WM 2006 in Deutschland: Sommermärchen, unerwartet wird die DFB-Elf Dritter. Sie erinnern sich noch gut daran? Ich nicht. Ich war ein Jahr alt. Ich hab von dem ganzen Trubel, der Euphorie in diesem Land, dem Zusammenhalt durch den Fußball, der von Spiel zu Spiel, von Sieg zu Sieg gewachsen ist, nichts mitbekommen. Ich kenne Weltmeisterschaften in Katar, in Russland – und natürlich auch 2014 in Brasilien. Ich war 9 Jahre alt, als Deutschland Weltmeister wurde. Dann folgte die EM in Frankreich und zuletzt ein Turnier in zehn verschiedenen Ländern.
Ich kenne es also nicht, solch ein Großereignis im eigenen Land, direkt vor der Haustür zu haben. Genau deswegen habe ich mich als Volunteer, also Freiwilliger bei der UEFA gemeldet. Ich bin einer von 1600 ehrenamtlichen Mitarbeitern in Gelsenkirchen. Geld verdiene ich nicht bei diesem Job. Bereut habe ich ihn bislang noch keine Sekunde. Und ich bin nicht erst seit gestern dabei. Schon seit Mitte Mai sorge ich für einen reibungslosen Ablauf. Was ich genau mache? Warum ich das alles ehrenamtlich mache? Ich fange einfach mal von vorne an.

Am Freitag (14. Juni) startet die Fußball-Europameisterschaft bei uns in Deutschland. Und zwei der zehn Spielorte sind direkt hier im Ruhrgebiet – Dortmund und Gelsenkirchen. Insgesamt werden 6 Spiele im eigentlich schwarz-gelben und 4 Spiele blau-weißen Revier ausgetragen. In Dortmund geht es am Samstag im „BVB-Stadion“ – so heißt das Westfalenstadion bzw. der Signal-Iduna-Park während des Turniers – mit Italien gegen Albanien los. Am Sonntag trifft in Gelsenkirchen in der Arena Auf Schalke die serbische auf die englische Nationalmannschaft. Schalke-Fans müssen sich in Sachen Stadionname nicht so sehr umgewöhnen. So hieß die „Veltins-Arena“ schließlich früher schon.
Zu so einem großen Turnier gehört jede Menge Planung und Vorbereitung, damit alles reibungslos funktioniert. Und hier komme ich ins Spiel: 2023 hat die UEFA sich auf die Suche nach den Volunteers gemacht, die ehrenamtlich in verschiedenen Bereichen in allen Austragungsorten arbeiten.

Mein Weg zum Volunteering
Ich bin 19 Jahre alt und als Volunteer in Gelsenkirchen im Bereich Akkreditierung dabei. Dafür habe ich mich im Juni 2023 beworben und wurde schon im August zu einem Online-Interview eingeladen.
Abgesehen von meinem Einsatz im Akkreditierungs-Center konnte man sich für viele andere Bereiche bewerben. Darunter zum Beispiel als Helfer im IT-Bereich oder als Mitwirkender bei den Zeremonien vor den Spielen.
Kurz gesagt: Ich überprüfe schon seit Mai, wer auf das Gelände, wer in die Arena darf, um dort zu arbeiten. Bei mir müssen sich die jeweiligen Mitarbeiter wie Reinigungskräfte, Techniker und auch andere Volunteers anmelden und ihre Berechtigung vorzeigen. Erst dann lasse ich sie auf das Gelände.
Start im Akkreditierungs-Center
Im Januar habe ich dann die Nachricht bekommen, dass ich als einer von 16.000 Volunteers ausgewählt wurde. Nach dem langen Warten war ich sehr erleichtert, dass es sich die Bewerbung gelohnt hat. 146.000 Menschen haben sich mit mir beworben. Im Mai, also schon weit vor dem Turnier-Auftakt am Wochenende, hat dann die „Kick-Off-Veranstaltung“ in der Arena auf Schalke stattgefunden. Dort wurden die 1600 Volunteers für die Stadt Gelsenkirchen freundlich empfangen und uns wurde vorgestellt, was in den nächsten Wochen auf uns zukommt.
Je näher der Anstoß für die Auftaktpartie Serbien gegen England am 16. Juni rückt, desto mehr Menschen kommen, desto mehr Arbeit wartet auf mich. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, jeden einzelnen Tag verändert sich das Umfeld der Arena und das Stadion selbst. Immer mehr nimmt es seine EM-Gestalt an und legt das heimische Gewand der Schalker Knappen ab. Dazu werden alle Schriftzüge und Logos des FC Schalke 04 auf dem Gelände mit „UEFA EURO2024“- und „Gelsenkirchen“-Motiven überklebt. Alle Hinweise auf Schalke oder Hauptsponsor Veltins verschwinden. Eine kuriose Arbeit – oder? Viele Schalke-Fans werden sich bei den TV-Übertragungen oder beim Spiel-Besuch wundern, ich durfte den „Umbau“ direkt vor Ort erleben.
Warum Volunteering?
Für mich ist es das erste Mal als Volunteer bei einer Großveranstaltung. Rund 25 Tage lang arbeite ich hier als ehrenamtlicher Helfer – Geld verdiene ich bei diesem Job wie gesagt nicht.
Bisher habe ich nicht gewusst, dass für solche Events immer wieder Freiwillige gesucht werden. Damit bin ich aber wahrscheinlich nicht der einzige. Unter den Helfern gibt es zwar viele, die schon bei zahlreichen Events eingesetzt wurden und dafür zum Teil durch ganz Deutschland reisen. Aber 30 Prozent der Volunteers in Gelsenkirchen machen zum ersten Mal mit.
Die jüngsten Helfer sind 18 Jahre alt. Das ist das Mindestalter für die Arbeit vor Ort bei dieser EM. In Gelsenkirchen sind die ältesten 81 Jahre alt. Das Durchschnittsalter liegt bei 39 Jahren. Und mit 49 verschiedenen Nationalitäten ist die Gruppe insgesamt eine bunte Mischung.

Es ist spannend, mit so vielen verschiedenen Menschen in Kontakt zu treten – und das quasi vor der eigenen Haustür. Das ist auch der Grund, warum ich mich beworben habe. Mit 19 Jahren, knapp ein Jahr nach meinem Abi, ist es für mich an der Zeit, Erfahrungen zu sammeln. Für diese wichtigen Erfahrungen und den Austausch mit verschiedenen Kulturen muss ich nicht weit reisen – sie sind in Form dieses Turniers zu mir gekommen.
Natürlich war ich auch gespannt, wie die Arbeit hinter den Kulissen bei so einem riesigen Event aussieht. Und wer weiß, wann das nächste Mal die EM oder WM in Deutschland ausgetragen wird. Aber jetzt soll der Ball erst einmal rollen. Die Spannung steigt vor Ort, aber auch bei mir. Wie wird es wohl erst, wenn die ersten Fans kommen? Ich halte euch auf dem Laufenden...
Roman Lachowicz (19) aus Marl ist Freier Mitarbeiter bei den Ruhr Nachrichten und dem Medienhaus Bauer.