So blicken Castrop-Rauxeler Geschäftsleute auf Corona-Hilfen zurück „Schlimme Zeit für Einzelhändler“

So blicken Castrop-Rauxeler Geschäftsleute auf Corona-Hilfen
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Eine Liedzeile beschreibt das Jahr 2020 in Deutschland ziemlich treffend. „Das Virus kam im März. Alles war zu Ende.“ Damit spielt die Band „Das Lumpenpack“ im Song „WZF“ auf die Zeit an, als die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus den Alltag in Deutschland auf den Kopf stellten. Man blieb zu Hause. Die meisten Geschäfte mussten im Frühling vorübergehend schließen. Sie sollten durch Soforthilfen finanziell entlastet werden. Gut fünf Jahre ist das jetzt her. Bis auf relativ geringe Beträge mussten unsere vier Gesprächspartner aus Castrop-Rauxel das Geld zurückzahlen. Wie blicken sie auf die Corona-Hilfen zurück?

Ein Porträtfoto von Stefan Wagner.
Stefan Wagener leitete während der Corona-Zeit zwei Friseurbetriebe. © Tim Türke

Rückzahlung der Soforthilfe

Die sogenannte Soforthilfe, die im Frühling 2020 an zahlreiche deutsche Unternehmer ausgezahlt wurde, „sollte eigentlich ohne Rückzahlung sein“, erinnert sich Stefan Wagener. So lautete zu Beginn die Ansage aus Berlin. Doch für viele kam es am Ende anders. „Mittlerweile mussten wir bis auf rund 2000 Euro alles zurückzahlen“, sagt Wagener. „Viele Versprechen wurden nicht eingehalten.“

Lange war Wagener in der Friseur-Innung aktiv und setzte sich für das Friseurhandwerk ein. Als die Einschränkungen kamen, leitete er die Friseurbetriebe „Wagener Der Friseur“ und „Head Factor“ in Castrop-Rauxel. Im Frühling 2020 standen die Scheren für etwa zwei Monate still. Aufgrund der relativ hohen Mitarbeiterzahl wurde an Wagener Soforthilfe im niedrigen fünfstelligen Bereich ausgezahlt. Zusätzlich stellte er auf Kurzarbeit um und konnte die schwierige Zeit aus betrieblicher Sicht bewältigen.

Eine Sache ärgert ihn allerdings schon. Bei der Berechnung der Rückzahlungen seien die Umsatzeinbußen ein Faktor gewesen. „Dabei wurde aber der Monat nach den Geschäftsschließungen mit einberechnet.“ Nach zwei Monaten ohne Friseur habe es naturgemäß einen Ansturm gegeben. Wagener weitete vorübergehend die Öffnungszeiten aus. „Wenn ich das gewusst hätte, hätten wir die normalen Öffnungszeiten beibehalten.“

Mehr als die Hälfte soll zurückzahlen

Rund 13 Milliarden Euro wurden laut WDR im März 2020 durch den Bund an etwa 1,8 Millionen Betroffene ausgeschüttet. In den meisten Bundesländern kamen Landesmittel in Höhe von insgesamt mehr als drei Milliarden Euro hinzu. Antragsteller in NRW bekamen im Schnitt 10.500 Euro Soforthilfe. Mehr als 50 Prozent der Antragsteller seien zu Rückzahlungen aufgerufen worden. Der hohe Anteil komme zustande, weil in NRW zu Beginn pauschal Höchstbeträge an alle Antragsteller ausgezahlt worden seien. In der Regel gehe es bei den Rückzahlungen um Teilbeträge.

„Ich gehöre zu den Glücklichen“

Die Zeit sei für alle Einzelhändler schlimm gewesen, sagt Vera Kopitetzki, Geschäftsführerin von „Bääähm – Die Kinderschuhprofis“ am Biesenkamp. Diejenigen, die ihre Läden immer wieder schließen mussten, hätten das unangenehme Gefühl gehabt, nicht „systemrelevant“ zu sein. „Ich gehöre immerhin zu den Glücklichen, die die meiste Zeit geöffnet haben durften.“ Wenn auch in eingeschränkter Form: „Wir haben viel mit geplanten Terminen gearbeitet. Das bieten wir heute immer noch an.“ Auch Kopitetzki beantragte im Frühjahr 2020 die Soforthilfe. „Das ging ziemlich einfach. Bis Ende 2023 musste ich nun 7000 Euro davon zurückzahlen.“ Das wäre auch in Raten möglich gewesen. „Aber ich wollte das aus dem Kopf haben.“ Mit dem Antrag auf Kurzarbeitergeld in ihrem Geschäft habe sie einigen Ärger gehabt. „Das musste man Begründen, Urlaubstabellen einreichen und so weiter.“

„Rückzahlung ist gerecht“

„Die ersten Hilfen kamen sehr zügig. Und das war sehr wichtig – denn man wusste überhaupt nicht, wo die Reise hingeht“, erinnert sich Roland Sümpelmann. Er ist Inhaber des Geschäfts Foto Sümpelmann in Ickern. Erst danach habe die Diskussion über die Zurückzahlung stattgefunden. Bis auf etwa 3000 Euro musste Sümpelmann die gesamte Soforthilfe zurückzahlen. „Die Erwartungen waren vielleicht höher. Aber unter dem Strich hat es funktioniert.“ Das Kurzarbeitergeld habe dabei geholfen. „Anfangs mussten wir zwischenzeitlich schließen. Bei uns waren die Regeln etwas unklar, wegen des gemischten Sortiments. Viele Geschäfte mussten zu machen, einige Handwerker weitermachen. Und zu uns gehört beides ein bisschen.“

„Ich bin zufrieden damit, wie es abgelaufen ist“, sagt ein Gastronom von der Lange Straße in Habinghorst. Er möchte nicht namentlich genannt werden. In dieser Zeit hätten er und die Kollegen gelernt, das Geschäft „außer Haus“ zu verbessern. Dass er den Großteil der Soforthilfe zurückzahlen muss, findet er gerecht. „Uns wurde geholfen, jetzt können wir das ausgleichen.“

Soforthilfe-Rückzahlung umstritten

Vielerorts wird in Deutschland gegen die Rückzahlung der Corona-Hilfen geklagt. Allein in Baden-Württemberg gehen laut Recherchen des SWR zurzeit rund 1400 Unternehmen und Selbstständige gerichtlich dagegen vor. Bis Ende 2024 seien insgesamt acht Rückforderungsbescheide in erster Instanz aufgehoben worden. Diese Entscheidungen seien aber noch nicht rechtskräftig.

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