„Gott sei Dank sind wir da rausgekommen“ BMW von Castrop-Rauxeler überschlug sich auf der A2

„Gott sei Dank sind wir rausgekommen“: BMW überschlug sich auf der A 2
Lesezeit

Wassim Snbol sitzt mit drei Freunden in seinem geliebten BMW. Jahrelang hat er dafür gearbeitet und gespart. Sie sind auf dem Weg nach Haltern am See, zum Schwimmen. Es ist ein Sonntag im Juni 2023 und die Ausflügler befinden sich auf der A 2. Dann passiert sehr schnell sehr viel.

Zuerst ist da der Geruch: Es riecht „irgendwie verbrannt“. Im Rückspiegel sieht der Fahrer Rauch, der aus seinem Auto kommen muss. Der Motor brennt. Bei 120 km/h will der Castrop-Rauxeler auf die Standspur wechseln und anhalten, doch er verliert die Kontrolle. Der BMW überschlägt sich und bleibt auf dem Dach liegen. Durchs Fenster klettern die verletzten Insassen aus dem brennenden Wrack. Kurz darauf treffen Feuerwehr und Rettungsdienst ein. Snbol und seine Begleiter werden in Krankenhäuser gebracht.

„Gott sei Dank sind wir da rausgekommen“, sagt er. „Ich will nicht mehr daran denken, an das, was alles passiert ist.“ Snbol erleidet einen Rippenbruch, Prellungen und Kratzer. „Ich habe auch Blut in der Lunge gehabt.“ Etwa eine Woche bleibt er im Krankenhaus. Seine Mitfahrer kommen mit Prellungen davon. Selbst jetzt, rund anderthalb Jahre nach dem Unfall, hat der Fahrer noch Schmerzen in der Brust, zum Beispiel, wenn er schwere Gegenstände tragen muss.

Wassim Snbol hat sein Auto vor einer Brücke abgestellt und schaut in die Kamera. Das Foto ist in der Zeit vor dem Unfall entstanden.
Dieses Foto von Wassim Snbol und seinem Auto ist in der Zeit vor dem Unfall entstanden. Der junge Mann hat lange für den Wagen gespart. © privat
Auch die Windschutzscheibe ist beim Unfall zu Bruch gegangen.
Auch die Windschutzscheibe ist beim Unfall zu Bruch gegangen. © Tewe Schefer

Post von BMW

Kurz darauf landet ein Schreiben von BMW im Briefkasten des Castrop-Rauxelers. Laut Briefkopf wurde es am 19. Juni 2023 verschickt – genau einen Tag nach dem Unfall. Er wird von BMW aufgefordert, an einer Rückrufaktion teilzunehmen, da an dem 2012 zugelassenen Fahrzeug ein Mangel bestehe. Das Unternehmen habe ihn schon in der Vergangenheit wegen des Mangels kontaktiert. Laufende Analysen hätten ergeben, dass der Abgasrückführungskühler (AGR-Kühler) nicht dem Qualitätsstandard der BMW Group entspreche. Eine „mögliche Undichtigkeit“ könne zu lokalen Verschmorungen an der Sauganlage und in sehr seltenen Fällen zu einem Fahrzeugbrand führen. BMW habe Snbol bereits mitgeteilt, dass das Unternehmen den Kühler kostenfrei austauschen werde. Leider sei diese Maßnahme für sein Fahrzeug „aufgrund der Teileverfügbarkeit noch offen“. In der Zwischenzeit könne er das Bauteil jederzeit kostenlos bei autorisierten BMW-Partnern überprüfen lassen.

Für den Fahrer steht die Brandursache fest: Der defekte Kühler muss es sein. Das Auto sei zuvor gut gelaufen, habe keine Probleme bereitet. Erst zwei Monate vor dem Brand sei das Auto zuletzt vom TÜV gecheckt worden. Mit seinem Anwalt will er den DAX-Konzern konfrontieren. BMW jedoch antwortet immer nur stark zeitverzögert. BMW fordere „etwas Schriftliches“, sagt Snbol. Also lässt er ein professionelles Brandgutachten durch den TÜV Rheinland anfertigen. Die rund 4800 Euro zahlt er aus eigener Tasche.

Eine Abdeckung hängt an Kabeln von der Fahrzeugdecke herab und baumelt über dem Beifahrersitz. Auch das Fahrzeuginnere hat beim Unfall Schaden genommen.
So sieht es im Fahrzeuginneren aus. © Tewe Schefer

TÜV-Gutachten belastet BMW

Im Februar 2024 nimmt der Sachverständige vom TÜV, ein Kfz-Brandursachenermittler, den verbrannten BMW 535d xDrive genau unter die Lupe. „Im Verlauf der brandanalytischen Untersuchung (...) wurden konsequent sämtliche Systeme des Fahrzeuges auf eine mögliche Betriebsstörung hin (...) untersucht.“ Alle infrage kommenden Möglichkeiten der Brandentstehung seien systematisch betrachtet und analysiert worden.

Der Brand sei eindeutig im Motorraum entstanden, lautet eines der Ergebnisse. Der Entstehungsort lasse sich auf den linken Motorraumbereich und – sogar noch genauer – auf die Ansaugbrücke eingrenzen. Fotos von den entscheidenden Bauteilen sind angefügt. „In Verbindung mit dem Austritt von Glykol am undichten AGR-Kühler und die Verkokung am AGR-Ventil kann die Brandursache hierauf zurückgeführt werden.“ Anschmelzungen in dem aus Kunststoff bestehenden Ansaugkrümmer hätten den Brand ausgelöst. „Bei dem hier betroffenen und durch Brand beschädigten Fahrzeug kommt (...) keine andere Ursache für die Entstehung des Brandschadens infrage.“ Das Gutachten sei „unparteiisch“ und „nach bestem Wissen und Gewissen“ erstellt worden.

BMW bemängelt TÜV-Gutachten

„Die BMW-Anwälte bemängeln das Gutachten“, sagt Snbol. „Ich weiß nicht, was ich dagegen noch machen kann.“ Für ihn gilt der TÜV als kompetente Anlaufstelle. „Ich weiß nicht, wo ich sonst hingehen soll.“

Wir wenden uns an die Pressestelle von BMW. Wir fragen nach der Brandursache und danach, warum der Brief mit der Rückrufbitte ausgerechnet einen Tag nach dem Unfall adressiert wurde. Wir wollen wissen, was mit dem Brandgutachten nicht stimmen soll. Obendrein fragen wir danach, wie viele BMW-Fahrzeuge in der Vergangenheit bereits aufgrund fehlerhafter AGR-Kühler gebrannt haben. Doch der Pressesprecher Jörg Kottmeier hält sich kurz: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu laufenden Verfahren nicht äußern.“

Die Heckscheibe ist beim Unfall zu Bruch gegangen.
Die Heckscheibe ist beim Unfall zu Bruch gegangen. Normalerweise deckt Snbol sie mit einer Plane ab. © Tewe Schefer

Nur allgemeine Statements

Nur allgemeine Aussagen will er tätigen: „Eine mögliche Ursache für einen Fahrzeugbrand kann ein undichter AGR-Kühler sein. Jedoch führt ein undichter AGR-Kühler nicht zwingend zu lokalen Verschmorungen an der Sauganlage und nur in sehr seltenen Fällen zu einem Fahrzeugbrand.“ Auf das TÜV-Gutachten geht er nicht ein. Grundsätzlich seien Fahrzeugbrände sehr selten und die Ursachen könnten vielfältig sein.

Gerichtsverfahren im Januar

Wassim Snbol sieht sich gezwungen, noch einen Schritt weiterzugehen und verklagt BMW. Ein Sprecher des Landgerichts Bochum bestätigte auf unsere Anfrage hin, dass das Verfahren am Landgericht im Januar beginnen werde. Egal, wie das Verfahren ausgeht – eins steht für den Castrop-Rauxeler fest: „Nie wieder BMW.“

In diesem Video erzählt Wassim Snbol von seinem Unfall und seiner Klage gegen BMW.