Was steckt hinter dem Verbot für Circus Florida? Castrop-Rauxel droht 5000 Euro Strafe an

Stadt droht 5000-Euro-Strafe an: Was steckt hinter dem Zirkus-Verbot?
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Aron (4) wird all das nicht verstehen. Er wollte einfach nur mit Mama Sabrina Richardt und Opa in den Zirkus. Ein paar Tiere, ein bisschen Show, Akrobatik und der lustige Clown von dem Ankündigungs-Plakat: Das wäre perfekte Freitagsunterhaltung gewesen. Sie wohnten ja auch direkt ums Eck an der Wartburgstraße, erzählt die Mutter. Aber an der einzigen Öffnung des Bauzauns rund um die blau-gelben Zirkuszelte an der Siemensstraße heißt es: Heute keine Vorstellung. Wir dürfen nicht. Die Stadt hat es verboten.

Circus Florida mit Stammsitz in Mannheim ist im Ruhrgebiet unterwegs. Und das Gastspiel in Castrop-Rauxel, so unselig es schon anfing, geht für die Zirkusbetreiber noch mieser weiter. Das Wochenende über haben die Zirkusleute wohl nicht mehr zu tun als zu trainieren und die Tiere zu füttern. Ihrem eigentlichen Job in der Manege vor 400 Zuschauern können sie nicht nachgehen.

Wie kann das sein? „Hier geht Bürokratie vor Menschlichkeit“, sagt ein entrüsteter Zirkussprecher Frank Schiffermann. Es gibt viele offene Fragen. Unsere Recherchen bringen Licht ins Dunkel. Der Zirkus hat einen entscheidenden Fehler gemacht: Ein Antrag fehlte. Aber für den muss man die Vorgeschichte kennen.

Das Drama fing vor rund zwei Wochen an: Der Zirkus hatte eigentlich alle üblichen Vorbereitungen getroffen für das Gastspiel in Castrop-Rauxel. Stellfläche suchen, Absprachen treffen, die normalen Verträge und Anträge machen. Mit der Stadt, mit dem Eigentümer der Fläche, mit dem Kreis-Veterinäramt wegen der Kängurus, Kamele und Ziegen, die mitreisen. Nie, sagt der Zirkus, habe das größere Probleme gemacht. Es sind Alltags-Formalia. Aber der viele Regen dieses Sommers machte einen ersten Strich durch die Rechnung.

Geplanter Standort total sumpfig

Die gemietete Fläche des Deininghausener Bauern Drumann in der Nähe des Evangelischen Krankenhauses an der Grutholzallee war nach diesem Regensommer untauglich. Als Zirkusdirektor Mike Lauenburger die pinken Ankündigungsplakate mit der grellgelben Schrift überall im Stadtgebiet anbrachte, da hielt er schon die Augen offen nach einer möglichen Ersatzfläche. Und fand sie an der Siemensstraße. Da, wo früher Gartencenter Dehner war, war jetzt Brachfläche. Eingezäunt. Mit einem Bauschild versehen: Hier entsteht ein Hellweg Bau- und Gartenmarkt.

Er nahm Kontakt zu Hellweg auf und fragte an: Unser Zirkus kann nicht auf der Wiese stehen, dürfen wir bei Ihnen aufs Gelände? Nach Angaben des Zirkus-Teams kein Problem: Hellweg sagte zu, weil die Baustelle ohnehin gerade Ruhe. Der Abriss beendet, der Neuaufbau noch nicht gestartet. Perfekt. Eigentlich.

Also meldete sich vor einigen Tagen der Zirkussprecher per E-Mail bei unserer Redaktion: Nach dem Gastspiel in Dorsten komme man nun nach Castrop-Rauxel, aber nicht wie geplant auf die Wiese am EvK. Man habe eine Ausweichfläche gefunden, sei Hellweg dankbar, bitte aber um Kommunikation über unsere Zeitung, da man die Plakate mit EvK nicht mehr ändern könne.

Es wurde nicht der Hauch eines Zweifels geäußert, dass dem noch etwas im Wege stehen könne. Doch in der Stadtverwaltung war zu dem Zeitpunkt noch längst nicht alles geklärt. So werde es keine bauaufsichtliche Genehmigung geben. Aber warum? In einer dreiseitigen Ordnungsverfügung, die aus dem Rathaus an den Zirkus mit Datum 31.08.2023 zur Siemensstraße 15 zugestellt wurde, heißt es, dass der hier gültige Bebauungsplan Vergnügungsstätten ausschließe. Und: „Ein Befreiungsantrag ist nicht gestellt.“

Zirkussprecher Frank Schiffermann zeigt ein Schreiben der Stadt von 31. August 2023. Darin droht die Verwaltung 5000 Euro Strafe an, wenn er Aufführungen veranstaltet. Mike Lauenburger, Zirkusdirektor, kann das nicht verstehen.
Zirkussprecher Frank Schiffermann zeigt ein Schreiben der Stadt von 31. August 2023. Darin droht die Verwaltung 5000 Euro Strafe an, wenn er Aufführungen veranstaltet. Mike Lauenburger, Zirkusdirektor, kann das nicht verstehen. © Tobias Weckenbrock

Was fehlt, ist also ein Antrag, in dem der Zirkus ersucht, eine Ausnahme für eine Vergnügungseinrichtung zuzulassen. Wohlgemerkt für einen Zirkus, also eine vorübergehende Einrichtung, die nur vom 1. bis 10.9.2023 hier stehen sollte. „Stellen Sie einfach den Antrag“, soll aus dem Bauordnungsamt gegenüber der Zirkus-Leitung gesagt worden sein. Ein Antrag, von dem der Zirkus noch nie gehört habe, sagt Frank Schifferman, weil er in bisher keinem Spielort vonnöten gewesen sei. Ein Architekt könne helfen. Und: Das dauere eine halbe Stunde, dann sei das abgehakt, so die Tipps, die er aus dem Rathaus bekommen habe.

Wohlgemerkt: Das behaupten die Zirkusleute. Da sollen sie aber schon auf der Palme gewesen sein, heißt es aus der Stadtverwaltung. Bürgermeister Rajko Kravanja sagt, dass Mitarbeiter des Zirkus gegenüber Mitarbeitern der Stadt handgreiflich geworden seien. Der Zirkus bestätigt zwar einen Konflikt, dementiert aber die Handgreiflichkeiten. Man habe die Mitarbeiter der Stadt nur des Hellweg-Geländes verwiesen. Am Ende wurde die Polizei eingeschaltet. Bei einem Besuch im Rathaus kurz vor dem geplanten Start sollen sie auf der Suche nach dem Bürgermeister auch einen Verweis kassiert haben.

Betretungs- und Aufführungsverbot

Mit einem Zwangsgeld verhindert die Stadt seit Freitag, dass der Zirkus trotz fehlender Genehmigung spielt. Auf 5000 Euro setzte die Stadtverwaltung den Betrag fest, der bei Zuwiderhandlung fällig würde. Das Gelände dürfe außer dem Personal einstweilen niemand betreten.

Circus Florida gingen so nach eigener Aussage allein am Freitag die Einnahmen mit 250 bis 300 Gästen flöten. Bemisst man nur die Eintrittsgelder, dann kam man bei Preisen zwischen 14 und 27 Euro je nach Alter und Platzkategorie auf rund 6000 Euro an der Kasse – Verzehr nicht mitgerechnet. Samstag zwei, Sonntag eine weitere Vorstellung: Dem Zirkus gingen so am ersten Wochenende gut und gerne 30.000 Euro verloren.

Circus Florida steht im Regen da: Das Tor, hier noch geöffnet, muss am ersten Wochenende geschlossen bleiben.
Circus Florida steht im Regen da: Das Tor, hier noch geöffnet, muss am ersten Wochenende geschlossen bleiben. © Tobias Weckenbrock

Das Zirkuspersonal hielt sich am Wochenende an die Verfügung und vertröstete die Gäste auf die Spieltermine ab dem kommenden Donnerstag. Bis dahin werde man die Genehmigung haben, so die Hoffnung. Die Stadt betonte am Freitag (1.9.), dass der Zirkus weiterhin ohne Probleme spielen könne, wenn die fehlende Genehmigung vorliegt. Helfen könne ein Architekt, soll ein Ratschlag aus dem Bereich Bauordnung in einem von dutzenden mitunter wenig freundlichen Telefonaten, die man inzwischen geführt hat, ergangen sein.

In der Ordnungsverfügung sind zur Begründung der Zwangsmaßnahme allerdings verschiedene andere Dinge angegeben, warum der Zirkusbetrieb hier zweifelhaft sei. Neben den fehlenden Genehmigungen wird auf einen vier Meter hohen Schotterberg am Rande der Fläche, auf eine nicht verdichtete Schotterfläche unterhalb der Zelte „mit etwaigen Fremdstoffen“ und ein Zugang für Besucher über zum Teil nicht befestigte Wege verwiesen. Eine gefahrlose Benutzung sei nicht gegeben, heißt es.

Fünf Vorstellungen sind noch möglich

Dennoch ist zu erwarten, dass mit dem nachgereichten Antrag in dieser Woche gespielt werden darf. Ab Donnerstag (7.9., 17 Uhr), Freitag (17 Uhr), Samstag (11 und 16 Uhr) und Sonntag (14 Uhr) sind fünf weitere Aufführungen von jeweils rund zwei Stunden Länge geplant. Manege frei?

Vielleicht kommt Aron (4) dann mit seiner Mama und dem Opa wieder. Er hat es ja nicht weit. Womöglich ist die Show unterhaltsam. In der Stadtverwaltung, die wohl lediglich nach Recht und Ordnung handelte, wird man Circus Florida aber ziemlich sicher nicht in guter Erinnerung behalten.

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