Das Protokoll der „Großen Ickernrunde“ vom 15.11.2023 beginnt anders als andere Protokolle. Es beginnt mit einem Foto in Schwarz-Weiß. Darauf zu sehen ist „Hennes“: „Unser Hennes“, wie in Ickern viele sagten. Der Mann mit dem grauen Haar steht auf dem Foto des Stadtteilvereins auf der Leiter und montiert die Ickerner Weihnachtsbeleuchtung. In diesem Advent 2023 konnte Hans Josef Szobolits das Leuchten der LED-Kränze und Kerzen entlang der Ickerner Straße nicht mehr genießen. „Hennes“ starb am 11. Oktober 2023 im Alter von 69 Jahren. Er wurde anonym auf dem Ickerner Friedhof bei seiner einstigen Ehefrau Fadilla bestattet. Im engsten Kreise.
Geboren am 26. Juni 1954, wäre er 2024 70 Jahre alt geworden, der „alte“ Bergmann oder besser Kumpel, der seit zwei Jahrzehnten seinen Ruhestand genoss. Er hatte Zeit für Ehrenamt. Für seine neue Frau Elke, wie er ebenfalls verwitwet, mit der er seit vielen Jahren die Freizeit genoss: Radfahren und Ausflüge machen, gemeinsam verreisen, das waren zwei seiner Hobbys. Und erst vor zwei Jahren erfüllte er sich noch einen Traum: Er legte sich eine Harley Davidson zu. Damit cruiste „Hennes“ durch die Stadt, das Revier, die Welt.
All das und noch mehr, was er sich vorgenommen hatte, wird nicht mehr stattfinden. Weil er einen medizinischen Notfall erlitt. Es war einer dieser Dienstage, einer dieser Sauna-Abende im Kreise seiner Freunde. Uwe Frisch, Mario Pallasch und Werner Blokus: Sie trafen sich mit „ihrem Hennes“ immer zum Sauna-Stammtisch im Hause Frisch. Dort gab es was Gutes zu Essen und ein Weinchen zu trinken. Man genoss gemeinsam die Freizeit beim Knobeln und Schwitzen.
Uwe Frisch hatte an jenem Dienstag im November Fisch zubereitet. Es ging in die Sauna, es wurde geknobelt für die gemeinsame Kasse, die die Männer dann irgendwann, einmal im Jahr, bei einem Essen im Restaurant oder wie kürzlich noch in der Spielbank Hohensyburg beim Roulette und Dinner verjubelten.
Der tödliche Sturz auf dem Heimweg
Und dann ging es für sie wieder auseinander. Wie jeden Dienstag, diesmal um kurz nach Mitternacht. „So gegen 0.15 Uhr war das“, sagt Uwe Frisch, der von „Hennes“ als seinem zweitbesten Freund spricht. „Wir hatten einen schönen Abend zusammen, so wie immer. Aber jetzt weiß ich: Es war der letzte Abend. Werner schlief wie immer bei uns, Hennes fuhr mit dem Fahrrad nach Hause. Etwa um 0.30 Uhr ist er dann Im Esch auf den Grünstreifen gestürzt. Er wurde dort gegen 4.30 Uhr von einem Passanten gefunden. Da war er schon tot.“
Die Obduktion ergab: Er erlag einer Lungenembolie. Uwe Frisch erhielt um 9.11 Uhr, das weiß er noch genau, den Anruf von der Kriminalpolizei. „Sie hat auf dem Handy in die letzten Anrufe geschaut und mich angerufen“, mutmaßt er. Ebenso wie seine Lebensgefährtin. „Guten Morgen. Sind Sie Herr Uwe Frisch, wohnhaft ...?“, fragte ihn der Kripo-Beamte. „Kennen Sie einen Hans Josef Szobolits, wohnhaft...?“ Zweimal antwortete Uwe Frisch mit „Ja“. „Es tut uns leid. Er ist heute morgen tot aufgefunden worden.“

Uwe Frisch verlor seinen „Flügelmann“: „Er hat sich immer engagiert. Immer, wenn ich unterwegs war, wenn wir Weihnachtsbeleuchtung in Ickern aufgehängt haben, die über 90 Weihnachtsbäume aufgestellt haben – wir waren immer zusammen unterwegs. Man kannte uns nur als Duo.“ Zusammen waren sie im Urlaub, oft in der kroatischen Heimat von Hennes‘ einstiger Ehefrau, die vor sechs Jahren an Krebs starb. „Hennes hat geholfen, wo er konnte“, erinnert sich auch der Stadtteilvereins-Vorsitzende Marc Frese.
Die Kumpanei Frisch-Hennes, sie reichte weit länger zurück. „Wir waren einst zusammen im Hella an der Vinckestraße, als wir zu Hause flügge wurden. Wir waren bei Germania, da, wo heute ‚Bei Theo‘ ist. Wir haben die Lehre gleichzeitig gemacht, den Führerschein, die Kinder gleichzeitig bekommen“, sagt Uwe Frisch. Als er Dreher wurde, ging Szobolits auf Zeche schuften.
„Auf Hennes war immer Verlass“
„Auf Hennes war immer Verlass. Er war immer da. Diese Ehrlichkeit, das ist heute so selten geworden“, sagt Uwe Frisch. „Wer kann denn heute noch sagen: ‚Ich habe einen wahren Freund!‘?“
Überhaupt: Warum starb er schon viel zu früh? Warum traf ausgerechnet ihn diese Lungenembolie? „Er war immer topfit. Er hat nie Tabletten genommen. Er war zuletzt einmal im Krankenhaus, sonst hatte er nix“, sagt Uwe Frisch: Er habe sich gesund ernährt und selbst gekocht, habe nicht geraucht, nie übermäßig Alkohol getrunken, sei dreimal die Woche raus zum Sport.

Sie hatten sogar noch herumgesponnen, die Freunde, eines Tages eine Tour über mehrere Wochen mit dem Motorrad durch Europa zu machen. Vielleicht. Irgendwann mal. Aber nein: Jetzt steht die Harley still.
In der Traueranzeige der Familie heißt es: „Das kostbarste Vermächtnis eines Menschen ist die Spur, die seine Liebe in unseren Herzen zurückgelassen hat.“ Und: „Du bist nicht mehr da, wo du warst, aber du bist überall, wo wir sind.“ Die Anzeige ziert eine Rose.
„Er war bekannt in Ickern“
„An jeder Ecke und Kante“ sei Uwe Frisch in den vergangenen Wochen auf den Tod seines Freundes angesprochen worden. Es ist manchmal wie die Dornen an dieser Rose. Noch mehr für Hennes‘ Familie, seine Tochter Melanie, all seine Nachkommen und seine Lebensgefährtin. „Man wird jetzt immer wieder darauf gestoßen, wo er überall geholfen hat, wo man Spaß zusammen gehabt hat. Er war einfach bekannt in Ickern.“ Das sei auf der einen Seite schön. Aber es habe Frisch auch belastet in den vergangenen Wochen.
Mit diesem Nachruf, dieser Erinnerung, mit dem Abschied des Vereins „Mein Ickern“ als Eingangs-Notiz im Vereins-Protokoll, für den er so viel leistete, kann man nun vielleicht besser loslassen. Hans Josef Szobolits bleibt unvergessen. „Unser Hennes“...
