Familie Pinkert wandert aus Unternehmerin aus Castrop-Rauxel von Deutschland enttäuscht

Unternehmerin von Deutschland enttäuscht: Jetzt wandert sie aus
Lesezeit

„Wir sind nicht pleite, dem Laden geht’s sehr gut.“ Das ist Ajla Pinkert sehr wichtig. Sie betont das deshalb besonders. Die 41-Jährige hat sich geärgert. Über einige Kommentare, die nach der Bekanntgabe, dass „Estilo Argentino“ am Castroper Marktplatz Ende September schließen wird, auch auf der Facebook-Seite unserer Redaktion auftauchten. Obwohl bei unserem Bericht schon in der Überschrift stand, dass es nicht am mangelnden Erfolg liegt.

„Wir haben uns fast anderthalb Jahre recht gut durchgeschlagen und durchgehalten“, betont Ajla Pinkert. Und sagt, nicht ohne Stolz: „Wir hatten den Grundstein für einen Treffpunkt für Kulinariker gelegt, hier in Castrop. Und wir waren kurz davor, weitere Konzepte wie eine Außengastronomie und besondere Events zu etablieren.“ Aber dann...

„Deutschland läuft hinterher“

Heute ärgert sich die Unternehmerin, die das argentinische Spezialitätengeschäft gemeinsam mit ihrem Mann Tilo (43) im Juni 2022 eröffnet hat. Und zwar über Deutschland. Und über den Umgang mit Gründerinnen und Gründern, Unternehmerinnen und Unternehmern in diesem Land.

„Deutschland läuft einfach 20 Jahre hinterher. Niemand möchte hier mehr Unternehmer sein. Das Land ist momentan wirtschaftlich gesehen von Angst geprägt“, findet Ajla Pinkert. „Nur der Schutz der Arbeitnehmer zählt, Unternehmer haben einfach keinen.“

Besonders gut festmachen könnten sie, Ajla und ihr Mann Tilo Pinkert, das an ihren Erfahrungen, die sie in den vergangenen 15 Monaten mit der Stadt Castrop-Rauxel gemacht haben. „Wir sind extremst enttäuscht von der Stadt“, sagt die Zweifach-Mutter.

Keine Hilfe, keine Geschwindigkeit

Als ein Beispiel dafür führt sie die Außengastronomie an, die das Paar bei „Estilo Argentino“ etablieren wollte. Seit November vergangenen Jahres hätten Pinkerts sich mit Unterstützung eines Architekten darum bemüht. „Und im Januar oder Februar haben wir das dafür Erforderliche bei der Stadt eingereicht“, sagt Ajla Pinkert. Ziel sei eigentlich gewesen, die Außenterrasse im Mai 2023 zu öffnen. Doch die Genehmigung gab es nie.

Das Ehepaar Ajla und Tilo Pinkert steht bei der Eröffnung von "Estilo Argentino" im Juni 2022 neben Bürgermeister Rajko Kravanja.
Zur Eröffnung von „Estilo Argentino“ im Juni 2022 kam auch Bürgermeister Rajko Kravanja (r.) bei Ajla und Tilo Pinkert vorbei. Dennoch ist das Ehepaar nunmehr von der Stadt „extremst enttäuscht“. © Uwe von Schirp (Archiv)

„Unterstützung und Geschwindigkeit waren einfach nicht gegeben. Die Stadt Castrop-Rauxel möchte offenbar nicht, dass Unternehmen hier erfolgreich sind“, sagt Pinkert dazu.

Auch an den Veranstaltungen, die die Verwaltung während der vergangenen Monate auf dem Marktplatz veranstaltete oder aber zumindest genehmigte, übt sie weitestgehend Kritik. „Wir Händler am Markt haben den ganzen Sommer darunter gelitten und haben Umsatzrückgänge verzeichnet. Denn Händler wie wir, bei denen die Kunden auch von außerhalb kommen und mitunter größere Mengen einkaufen, brauchen eben einen direkten Parkplatz.“

„Nicht gewollt gefühlt“

So schön ein von Menschen belebter Marktplatz auch sei, „wenn dort keine Händler mehr ansässig sind, kommen die Leute ja auch nicht mehr“, sagt Ajla Pinkert. Sie hätte sich gewünscht, von der Verwaltung mehr in solche Prozesse einbezogen, mitbedacht, gefragt zu werden. „Doch so wie es schlussendlich lief, hat man sich einfach nicht gewollt gefühlt.“

Dennoch bereuten sie und ihr Mann nichts, sagt Ajla Pinkert. „Jeder, der bei uns eingekauft hat, hat uns und die Qualität unserer Produkte geschätzt. Und wir haben hier in Castrop-Rauxel so viele nette Menschen kennengelernt, hatten einen tollen Vermieter.“

Gerne hätten sie das Geschäft im Haus von Winfried Radinger, „unser drittes Baby“, wie Pinkert lächelnd sagt, auch trotz der bevorstehenden Auswanderung weitergeführt – entweder mit einem dritten Gesellschafter, der die Geschicke von vor Ort aus leitet, oder aber mit einem Nachfolger. „Wir haben auch bis zum Schluss danach gesucht, habe sieben oder acht Gespräche mit ernsthaften Interessenten geführt“, erzählt sie. Die Quintessenz daraus sei aber gewesen: „Keiner hat nicht an das Konzept geglaubt. Aber alle hatten Angst.“

Träume und Pläne

So blieb am Schluss nichts anderes übrig als die Schließung zu Ende September. Denn schon Anfang Oktober hat die Lünerin Deutschland sowieso den Rücken gekehrt. Sie ist ausgewandert in die USA, genauer nach New Jersey, nahe Princeton. Ihr Mann Tilo und die beiden Kinder Lejla (9) und Adrian (7) werden bald folgen.

„Ich wurde von meiner jetzigen Firma, die in der Lebensmittelindustrie tätig ist, entsendet, weil ich dort den Marketingbereich leiten soll“, erzählt Ajla Pinkert. Für mindestens drei, vielleicht auch fünf Jahre. Für sie sei das ein Traum; etwas, worauf sie Jahre lang hingearbeitet habe.

„Mein Mann und ich haben schon viel von der Welt gesehen. Und die wollen wir nun auch unseren Kindern zeigen. Sie sollen die Möglichkeit haben, andere Länder, Kulturen und Sprachen kennenzulernen“, erzählt die gebürtige Bosnierin, die auch schon in den Niederlanden lebte, ehe sie nach Deutschland kam.

Sie freue sich vor allem auf mehr Zeit mit der Familie. „Weil wir dann eben zwar noch einen Vollzeitjob, aber nicht auch noch den Laden haben.“ Auf Reisen innerhalb der USA. Aber auch nach Kanada, Mexiko oder in die Karibik. Auf Tauchgänge mit Blauwalen. Darauf, endlich richtig Spanisch zu lernen. Auf das Mehr an Freiheit im immer noch oft genannten „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. „Dafür ist genau jetzt die richtige Zeit“, ist Ajla Pinkert überzeugt. „Nichts hält uns mehr hier in Deutschland. Auch, wenn wir dafür leider ‚unser Baby Estilo Argentino‘ zurücklassen müssen.“

Estilo Argentino hört auf am Castroper Markt: Grund ist nicht mangelnder Geschäftserfolg

Gelungene Kooperation der Ckü-Gewinner: Parkbad Süd und Estilo Argentino profitieren voneinander

Die mutigste Eröffnung 2022 in Castrop-Rauxel: Paar blickt auf turbulente Monate und hat große Pläne

Castroper Altstadt: Elf Ladeneröffnungen und nur ein einziger Flop

Castrop-Rauxeler strömen zur Neueröffnung von „Estilo Argentino“

Estilo Argentino eröffnet Pfingsten in Castrop: Fleisch für Liebhaber

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 15. Oktober 2023.