
© Ronny von Wangenheim
Geheime Orte: Vierstöckiger Dachboden als Bastion für Schloss Bladenhorst
Wir öffnen Türen
Im Advent wollen wir täglich eine Tür öffnen, die sonst verschlossen ist. Dahinter steckt Historisches, Alltägliches, Geheimes. Start ist auf einem Dachboden der Vorburg von Schloss Bladenhorst.
Bodo Möhrke öffnet die Tür und gibt die Sicht frei auf einen riesigen Dachboden. Und auf eine weitere Holztreppe. Die Stufen sind sehr schmal, schief und ausgetreten. Sie führen steil nach oben, scheinbar ins Nichts. Nur ein paar breite Bretter liegen auf Balken. Dann führt von dort wieder eine Treppe hinauf. Und noch eine. Und noch eine. Schwindelerregend.
Vor 500 Jahren muss hier im Torhaus von Schloss Bladenhorst am Rande von Castrop-Rauxel ordentlich was los gewesen sein. Wachleute, die für die Sicherheit zuständig waren, sind die Leitern in dieser Vorburg hochgelaufen, unzählige Male. Unten zwischen den dicken Steinmauern lebten sie, hier oben konnten sie zum Schutz der adeligen Herrschaft in die Ferne spähen. Schießscharten, auch die gibt es. Es war die letzte Verteidigungssperre vor dem Schloss.
Heute herrscht hier Ruhe. Hier hoch kommt niemand mehr. 200 Quadratmeter Geschichte. Von den vier Stockwerken, die der Dachboden hat, zeugen nur noch die schmalen Treppen, die nicht mehr sehr vertrauenerweckend aussehen. Teilweise liegen auf den verschiedenen Ebenen noch breite Holzbalken, über die nur ein mutiger Mensch laufen kann.
Schornsteinfeger hat ganz oben im Giebel seine Zeichen gesetzt
Schlossherr Bodo Möhrke weist in die Höhe. Ganz oben stehen Zahlen auf der Wand. „7.5.1968“ kann man zum Beispiel aus der Ferne entziffern. Zumindest der Schornsteinfeger hat das fragile Konstrukt nicht gescheut und seine Handschrift hinterlassen.
Durch die Dachpfannen, die lose aufliegen, scheint an manchen Stellen die Sonne rein. Holzbalken in Form des Andreaskreuzes stützen das Ganze. Hier und da sind Balken ausgetauscht. Aber viele von ihnen sind mindestens 500 Jahre alt, sagt Bodo Möhrke. Viele haben schöne Formen. Auch wenn es nur ein Dachboden war, haben die Eigentümer Sinn für Ästhetik gehabt. Sie wollten wohl ihre Macht, ihren Reichtum bis in die Details zeigen.
Wann genau das Torhaus entstand, weiß Bodo Möhrke nicht. 1580, als die Schlossanlage ihr endgültiges Aussehen erhielt, stand es schon. Es gilt als der älteste Teil der Anlage. „Es ist eines der ältesten nicht klerikalen Gebäude in Westfalen“, sagt Schlossherr Möhrke (66). Mit Stolz.
Schief stehende Balken zeigen, welcher Druck auf die Mauern ausgeübt wurde. Kleine Fenster lassen Tageslicht rein. Man erkennt, dass eines früher eine Tür war. Darüber war ein Flaschenzug angebracht. Hier wurden also auch Waren oder Vorräte gelagert.
Später wird der Schlossherr noch von außen auf die dem Schloss gegenüberliegende Hausseite zeigen. Sie ist gerade und nicht gebogen wie die Frontansicht. Früher waren hier eine Uhr und dicht unter dem Giebel Glocken angebracht.

Vom Rittersaal im Schloss Bladenhorst geht der Blick auf die Rückseite des Torhauses. Wo zwei Fenster sind, waren früher Glocken angebracht, wo drei Fenster sind, war statt des mittleren Fensters eine Uhr installiert und eine der vier Fenster war früher eine Tür, durch die per Flaschenzug Dinge in den Dachboden transportiert werden konnten. © Ronny von Wangenheim
Die gewölbte Vorderfront macht den Reiz des Torhauses aus. Aber durch die Rundung wurde über die Jahrhunderte großer Druck ausgeübt. Das kann man an vielen Balken im Dachboden sehen: Sie stehen schief im Raum. Zudem wurden einige der stützenden Andreaskreuze irgendwann in der Vergangenheit entfernt.
„Der Giebel hatte einen Überhang von 95 Zentimetern“, erzählt Bodo Möhrke, der Schloss Bladenhorst im WM-Jahr 2006 kaufte. Seit 2007 lebt er hier. 2010 wurde in einer aufwendigen Aktion, die drei Monate Vorbereitungszeit brauchte, der Giebel gerichtet. „Er wurde in ein Korsett gesteckt und mit Drahtseilen und Winden reingezogen“, erinnert sich Möhrke. Eine Erkenntnis hat er damals gewonnen: „Auch Mauern sind elastisch.“

Bodo Möhrke öffnet die Türen zu seinem Torhaus und dem Dachboden mit seinen vier Etagen. © Ronny von Wangenheim
Die Sanierung war Grundvoraussetzung dafür, dass das Torhaus wieder bewohnt werden kann. Zwei Mietparteien leben hier hinter den meterdicken Mauern. Wachen über den Schlossherrn müssen sie in unserer Zeit aber nicht mehr.