Einer der neuen Spieler konnte kaum allein laufen und hatte eine Art Bewegungsblockade als er ankam, erzählt Michael Horn. Die Parkinson-Krankheit beeinträchtigt die Muskelfunktion und somit die Bewegungen. „Ich habe ihn bis zu einer Bank in der Halle geführt und mich gefragt, was ich mit ihm anfangen soll. Aber als er dann am Tisch stand, habe ich meinen Augen nicht getraut“, sagt Horn und grinst. „Der spielt Ballwechsel vom Allerfeinsten. Sogar längere Ballwechsel mit zehn, zwölf Schlägen.“ Früher sei der Gruppenneuling ein erfolgreicher Tennisspieler gewesen. Ballgefühl und Bewegungsabläufe stecken in ihm, trotz Parkinson.
Horn, der selbst Betroffener ist, kennt das Phänomen in anderer Form von sich selbst. Normalerweise ist die rechte Körperhälfte des 62-Jährigen versteift, insbesondere der Arm und die Hand. „Es ist schwer zu erklären. Ohne Ball könnte ich die Bewegungen gar nicht so leicht nachmachen. Aber im Spiel ist es wie ein Reflex.“ Sein Ergotherapeut hat schon nach wenigen Wochen eine Veränderung bemerkt. „Der knetet immer an meiner Hand herum und hat festgestellt, dass sie lockerer geworden ist.“ Inzwischen gehören sieben Spieler zu der Gruppe, die er im September gegründet hat.
Krankheit rückt in den Hintergrund
Tischtennis entfacht Ehrgeiz – daran ändert auch eine Parkinson-Krankheit nichts. „Man merkt, die brennen regelrecht dafür“, sagt Michael Horn. „Im Spiel versucht man natürlich immer noch, irgendwie an den Ball zu kommen.“ Dabei sei vor einigen Wochen ein besonders ehrgeiziges Gruppenmitglied ins Straucheln geraten und hingefallen. Schließlich funktionieren ungewohnte Bewegungsabläufe nicht immer reibungslos. Die Uhr des Spielers habe sofort einen Notruf gesendet, doch zum Glück war nichts Schlimmeres passiert. „Manchmal versuche ich, die Leute ein bisschen zu bremsen. Man hat ja schon Verantwortung“, sagt Horn. Aber auch diese Situation zeigt ihm, wie wichtig der Sport vielen Teilnehmern ist.
In der Halle des Post SV Castrop-Rauxel begegnen sich am Tisch Menschen mit und ohne die neurogenerative Krankheit. „Letztens habe ich beobachtet, wie ein hochklassiger Spieler mit einer Engelsgeduld ein Systemtraining mit einem unserer Teilnehmer gespielt hat. Eine ganze Stunde lang.“ Dabei hilft es, wenn man viele Bälle in der Tasche oder in einem Korb hat, um sie nicht nach jedem Ballwechsel einsammeln zu müssen. Beim Einsammeln hilft dann ein spezieller Korb der das Bücken überflüssig macht.

Training und Selbsthilfe zugleich
Der Sport funktioniert als Eisbrecher zwischen Betroffenen. Sie können über die Krankheit sprechen, müssen es aber nicht. „Bei den ersten Treffen wurde viel gespielt und man hat sich beschnuppert. Mittlerweile sehe ich oft, wie nach wenigen Minuten die Schläger beiseite gelegt werden. In den Gesprächen geht es zum Beispiel um Ärzte, Medikamente oder Reha.“ Im Alltag falle es längst nicht jedem leicht, über Parkinson zu sprechen – die Gruppe biete dafür einen lockeren Rahmen. „Eine Selbsthilfegruppe in Bewegung“ nennt es Heinz-Günter Hiller. Der Geschäftsführer des Post SV Castrop-Rauxel ermöglicht der Gruppe gern, die Tische, Banden, Netze und Bälle des Vereins zu nutzen.
Durch eine Reportage über den Verein PingPongParkinson ist Michael Horn auf die Idee gekommen. Schon in der Jugend und als junger Erwachsener hat er beim Post SV gespielt – meistens in der Kreisliga oder Bezirksklasse. „Mit 31 oder 32 Jahren habe ich den Schläger an den Nagel gehängt.“ Als er die Reportage über ein Turnier unter Spielern mit Parkinson anschaute, dachte er sich: „Das kannst du auch!“ Nach rund dreißig Jahren Pause nahm er wieder den Schläger zur Hand.
Eine Gruppe zu gründen, sei die richtige Entscheidung gewesen. „Ich mache es total gerne, es tut mir richtig gut und das Angebot wird schon super angenommen.“ Um mitzumachen, betont Heinz-Günter Hiller, brauchen Interessierte keine Vorkenntnisse. Es genügt, einfach mal vorbeizukommen. Die Gruppe trainiert dienstags und donnerstags von 18 bis 20 Uhr in der Halle der Elisabethschule, Elisabethstraße 1. Infos gibt es unter 0170/9822834 oder per Mail an michael.horn@pingpongparkinson.de.

Gruppen in ganz Deutschland
Michael Horn ist nicht der Erste, der auf die Idee „Tischtennis gegen Parkinson“ gekommen ist. „Viele internationale Studien haben gezeigt, dass Tischtennis helfen kann“, sagt Horn. Seine Gruppe ist ein „Stützpunkt“ des Vereins PingPongParkinson, der 2017 in den USA gegründet und inzwischen weit verbreitet in Deutschland ist. „Praktisch jede Woche bekomme ich eine Benachrichtigung, dass irgendwo eine neue Gruppe eröffnet wurde.“
Gegründet wurde PingPongParkinson laut der Vereinswebsite von dem Musiker Nenad Bach. „Der war wohl zwischendurch ziemlich niedergeschlagen“, sagt Horn. Die Geschichte besagt, dass der Musiker durch das Tischtennis spielen motorisch wieder so fitter wurde. Das ermöglichte ihm, wieder Gitarre zu spielen. Über internationale Verbindungen des Musikers sei die Bewegung nach Deutschland geschwappt, wo der Verein 2020 in Nordhorn gegründet wurde. Er wird überwiegend von Ehrenamtlern organisiert, die Michael Horn durch Fortbildungen und Infomaterial auf seine Aufgaben als Stützpunktleiter vorbeireitet haben. 2023 hat der Verein die Parkinson-German-Open ausgerichtet – ein Turnier mit 200 Teilnehmern aus 15 Ländern. Der wohl berühmteste Teilnehmer war der TV-Moderator Frank Elstner.
Hier finden Sie einen Artikel über die PPP-Gruppe in Epe