Wenn das Telefon in der Verbraucherberatung Castrop-Rauxel klingelt, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit jemand dran, der Hilfe beim Thema Energieverträge sucht. Nicht nur, dass viele angesichts der aktuellen Preiserhöhung des Grundversorgers Rat brauchen. Viele Castrop-Rauxeler erzählen Elisabeth Wigger-Düsing, dass sie ungewollt einen Vertrag abgeschlossen haben und nicht mehr weiter wissen. So wie es jüngst dem Castrop-Rauxeler Sven Fleischer geschah, der plötzlich ungewollt die Kündigung seines Stromanbieters erhielt. „Das Thema ist brandaktuell“, sagt die Beraterin.
Manche Strom- und Gasanbieter schieben Castrop-Rauxelern an der Haustür und vor allem während eines Telefonats unbemerkt Energieverträge unter, die diese gar nicht abschließen wollen. Andere preisen günstige Tarife an, die sich in Wahrheit als teure Kostenfalle entpuppen. Wir haben Fragen und Antworten zum Thema.
Um welche Energieverträge geht es und welche Methoden werden angewandt?
Es geht nicht nur um den Abschluss von Neuverträgen. Auch Bestandskunden werden mit fragwürdigen Methoden in teurere Tarife gelockt. Dabei klingeln Beauftragte mancher Energieanbieter an der Haustür oder rufen an. Sie versuchen Haushalte im Direktvertrieb zu Vertragsabschlüssen zu bewegen. Die Methoden sind nicht immer seriös. Sie reichen von der Verschleierung der Vertragsinhalte über falsche Versprechungen bis hin zur Vorspiegelung von Vertragsschlüssen.
Was sind besonders perfide Tricks?
„Manche behaupten, sie kämen vom eigenen Anbieter“, erläutert Elisabeth Wigger-Düsing, Beraterin in der Castroper Beratungsstelle der Verbraucherzentrale NRW. „Sie haben erstaunliche Daten, nennen Abschlagszahlen oder sogar die Kunden-Nummer. Da ist es nicht verwunderlich, wenn Leute denken, sie würden mit dem eigenen Anbieter sprechen.“
Auch ein mieser Trick: Noch während des Werbeanrufs wird darauf gedrängt, ein Vertragsangebot, das parallel per SMS oder E-Mail geschickt wird, sofort zu beantworten und dadurch anzunehmen – auch unter dem falschen Vorwand, dass damit nur die Kontaktaufnahme dokumentiert werde. „Das Melden solcher Fälle bei der Verbraucherzentrale oder bei der Bundesnetzagentur, hilft dabei, gegen entsprechende Anbieter vorzugehen“, so die Beraterin.

Wie kann ich mich gegen ungewollte Verträge für Strom und Gas schützen?
„Wer keinen Liefervertrag abschließen will, sollte niemals seine Zählernummer und den aktuellen Energielieferanten preisgeben“, rät Elisabeth Wigger-Düsing. Die brauche ein Anbieter für die Erstellung eines Angebots nicht. „Zusammen mit Namen und Adresse reichen diese Informationen den Werbern aber schon, um einen Anbieterwechsel einzuleiten.“ Generell gilt: Wer an der Haustür nichts unterschreibt oder nicht auf eine SMS oder E-Mail des Anbieters während eines Werbetelefonats antwortet, kann verhindern, ungewollt einen Vertrag zu schließen.
Was kann die negative Folge eines Vertragsabschlusses sein?
Gravierend ist, so Elisabeth Wigger-Düsing, dass mit einem ungewollten Vertragswechsel immer die Kündigung des alten Vertrages einhergeht. Selbst wenn man hinterher den neuen Vertrag widerruft, kann es sein, dass der alte Anbieter den Kunden nicht mehr in dessen ursprünglichen Vertrag zurücknimmt.
Wie kann ich einen untergeschobenen Energievertrag widerrufen?
Stellt sich der Vertragsabschluss an der Haustür oder am Telefon nachträglich als Kostenfalle heraus, ist rasches Handeln erforderlich. Betroffene sollten so schnell wie möglich nicht nur den neuen Energieliefervertrag, sondern auch die Vollmacht zur Kündigung des Altvertrags gegenüber dem neuen Anbieter widerrufen. Nur so besteht die Chance, dass nach erfolgreichem Widerruf der Altvertrag ungekündigt fortbesteht. Denn grundsätzlich gilt: Wer einen Vertrag geschlossen hat, besitzt ein 14-tägiges Widerrufsrecht.
In diesem Zeitfenster hat der Neulieferant aber unter Umständen bereits den Altvertrag wirksam gekündigt. Und eine wirksame Kündigung kann durch einen Widerruf nicht beseitigt werden. Die Vollmacht muss also zeitlich vor der Kündigung widerrufen werden. Kündigt der neue Anbieter, nachdem die Vollmacht widerrufen wurde, ist die Kündigung dagegen unwirksam und das Vertragsverhältnis mit dem alten Anbieter besteht zu den ursprünglichen Tarifbedingungen weiter fort.
Wer sicher ist, keinen Vertrag abgeschlossen zu haben, muss theoretisch nichts tun. Es kommt allerdings vor, dass Verbraucher unbewusst einen Vertrag geschlossen haben. Daher ist ein vorsorglicher Widerruf immer richtig. Dieser kann formlos erfolgen. Für einen Nachweis empfiehlt es sich, ihn per Fax oder Einwurfeinschreiben zu versenden.
Was mache ich, wenn ich gar keinen Vertrag geschlossen habe?
Es kommt vor, dass Verbraucher ein sogenanntes Begrüßungsschreiben erhalten, mit dem ein Anbieter die Belieferung mit Energie ankündigt, obwohl es zu keinem Vertragsschluss gekommen ist. Hier sollten Betroffene immer den Vertragsschluss gegenüber dem (neuen) Anbieter schriftlich bestreiten. Denn immer dann, wenn ein Anbieter einen Vertragsschluss behauptet, muss er diesen im Zweifel auch beweisen. Vorsorglich sollte auch der Widerruf erklärt werden, so die Verbraucherzentrale.
So erhielten kürzlich mehrere Castrop-Rauxeler Haushalte Begrüßungsschreiben der Firma Windströöm. Das Unternehmen kannte viele Daten wie Zähler- und Kundennummern. Der Preis war exorbitant hoch, wie Sven Fleischer als einer der Betroffenen unserer Redaktion erzählte. Das Argument des Unternehmens: Wegen der Strompreisbremse seien 97 Cent/kWh kein Problem, man würde ja nur 40 Cent zahlen.
Seit dem Sommer 2021 können Strom- und Gaslieferverträge außerhalb der Grundversorgung nicht mehr mündlich, also auch nicht am Telefon, sondern nur in Textform geschlossen werden. Das bedeutet, dass beide Vertragsparteien ihre jeweilige Vertragserklärung (Angebot und Annahme) in Textform abgeben müssen, zum Beispiel per Brief, Fax, E-Mail oder SMS. Übrigens: Wenn der ursprüngliche Vertrag vom neuen Anbieter ohne Vollmacht gekündigt wurde, ist die Kündigung unwirksam und der alte Versorger muss zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen weiterliefern.
Sollte man überhaupt nach neuen Gas- und Stromanbietern schauen?
Für Elisabeth Wigger-Düsing gilt ein klares „Ja“. Die Preise verändern sich permanent. Da hat Eon auf der einen Seite gerade erst die Preise deutlich erhöht. Bei anderen Anbietern federt die Strom- und Gaspreisbremse noch höhere Preise ab. Für 80 Prozent des Verbrauchs werden maximal 40 und 12 Cent/kWh berechnet. „Doch die Preisbremse läuft 2024 aus“, so die Verbraucherschützerin. „Dann zahlt man die Preise komplett.“ Wer sich umschaut, kann aber heute schon Verträge finden, die günstiger sind. „Strom findet man schon ab 32 Cent, Gas ab 10,5 Cent“, so Elisabeth Wigger-Düsing. Ein neuer Vertrag kann also sinnvoll sein – wenn man sich gut informiert und dann entscheidet.
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