Nach Anschlägen wie denen in Magdeburg oder Aschaffenburg ist für Holger Wennrich klar: „Städte müssen etwas tun.“ Da gebe es für ihn keine zwei Meinungen. Der Geschäftsführer des Herner Stadtmarketings ist unter anderem für die Cranger Kirmes zuständig – nach eigener Angabe das größte Volksfest in NRW. Gegen Anschläge per Pkw oder Lkw könnten sich Städte zur Wehr setzen, sagt Wennrich. Bei der Cranger Kirmes seien als Teil des Sicherheitskonzepts zuletzt rund 400 Trucksperren aufgebaut worden.

Der Crashtest
„Wir haben uns einen Partner vor Ort gesucht“, sagt Wennrich. Vor rund sieben Jahren ging das Stadtmarketing auf den Metallbau-Unternehmer Christian Barz zu. „2018 haben wir angefangen“, sagt Barz. „Da war unser Prototyp baureif.“ Heute produziert sein Unternehmen Kostuj Metallbau Trucksperren zur Terrorabwehr. Der Vertrieb läuft über die Firma Herne Protect, ebenfalls geführt von Barz. Er beliefert Kommunen in ganz NRW und darüber hinaus.
Der Test in einem Crashtestzentrum in Münster sollte beweisen, dass die Sperren funktionieren. Mit 48 km/h ließen die Experten einen 7,5 Tonnen schweren Lkw gegen die Sperre fahren. Alles wurde mit Hochgeschwindigkeitskameras gefilmt. Verschiedene Prüfkriterien mussten erfüllt werden. „Der Test ist nur bestanden, wenn der Lkw nicht mehr anspringt, die Barriere nicht überwindet, die Trümmerteile nicht zu sehr herumfliegen und so weiter“, sagt Barz.
Lkw wird gestoppt
Ein Video auf der Website von Herne Protect zeigt den Test. Der rote Lkw knallt gegen die Doppelreihe aus Trucksperren. Die Fahrzeugfront nimmt Schaden. Die Vorderreifen heben ab. Der Lkw reißt die Sperre mit sich. 15 Meter vom Ort des Aufpralls entfernt ist er gestoppt und nicht mehr fahrbereit. Die Herner Trucksperre hat den Crashtest bestanden.
Das sei ein wesentlicher Unterschied zu dem Vorgehen, Einfahrtwege zu Veranstaltungen mit Fahrzeugen zu blockieren, sagt Barz. Ein Bus sei zum Beispiel keine getestete Sperre. Beton-Poller hätten im Gegensatz zu seiner Sperre das Problem, dass sie über Asphalt rutschen könnten.

Ein-Mann-Lösung
Die Sperren bestehen aus Stahl, sind mobil und simpel aufzubauen – eine „Ein-Mann-Lösung“. Er habe sie sogar schon mit Schülern und Rentnern aufgebaut, sagt der Herner Geschäftsmann. Es müsse also nicht jedes Mal ein Schlosser dabei sein. Die Einzelteile sind einfach zu transportieren – das schwerste von ihnen wiegt ungefähr 15 Kilogramm. Wie kommt es, dass diese leichten Teile einen tonnenschweren Lkw aufhalten können?
„Wir verketten die Bauteile untereinander“, antwortet Barz. „Und wir haben die richtige Dimensionierung der Materialien gewählt.“ Beim Crashtest seien die jeweils rund 85 Zentimeter breiten Sperren nicht nur nebeneinander, sondern auch in zwei Reihen voreinander montiert worden. „Das erhöht den Widerstandsgrad gegen angreifende Fahrzeuge enorm.“ Der Crashtest sei ein Laborversuch mit einem festen Setup gewesen, betont Wennrich. Ein genau 7,5 Tonnen schwerer Lkw mit genau 48 km/h traf mit einem Winkel von null Grad auf die Sperre und wurde aufgehalten.

Sperrkonzept muss stimmen
„Städte müssen sich gegen alle möglichen Eventualitäten absichern“, sagt der Stadtmarketing-Chef. Verschieden große Fahrzeuge mit unterschiedlich hohen Geschwindigkeiten und Aufprallwinkeln. Wenn sich eine Stadt entscheide, Sperrmaterial aufzubauen – wofür es allerdings im Regelfall keine Pflicht gebe – komme es auf das Konzept an. Zu einer Absperrung gehöre immer eine „geschwindigkeitsverzögernde Maßnahme“. Das seien im Prinzip Schikanen, die auf der Straße stehen. Sie sollen dafür sorgen, dass Fahrzeuge abbremsen müssen und nicht mit vollem Tempo auf die eigentliche Barriere treffen.
Beim Sperrkonzept müssten sich die Verantwortlichen laut Wennrich den Plan vor Ort ansehen und klären, welche Bereiche gesperrt werden sollen. Wenn beispielsweise ein Platz gesperrt werden solle, müssten alle Zufahrten berücksichtigt werden. „Wenn ein Auto über den Bürgersteig fahren kann, muss dort auch eine Sperre stehen“, sagt Barz.

Große Nachfrage seit Magdeburg
Überwiegend beliefert Herne Protect Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Zum Beispiel bestellte die Stadt Bottrop 360 Stück, die zur Karnevalskirmes aufstellbereit sein sollen. Auch die Stadt Aachen habe eine Lieferung bekommen, sagt der Chef von Herne Protect. Mit der Stadt Recklinghausen befinde man sich in Gesprächen. Zurzeit kämen viele Anfragen aus Hessen und sogar welche aus der Gegend am Bodensee. „Es gab nach Magdeburg grundsätzlich eine Riesenmenge an Anfragen. Man merkt, dass alle verunsichert sind.“
Kosten „unbedeutend“
Im Stadtrat von Castrop-Rauxel wurde beschlossen, 15.000 Euro für die Beschaffung von Trucksperren im Haushalt bereitzustellen. Dafür wären knapp 20 Sperren zu bekommen. Um eine zweispurige Straße richtig abzusperren, bräuchte es laut Wennrich aber schon 35 Stück. „Wir merken, dass die Castroper es noch gar nicht durchdrungen haben“, sagt Barz.
Inklusive Zubehör kostet eine der Sperren rund 800 Euro. Die Modelle aus Herne seien die günstigsten weltweit. Da die Sperren über Jahre hinweg bei vielen Veranstaltungen genutzt werden könnten, würden die Kosten schließlich „völlig unbedeutend“, sagt Wennrich. Mitbewerber in dem Segment gebe es zwar, zum Beispiel im europäischen Ausland, doch bei denen gebe es Hemmnisse: „lange Lieferzeiten, schwierige Ersatzteilversorgung und regelmäßig doppelter Preis“.

1000 Sperren pro Monat möglich
Wie viele Mitarbeiter in Herne an der Produktion der Trucksperren arbeiten, ist unterschiedlich. „Wir sind ja normalerweise mit unseren anderen Projekten beschäftigt.“ Aktuell arbeiten sechs Personen am Bau der Sperren mit, weil vor Karnevalsfesten noch viele ausgeliefert werden sollen. „Zurzeit können wir es sicherlich bewerkstelligen, 1000 Sperren pro Monat herzustellen.“ Wenn der Bedarf in Deutschland größer würde, könne die Produktion gesteigert werden.