Es ist laut. Auf der Wiese links des Hofparkplatzes schnattern und watscheln schneeweiß gefiederte Gänse. Sie sind neugierig, kommen zum Zaun, recken ihre Hälse und spreizen ihre Flügel.
Knapp einen Monat dürfen die rund 500 Gänse noch auf dem Hof von Ulrich und Ulrike Dingebauer an der Deininghauser Straße in Castrop-Rauxel rumlaufen, fresse, schnattern, planschen. Dann sind die Tiere mindestens 22 Wochen alt. Im Vergleich zu einer polnischen Mastgans sei das ein langes Leben und ein artgerechtes. „Die werden nach acht bis zehn Wochen geschlachtet“, sagt Ulrich Dingebauer.
„Die Nutztiere, die wir halten, werden geboren und die sterben für uns. Dazwischen sollen sie ein gutes Leben haben“, sagt Ulrich Dingebauer, der Gründungsmitglied von Neuland ist. Ende der 1980er-Jahre haben er und andere Landwirte mit Tierhaltung sich zusammengetan, um ihre Vision von tiergerechter Haltung umzusetzen. Heute gilt Neuland-Fleisch als Qualitätsfleisch, das nach hohen Standards produziert wird.
Das Leben einer Gans beginnt nicht auf dem Hof Dingebauer. Erst mit gut vier bis sechs Wochen kommen die Gänse bei dem Landwirt an. „Dann sind die aus dem Gröbsten raus“, so der 62-Jährige.
Um das Ausbrüten und Aufziehen kümmert sich ein Betrieb aus dem Münsterland. Ende Mai, Anfang Juni werden die Tiere dann nach Castrop-Rauxel gebracht.

Anfangs verfüttert der Landwirt Geflügelmastfutter, das frei von Soja ist. Sobald die Gänse die Tonne Futter verdrückt haben, bekommt das Geflügel Triticale, eine Kreuzung aus Roggen und Weizen. „Ich habe es auch mit Hafer versucht, aber das mögen die nicht so gerne.“
Die Gänse können den ganzen Tag auf einer großen Wiese laufen. Abends kommen sie in einen Stall. Dort sind sie am Morgen noch, als Ulrich Dingebauer über die Straße fährt, um gegenüber seines Hofes in die große Scheune zu gehen. Seit 2019 hat er dort eine dritte Gruppe von Gänsen nachts untergebracht. Außerdem parken dort unterschiedliche Landwirtschaftsmaschinen und Streu.
Das AKW-Unglück als Auslöser

Ulrich Dingebauer öffnet das Tor zur Weide. Aufgeregt laufen die Tiere nach draußen. Baden sich im Wasser. „Die werden langsam geschlechtsreif“, sagt der Landwirt angesichts des wuseligen und aufgeregten Geschnatters.
Als er mit den Gänsen angefangen hat, da hatte er teilweise das Problem, dass die Tiere im Oktober, November schon Eier legten. „Dann nehmen die ab. Die weiblichen Gänse sind dann nur mit Eierlegen beschäftigt und die Männchen nur mit Treten.“
Die ersten 50 Gänse holte sich der heute 62-Jährige im Mai 1986. Der Reaktorunfall in Tschernobyl war der Auslöser. „Damals warnte man vor Gänsen aus Polen wegen der Strahlung.“ Das AKW-Unglück ist längst Geschichte, aber die Gänse in Deininghausen wurden mehr und mehr.
Am 23. Dezember ist Abholtag auf dem Hof Dingebauer. Dann sind alle 500 Gänse geschlachtet und liegen oder hängen im Kühlhaus bereit. Im Zwei-Minuten-Takt können die Kunden den Festtagsbraten dann abholen. Ein Teil geht in Restaurants, dem Parkbad Süd zum Beispiel, hundert Stück werden über die Neuland Vertriebs GmbH vermarktet.
Doch davor steht ein schwerer Gang an für Ulrich Dingebauer und die Gänse: die Schlachtung. Schön sei das nicht, aber es gehöre dazu. Morgens packt der Landwirt die Tiere zu zweit oder dritt in eine der Boxen. Dann fährt er die Tiere nach Waldstede im Kreis Warendorf. Dort lässt er die Gänse schlachten, ein Familienbetrieb, wie er sagt.

Ulrich Dingebauer beschreibt die Schlachtung so: Die Gänse werden kopfüber durch ein Wasserbad geschleust, das unter Strom steht. „Die Tiere sind dann betäubt“. Dann wird ihnen der Kopf abgeschlagen und sie bluten aus. Anschließend werden die Tiere vorgebrüht, von Hand gerupft und ausgenommen. Die Daunen bleiben beim Betrieb. Sie werden für warme Kleidung und Bettwäsche oder Kissen-Füllungen verwendet. „Ich bin von Anfang bis Ende dabei“, sagt Ulrich Dingebauer. Er habe zwar Vertrauen zu dem Betrieb, wo er schon gut 25 Jahre seine Tiere schlachten lässt, aber dennoch.
Die fertigen Weihnachtsgänse nimmt er dann wieder mit zurück. Dieses Jahr verkauft er sie für 16,90 Euro je Kilo. Erhöht habe er die Preise im Vergleich zum vergangenen Jahr nicht. „Ich konnte im Vorjahr noch Dünger kaufen. Das Futter, das ich produziert habe, war also noch nicht teurer für mich“, erklärt der Landwirt die Preisgestaltung. Er sagt aber auch, dass die Schlachtung bereits teurer geworden sei.
Übrigens, bei den Dingebauers gibt es zu Weihnachten keinen Festtagsbraten. „Ich kann Gans nicht mehr sehen“, sagt der 62-Jährige und lacht. Bei der Familie gibt es traditionell Fondue mit Rind, Schwein, Hähnchen und manchmal Wildschwein.
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Je nach Größe der Gans ein Kilo Gehacktes, ein bis zwei eingeweichte Brötchen, optional ein bis zwei Eier, zwei bis drei sehr fein geschnittene Schalotten vermengen und mit Beifuß, Majoran, Salz und Pfeffer abschmecken.
Die Gans mit dem Gehackten füllen und dann auf der Brustseite auf ein tiefes Backblech, das mit etwa einer Tasse Wasser gefüllt ist, legen. Bei 110 bis 120 Grad Umluft die Gans 30 bis 40 Minuten im Backofen vorgaren.
Dann die Gans umdrehen und unter fortwährendem Begießen mit dem austretendem Fett bei gleicher Temperatur garen.

Christa Eickenscheidt ist Inhaberin des Restaurants Wetterkamp in Castrop-Rauxel. Als günstige Alternative zur Gans empfiehlt sie einen saftigen Schweinerückenbraten. Für zehn bis zwölf Personen braucht man drei Kilo Schweinelachse oder Kotelette ohne Knochen. Das Fleisch mit Salz, Pfeffer und Rosmarin einreiben und auf eine Fettpfanne mit 200 ml Wasser legen und im Backofen circa zwei Stunden bei 150 Grad Umluft garen.
In der Zwischenzeit zwei bis drei Zwiebeln schälen und halbieren. Eine Hälfte mit drei Gewürznelken und zwei Lorbeerblättern spicken. 200 Gramm Möhren grob zerkleinern. Nach einer halben Stunden kommen die Zutaten mit zu dem Braten.
Zwei Brühwürfel in einem Liter Wasser auflösen und nach und nach den Braten damit begießen.
Nach anderthalb Stunden den Backofen auf 175 Grad stellen. Nach dem Garen den Ofen ausschalten und das Fleisch eine Viertelstunde zugedeckt ziehen lassen.
Für die Sauce: Den Fond durchsieben. Fünf Esslöffel Schlagsahne dazugeben. Mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken und mit fünf Esslöffeln Saucenbinder abbinden und aufkochen lassen.
Als Empfehlung dazu: Petersilienkartoffeln und Leipziger Allerlei.
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