Früh morgens in der Küche von Familie Liedtke in Castrop-Rauxel-Deininghausen. Es könnte ein gemütliches schnelles Frühstück unter der Woche sein, wenn nicht alle paar Minuten riesige Lkw vor der Haustür vorbeischeppern würden. Der Lärm der Lkw unterbricht immer wieder kurz unser Gespräch, und wir lauschen dem Krach.
Seit 2004 wohnt Christian Liedtke mit seiner Familie an der Oststraße, damals war der Lärm noch kein Thema: „Es ist in den letzten vier, fünf Jahren schlimmer geworden. Und dann nochmal, seit Ecosoil komplett aufgedreht hat.“ Die Firma für Bodenaufbereitung hatte sich im vergangenen Jahr trotz großer Widerstände der und einer Bürgerinitiative in Merklinde angesiedelt. Ob die Ecosoil-Lkw aber wirklich für die Zunahme des Lärms verantwortlich sind, steht nicht hundertprozentig fest.
Gerade in diesem Sommer sei es besonders laut gewesen: „Die Lkw sind dann im Minutentakt im Einsatz, da klirren bei uns die Gläser im Schrank. Jetzt ist keine Bausaison, deswegen ist es ein bisschen weniger.“ Der Zustand der Oststraße mit diversen Schlaglöchern, die immer nur notdürftig geflickt werden, mache den Lärm nur schlimmer, vermutet Christian Liedtke. Dass der Lärm in den vergangenen 20 Jahren zugenommen hat, liegt für ihn auf der Hand: „Das ist mit der Ansiedlung in verschiedenen Industriegebieten gekommen.“
Niedrige Brücke auf der B235
Die Lkw, die in Castrop-Rauxel aus den Gewerbegebieten ihren Weg zur Autobahn suchen, sollte die Oststraße eigentlich gar nicht nehmen, sondern im besten Fall über die B235 fahren. Die können viele aber nicht nehmen, weil die Eisenbahnbrücke zu niedrig ist. In der Vergangenheit sind mehrfach unwissende Lkw-Fahrer vor die Brücke gedonnert. Christian Liedtke: „Das ist stadtplanerisch einfach ein Griff ins Klo gewesen.“

Also nehmen sie zur Autobahn den Umweg über die Oststraße und damit den Weg, der am Küchenfenster von Familie Liedtke vorbeiführt. Aber sie sind nicht die einzigen, die vom Lärm genervt sind. Im Verkehrsausschuss im November hatten mehrere Anwohnerinnen und Anwohner der Oststraße und der Pallasstraße über wackelnde Tassen und Verkehrslärm bis in die späte Nacht geklagt.
Christian Liedtke befürchtet, dass der Lärm noch schlimmer wird, wenn sich auf dem ehemaligen Knepper-Gelände neue Firmen ansiedeln. Die Stadt Castrop-Rauxel verweist bei Fragen zur möglichen Lärmbelastung auf das schalltechnische Gutachten. In dem wurde untersucht, wie sich der Verkehr durch Firmen auf dem Knepper-Gelände verändern könnte.
Kein grundsätzliches Problem
Die Berechnung kommt zu dem Ergebnis, dass „die Änderung der Lärmbelastung auf dem Gebiet der Stadt Castrop-Rauxel im Bereich Pallasstraße, Habinghorster Straße und Oststraße nicht wahrnehmbar sein wird.“ Nur in ein paar Ausnahmen werde die Grenze von 70/60 dB(A) erreicht, ab der die Lärmbelastung schlecht für die Gesundheit sein kann. Zur Einordnung: 30dB(A) entspricht flüstern, 70dB(A) der Lautstärke eines Staubsaugers in nächster Nähe und 100dB(A) dem Lärm einer Kreissäge.

Das Haus von Familie Liedtke wird in dem Gutachten als genau eine dieser Ausnahmen aufgeführt. Eine Lärmschutzwand wird in dem Gutachten ausgeschlossen, so viel Platz ist zwischen Haus und Straße nicht. Würde man die Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h auf zum Beispiel 60 km/h senken, würde das den Lärm laut Gutachten abfangen. Allerdings müsste das vom Landesbetrieb Straßen.NRW genehmigt werden.
Teilweise Erstattung der Kosten
Das Gutachten sieht für Familie Liedtke nur die Möglichkeit, „passiven Lärmschutz“ anzubringen. Also Lärmschutzfenster in den Räumen, in denen sich Menschen länger aufhalten. Christian Liedtke hatte dazu auch schon ein Gespräch mit der Stadt. Bis zu 75 Prozent der Kosten für den Einbau der Fenster können erstattet werden.
Für andere Anwohnerinnen und Anwohner, die nicht explizit als Betroffene aufgeführt werden, könnte es schwierig werden. Stadtsprecherin Maresa Hilleringmann weist aber darauf hin, dass Bürgerinnen und Bürger immer mit einem einfachen Schreiben eine „Überprüfung der Lärmsituation“ anregen kann. Für Castrop-Rauxelerinnen und Castrop-Rauxeler ist die Straßenmeisterei Marl zuständig, die E-Mail-Adresse für Interessenten ist kontakt.rnl.r@strassen.nrw.de.
Aber auch die Stadt Castrop-Rauxel will sich mit Straßen NRW an einen Tisch setzen. Eine neue Brücke über die B235, soviel machte die Verwaltung schon im Ausschuss im November klar, wäre erst eine Lösung für die nächste Generation. Im Januar soll es Gespräche zwischen Straßen.NRW und der Stadt Castrop-Rauxel geben. Dann wolle die Stadt sich nochmal ausführlicher äußern, ob und wie man die Lage für die Anwohnerinnen und Anwohner erträglicher macht.
Christian Liedtke ist Mitarbeiter bei Lensingmedia und arbeitet in der IT. Die hier geschilderte Erfahrung hat er als Privatperson gemacht. Diese steht in keinem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit.