kleinen Mengen vermarkten. „Die Verantwortung liegt komplett bei der Person, die das Tier lebendig und tot gesehen hat“, erklärt Siegfried Gerwert. Stellt der Jäger irgendwelche Auffälligkeiten, zum Beispiel Veränderungen der Organe fest, muss er das Veterinäramt informieren.

Der Landwirt hat sein Tier vielleicht auch lebendig und tot gesehen, darf das Fleisch trotzdem nicht an Dritte weitergeben. „Das liegt daran, dass Wild bei Verzehr selten roh ist“, erklärt Gerwert. Bei Schweinefleisch ist das anders, beispielsweise bei Mett. Rohes Fleisch birgt mehr Gesundheitsrisiken als gekochtes oder gebratenes.

Kein Mitleid für die Tiere

Zurück zu Markus Schmidt und seiner Arbeit: In seinem Hinterhof öffnet er eine große Tür. Dahinter hängen Rehe, ein Wildschwein und drei Damwildkälber an Fleischerhaken. „Wenn man sie im Wald erlegt, muss man zügig die Organe entfernen und das Tier mit viel Wasser auswaschen“, erklärt Schmidt. Die Organe werden meistens noch im Wald genau untersucht - daran kann man sehen, ob das Tier krank gewesen ist. Schmidt: „Das Herz gebe ich meinem Hund, die Leber esse ich selbst.“ Mitleid für die Tiere empfindet der gelernte Metzger nicht: „Die haben ein gutes Leben gehabt, bis zum Ende.“ Das ausgenommene Tier zieht der Jäger hinter sich her und legt es ins Auto. Das Gehörn nehmen die Jäger gerne als Trophäe mit nach Hause. Schmidt selbst hat schon einige.

Ein paar Tage hängt das Wild bei drei bis vier Grad Celsius ab - es reife und schmecke so später besser. Dann wird das Fell abgezogen. Im Vorraum liegen dafür Messer und Sägen bereit, dazu eine große Wanne für die Fleischstücke und wieder die Stahlhaken unter der Decke. Die Luft riecht kalt und ein kleines bisschen wie im Streichelzoo. Der Metzger zieht einen Schnitthandschuh an, krempelt die Ärmel hoch und legt los: Mit dem Messer schneidet er an den Hufen vorsichtig das Fell ein und zieht daran - ein reißendes Geräusch ertönt.

Nach und nach arbeitet sich Markus Schmidt vor, er ist routiniert, seine Ausbildung liegt mehr als 30 Jahre zurück. Das Fleisch darf nicht eingeschnitten werden und gleichzeitig muss das Fell - die Decke, wie der Jäger sagt - komplett abgezogen werden, damit später keine Haare im Kotelett sind. Mit beiden Händen zieht Schmidt schließlich an dem Leder, es löst sich vom Rücken und legt das nackte Fleisch frei.

Das Fell ist ab. Markus Schmidt schmeißt es weg: "Man könnte es gerben, es sind aber einfach zu viele Felle auf dem Markt, das lohnt sich nicht." © Iris Müller

Das Fell kommt in die Mülltonne, dort liegen schon der Kopf von einem Reh und diverse andere fellbesetzte Teile von Tieren. Mülltonnen riechen selten gut, aber dieser Geruch ist schon ziemlich speziell. Deckel zu.

Das Tier zerteilt Markus Schmidt in acht große Teile. Dafür nimmt er eine Säge, schneidet zunächst die Schultern ab, dann die Rippen durch und am Ende trennt er die Hufe ab. Die kommen auch in die Tonne. Zehn Minuten später ist der Metzger fertig, das Tier ist zerlegt, der Boden und das Werkzeug blutig. Schweine, die auf dem Schlachthof mit dem Bolzenschussgerät betäubt werden, sterben im Anschluss durch ausbluten. Das Wild stirbt aber durch den Schuss, das Blut stockt also in den Adern, deswegen blutet es immer noch ein bisschen nach. „Das wird gleich alles streng nach Hygieneplan gesäubert“, erklärt Schmidt und zeigt auf den Zettel mit den Vorschriften, der an der Wand hängt.

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Er ist da sehr pingelig - schließlich landen Reh und Wildschwein auch auf seinem Teller - und das Veterinäramt des Kreises Recklinghausen kommt regelmäßig zu Besuch, um alles zu checken.

Für den nächsten Schritt bringt Markus Schmidt die großen Fleischteile in den Zerlegeraum, der gefliest und mit Zerlegetisch, Fleischwolf, Waschbecken und anderen Geräten ausgestattet wurde. Hier beträgt die Temperatur ungefähr sechs Grad Celsius. Es riecht wie beim Metzger. Markus Schmidt schärft die Messer und arbeitet sich warm. Von den großen Fleischteilen trennt er Knochen, Sehnen und Hautschichten ab. Die Knochen kommen später auf den Müll - für den Hund sind sie zu spitz. Kleine Fleischstücke, Haut und Sehnen kann der Hund fressen, die kommen in eine extra Wanne.

Der Metzger arbeitet zügig, zerteilt die Fleischstücke und sortiert sie: Filet, Schulter und Keule legt er ordentlich nebeneinander. Zwischendurch säubert er den Tisch mit einem Spatel. Fette, kleine Fleischstücke wirft er in die Ecke des Tisches, daraus macht er später Wurst, aus anderen Teilen wird Gulasch. „Ich bin sehr akribisch und ein Pingel“, sagt Markus Schmidt. Bluteinschüsse trennt er raus, um das Einschussloch schneidet er großzügig herum, dicke Sehnen holt er raus, die Gulaschstücke schneidet er richtig klein. „Ich mache das, wie der Kunde es gerne möchte.“

Das, was jetzt sein Hobby ist - hauptberuflich arbeitet Schmidt in einem Betrieb in Lünen - hat er vor einigen Jahren in einem Supermarkt gemacht. „Da kommt das Wildfleisch aus dem Ausland und hat dort in einem Gatter gelebt.“

Nach einer halben Stunde hat Schmidt fein säuberliche Häufchen auf seinem Zerlegetisch. Das, was man jetzt sieht, kennt man von der Fleischtheke aus dem Supermarkt. Es hat nicht mehr viel mit dem zu tun, was nebenan im Kühlraum hängt. Das Fleisch wird jetzt vakuumiert und eingefroren, aus Teilen fertigt Schmidt Wurst, Burgerpatties und Cevapcici.

Das Fleisch holen seine Kunden direkt im Hof ab. Sie kommen unter anderem aus Herne und Bochum. Und sie finden nur gute Worte für Markus Schmidt: „Man kann sich auf die Qualität verlassen, das Fleisch ist absolut frisch und frei von jedem Gift“, sagt Klaus Heide, der mit seiner Frau Claudia aus Herne gekommen ist, um Wildschweinbratwürstchen mitzunehmen. Schmidt: „Für mich ist das wie für den Schauspieler der Applaus.“

© Deutscher Jagdverband

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