Aus Thomas Knappe wurde der Palmenmann: „Eigentlich war das bloß 'ne Schnapsidee.“ Das ist wirklich wörtlich zu nehmen, denn: Als dem 52-Jährigen die Idee kam, Pflanzen über das Internet zu vertreiben, kam er gerade aus der Absinth-Bar in Bochum – und hatte ziemlich viel getrunken. Der Dortmunder lacht, als er von diesem Schlüsselmoment erzählt und sich zurückerinnert.
Fast 20 Jahre ist der jetzt her. Und irgendwie war er die Geburtsstunde des „Palmenmannes“. Wenngleich sowohl der Name als auch der große und über Deutschland hinaus bekannte Online-Pflanzenshop – der kürzlich Insolvenz angemeldet hat – erst etwas später kamen.
Start bei Ebay
„Angefangen habe ich als ‚kleiner Gärtner‘ bei Ebay“, erzählt der gelernte Maurer. „Um mir mein eigenes Hobby, eben Pflanzen, zu finanzieren, habe ich Stecklinge gezogen und sie dann weiterverkauft.“ Und das habe gut funktioniert. So gut, dass er schon nach einem Jahr die ersten mediterranen Gewächse aus Spanien importierte. Und schließlich dem Online-Marktplatz den Rücken kehrte und seinen eigenen Shop 2004 eröffnete. Mit Sitz und Gewächshäusern an der Merklinder Straße in Castrop-Rauxel.

Wieso er diesen Palmenmann nannte? Auch dazu hat Thomas eine Anekdote: „Der Türsteher eines Clubs auf dem ehemaligen Thier-Brauerei-Gelände in Dortmund, der konnte sich meinen Namen einfach nicht merken, egal wie oft ich da auf der Liste stand. Der kannte aber mein Hobby und hat mich einfach immer nur den Palmenmann genannt. Das hab ich dann beibehalten.“
Gutes Gefühl für Pflanzen
Insgesamt knapp 430.000 Kundinnen und Kunden, über 53.000 Follower auf Facebook und über 17.000 auf Instagram: Thomas traf den richtigen Nerv mit seinem Palmenmann. Auch, weil er immer ein gutes Gefühl dafür hatte, welche Pflanzen er anbieten sollte.
„Mit Raritäten waren wir tatsächlich immer relativ schnell dabei. So 'ne Monstera Variegata (das ist ein Fensterblatt mit weißer Maserung, Anm. d. Red.) zum Beispiel, die ja immer noch im Trend ist, die kannste bei uns schon ewig kaufen.“ Früher aber, so erzählt er, da hätten die Leute sich gewundert über die weißen Flecken. „Die war echt mal ein Ladenhüter.“ Zu Hochzeiten, da wurde ein Ableger gerne mal für mehrere Hundert Euro angeboten.
Der Palmenmann profitierte
Das war während Corona. Auch der Palmenmann profitierte, anders als viele andere Betriebe, von der Pandemie. „Wir haben in der Coronazeit sechs Millionen Euro Umsatz pro Jahr gemacht“, sagt Thomas nicht ohne Stolz.
Entsprechend wuchs sein Betrieb, hatte in der Höhe 64 festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, lieferte bis zu 1000 Pakete täglich aus. „Und auch hier in Merklinde haben uns die Leute die Bude eingerannt.“
„Schlange bis zum Tennisplatz“
Letzteres brachte die ersten Probleme mit sich. Weil es gerade an den Samstagen so voll war, wurden sogar umliegende Parkplätze in dem landwirtschaftlichen Außenbereich zugeparkt. „An manchen Tagen ging die Warteschlange bis unten zum Tennisplatz.“ Nachbarn beschwerten sich in der Folge immer häufiger. Thomas fand, wie so oft zuvor und auch später, eine Lösung, schränkte sowohl die Öffnungszeiten ein als auch die Betriebszeiten, während der Laster auf dem Gelände ein- und ausfahren durften.

Doch dann kamen auch noch Energiekrise und Inflation. Die Betriebskosten beim Palmenmann stiegen, die Umsätze gingen zurück, „weil die Leute da einfach vorsichtiger geworden sind und mehr gucken mussten, wofür sie ihr Geld ausgeben“. Das Geschäftsjahr 2022 schloss Thomas erstmal mit einem Minus ab.
„Mental kaputt gemacht“
„Das hätte ich noch schlucken können“, ist er überzeugt. Doch 2023 kam und damit neue und weitere Probleme: Lieferanten, die verabredete Sendungen platzen ließen. Der Online-Bezahldienst-Anbieter PayPal, der mehrfach und über längere Zeit Gelder in sechsstelliger Höhe einbehielt und nicht auszahlte. Beides führte zu Verzögerungen. Die Mitarbeiter im Kundenservice kamen nicht mehr hinterher, konnten den unzähligen Anfragen nicht mehr gerecht werden. Die Kundinnen und Kunden wurden unzufriedener und reagierten: Erst stornierten sie, dann schrieben sie schlechte Bewertungen.
Bezogen auf letzteres sitzt die Enttäuschung bei Thomas immer noch tief. „Diese negativen Bewertungen, die haben mich mental wirklich kaputt gemacht“, sagt er. Der Stress in den vergangenen zwei Jahren hat Spuren hinterlassen bei dem Zweifach-Vater: Er klagt über Schmerzen in der Brust, Rauschen in den Ohren, muss neuerdings Tabletten nehmen.
„Am Ende einfach zu groß“
„Das ist es nicht wert“, befindet er schon Anfang dieses Jahres. „Ich will doch nicht kaputtgehen an etwas, das einst mein Hobby war und immer noch meine Leidenschaft ist.“ Im Januar informiert Thomas sich auf Anraten seines Anwalts über Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. „Doch dafür war es da schon zu spät.“ So stellt er im August schließlich einen Antrag auf Eröffnung eines regulären Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Bochum. Das startet zum 1. November.
„Es war dann am Ende auch einfach zu groß für mich alleine“, sagt Thomas heute. „Vielleicht habe ich am Ende auch einfach zu viel Bürokram ausgelagert. Den falschen Leuten zu viel zugetraut. Vielleicht fehlte mir in gewissen Bereichen auch einfach das Know-how, um diesen Betrieb zu führen.“
Doch an die Idee hinter dem Palmenmann glaubt der Dortmunder weiterhin. Er will weitermachen, sucht nach einem Investor oder Partner, der für seine Idee, den „Palmenmann 2.0“ oder „Palmenmann Light“ brennt. „Meine Geschichte war ja sogar so bekloppt, dass zwei Leute 2014 das Buch ‚Palmen in Castrop-Rauxel‘ darüber geschrieben haben“, sagt er. Und da kehrt auch das Lächeln wieder zurück in sein Gesicht.
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