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Viel mehr Castrop-Rauxeler melden Insolvenz an: Das ist der Grund
Schulden
Mehr als doppelt so viele Insolvenzen im Jahr 2021: Gehen die Castrop-Rauxeler finanziell am Stock? Ein Experte für Insolvenzen erklärt die Hintergründe der deutlichen Entwicklung.
Diese Zahlen sind eindeutig: Die Zahl der beantragten Insolvenzverfahren in Castrop-Rauxel hat sich 2021 im Jahresvergleich mehr als verdoppelt. Während es laut einer offiziellen Statistik des Landesbetriebs IT.NRW 2020 noch 65 Insolvenzverfahren waren, wurden 2021 gleich 146 Verfahren beantragt. Damit liegt Castrop-Rauxel auch deutlich über dem Anstieg für den gesamten Kreis Recklinghausen, hier gibt es ein Plus von 60,6 Prozent (970 statt 604).
Der Großteil der Zunahme geht auf das Konto der Verbraucherinsolvenzen (plus 143 Prozent), die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigt dagegen mit 25 Prozent mehr in Castrop-Rauxel vergleichsweise moderat.
Schuldenbefreiung dauert kürzer: Insolvenzen 2021 sinnvoller
Martin Evers, Insolvenzberater bei der Caritas für Castrop-Rauxel, stellt mit Blick auf die deutlichen Unterschiede klar: „2020 war der Riesenausreißer, 2021 eher weniger.“ Diese statistische Verzerrung (ein Minus von 29 Prozent verglichen mit einer konstanten Abnahme zwischen 4 und 7 Prozent in den Jahren zuvor) habe weniger mit den Wellen der Corona-Pandemie zu tun, sondern vielmehr mit einer rechtlichen Anpassung.
Zum 1. Januar 2021 wurde die Zeit bis zur Restschuldbefreiung (Schuldner werden von den Restschulden befreit, die sie nicht mehr bezahlen können) von sechs auf drei Jahre verkürzt. „Das wurde relativ früh angekündigt. Von dem Moment an haben wir als Berater die klare Empfehlung ausgegeben, das Insolvenzverfahren erst 2021 zu beantragen“, erläutert Martin Evers.
Monatelange Wartezeit als Folge des Insolvenzstaus
Somit seien im zweiten Halbjahr 2020 kaum Anträge gestellt worden. „Das hat sich aufgestaut. Aber diese Verschiebungen sind nicht der einzige Grund“, erklärt der Experte weiter. Viele Leute hätten ein Privatinsolvenzverfahren als Lösung für ihre Schulden vorher gar nicht in Betracht gezogen. „Drei Jahre sind ein überschaubarer Zeitraum. Viele Leute sagen mir im Gespräch, dass das ihre Entscheidung beeinflusst hat“, berichtet Martin Evers.
Warum jetzt der Anstieg Castrop-Rauxel im Vergleich zu den meisten anderen Städten im Kreis noch deutlicher ausfällt, kann sich der Caritas-Mitarbeiter nicht wirklich erklären. Er geht davon aus, dass die Zahl der Klienten, die wegen der Neuordnung der Restschuld gekommen sind, immer weiter abnehmen werde.
Aktuell habe er aber noch einiges zu tun. „Ich arbeite seit sechs Jahren in Castrop-Rauxel, aktuell haben wir zum ersten Mal Wartezeiten, gerade sind das drei Monate. Die Leute drängen von hinten nach“, schildert Martin Evers. Wann genau der Trend abebbe, sei deshalb derzeit noch nicht vorherzusehen.
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