Schmetterlinge finden sich im Leben der Trauerbegleiterin Martina Hosse-Dolega (54) immer wieder. Kinder schenken ihr Girlanden mit Schmetterlingen. Ihr Mann Marcin Dolega hat zwei Schmetterlingsflügel als Logo für sein Personal-Trainingsangebot gewählt. Sie selbst hat einen riesigen Schmetterling an die Wand im Eingangsbereich des gemeinsamen Studios am Münsterplatz gepinselt.
Der Schmetterling steht für Verwandlung. Er hat mehrere Leben: das als Raupe und das als wunderschöner Falter. Um dorthin zu gelangen, verpuppt er sich in einem Kokon. So weit die Biologie.
Dass Martina Hosse-Dolega den Schmetterling gewählt hat, ist kein Zufall. Er ist ein Sinnbild für das, was sie mit und für ihre Klienten erreichen will – und was sie selbst schon durchlebt hat. Und dann gibt es noch die Bezeichnung Schmetterlingskind, ein Synonym für den geläufigeren Begriff Sternenkind. Kinder also, die kurz nach, während oder vor der Geburt gestorben sind.
Die 54-Jährige hilft Familien und Kindern durch Phasen des Abschiedsnehmens und der Trauer. Sie begleitet Familien im Hospiz, im Krankenhaus, zu Hause und in ihrem Studio. Sie ermöglicht, dass Familien schöne Erinnerungen sammeln, oft zum letzten Mal, bevor Mama oder Papa sterben. Dafür geht sie mit ihnen zum Beispiel zu Daniels kleiner Farm, dem Alpaka-Hof in Castrop-Rauxel.
„An so einem Tag mache ich gut 2000 Fotos“, sagt die 54-Jährige. Aus den Bildern fertigt sie Collagen und Videos an. Die Erinnerungsstücke sind wichtig, vor allem für später. Für die Zeit danach. Dann, wenn alles anders ist. Wenn der geliebte Mensch nicht mehr lebt.
Der Lebensplan war ein anderer
Auf den Bildern sieht man lachende Gesichter. Die Kinder und Eltern genießen die Zeit. Die Familien-Trauerbegleiterin ist an solchen Tagen dabei, um Eltern, Kindern und anderen Verwandten zu helfen, mit der Situation zu leben.
Die 54-Jährige hat sich für diese Aufgabe nicht nur vielfältig weitergebildet, sie weiß vor allem selbst, was es heißt zu trauern, einen Menschen zu verlieren.
Sie selbst war 25 Jahre alt, als ihre Zwillinge Nico und Robin starben. Sie wurden beide nur wenige Tage alt. „Man fühlt sich wie auf eine andere Spur gesetzt“, sagt Martina Hosse-Dolega im Gespräch. „Unser Lebensplan war ein anderer. Es sterben nicht nur Kinder, sondern auch die Wünsche, Träume und Sehnsüchte.“
Die Rauxelerin wurde noch mal schwanger. Wieder ein Junge – Joshua. Doch auch er wurde nur wenige Tage alt. „Die Welt kommt in dem Moment zum Stillstand“, erzählt Martina Hosse-Dolega.
Ihre Söhne starben in den Armen ihres Vaters, schreibt sie in einem Erfahrungsbericht. „Seit diesen Momenten gibt es ein Leben davor und ein Leben danach. Der Tod eines Kindes vor dem Tod seiner Eltern fühlt sich so falsch an.“
Die gelernte Friseurin brauchte lange, um diesen „tiefen Einschnitt“ in ihrem Leben zu verarbeiten. Dass sie heute anderen Menschen durch die Phasen der Trauer hilft und den betroffenen Familien Halt bietet, bevor der geliebte Mensch stirbt, begreift die 54-Jährige als „das Herzensvermächtnis“ ihrer Kinder.
Von ihrem Sohn Joshua hat sie einen Fußabdruck auf einem Stern. Es gibt Fotos von den Kindern. Diese Erinnerungsstücke zeigen, dass es sie gegeben hat. Diese Kinder, die nur wenige Tage alt wurden.
Es gibt Fotografen, die sich auf Familienporträts mit Sternenkindern spezialisiert haben. „Für die Eltern ist das manchmal das Einzige, was von dem Kind bleibt.“
Die Trauerbegleiterin weiß um den Wert solcher Fotos. Sie erklärt das so: „Menschen haben Erinnerungen an jemanden, der schon lange auf der Welt war.“ Die Erinnerung an Kinder, die sehr früh gestorben sind, fehlen dagegen. Die Menschen erinnern sich vielleicht an den wachsenden Bauch der Mutter, aber das Baby selbst haben sie vielleicht nie gesehen.

Auch für ältere Geschwisterkinder ist es schwer zu begreifen, dass die Mutter mit dickem Bauch ins Krankenhaus geht und ohne Schwesterchen und Brüderchen zurückkommt.
Die Kinder dann in die Phase der Trauer und des Abschiednehmens einzubinden, sei wichtig. Basteln für das Geschwisterchen sei eine Möglichkeit. „Das ist unfassbar wichtig, eine Ausdrucksmöglichkeit zu finden, weil man es sonst nicht begreifen kann.“ Dazu gehört auch, die Kinder an der Beerdigung teilnehmen zu lassen.
Warum man mit Kindern über das Sterben sprechen sollte, erfahren Sie unter rn.de/castrop
Jedes Bundesland regelt anders, wie Kinder bestattet werden können, die während der Schwangerschaft, bei oder kurz nach der Geburt sterben. Rein juristisch betrachtet ist entscheidend, wann das Kind gestorben ist und wie alt es war. Kinder, die unter 500 Gramm und vor der 24. Schwangerschaftswoche sterben, werden als „fehlgeboren“ bezeichnet. In NRW gilt in solchen Fällen eine Bestattungspflicht.
Das EvK und das Rochus-Krankenhaus organisieren solche Beerdigungen gemeinsam. Am 28. Oktober (Freitag) findet auf dem katholischen Friedhof an der Wittener Straße um 15.30 Uhr die ökumenische Bestattungsfeier für in der Schwangerschaft verstorbene Kinder statt. Die Abschiedsfeier beginnt in der Trauerhalle. Danach geht es gemeinsam zum Grabfeld, wo die Kinder beigesetzt werden.