Am 13. April um 15 Uhr feiert das neue Kinder- und Jugendstück „Kapitän Nemo – 20.000 Meilen unter dem Meer“ für alle ab zehn Jahren Premiere im WLT-Studio. Regisseurin Karin Eppler und Ausstatter Philipp Kiefer verraten im Interview mit dem WLT erste Details zur Inszenierung, in deren Zentrum ein U-Boot steht.
Frau Eppler, Sie beschäftigten sich schon lange mit Kapitän Nemo. Was macht den Stoff von 1870 noch heute so interessant?
Karin Eppler: Vordergründig ist es erst einmal eine tolle Abenteuergeschichte, und Abenteuergeschichten funktionieren in jedem Zeitalter. Das ist aber nur die Eintrittskarte. In „Kapitän Nemo“ werden große Menschheitsfragen behandelt: Wir merken, dass unsere Welt immer weiter auseinanderdriftet, dass wir unterschiedliche Meinungen haben. Manchmal muss man es aushalten, dass man ein Thema nicht mit Like-Daumen nach oben oder Dislike-Daumen nach unten abschließen kann. Es gibt Dinge, die unvereinbar sind. Das ist eigentlich Stoff großer Tragödien. Bei Kapitän Nemo tauchen wir in eine Welt der Zweischneidigkeit ein: Unter dem Meer ist es wunderschön. Aber letztendlich ist das Meer eine Naturgewalt und lebensgefährlich. Diese Unvereinbarkeit lernen wir auch bei Kapitän Nemo kennen. Er selbst ist ein Mensch, man könnte ihn genial nennen, weil er Erfindungen gemacht hat, die möglicherweise auch den Planeten oberhalb des Meeres retten könnten. Aber auf der anderen Seite ist er ein Despot. Kapitän Nemo bestimmt: Wer an Bord der Nautilus darf, wer lebt und wer stirbt. Und es gibt die Technologie, ob man nun an Energiegewinnung denkt oder ein bisschen weiter an künstliche Intelligenz. Alle tollen technischen Neuerungen haben bisher immer eine andere Seite, die düster ist. Jeder technische Fortschritt in falschen Händen kann zerstörerisch sein.

Sie haben die Stückversion selbst geschrieben? Was war Ihnen wichtig am Original?
Karin Eppler: Mich begleitet der Stoff bereits seit über zehn Jahren. Den Erstkontakt hatte ich als Kind mit der Disney-Verfilmung von 1954, die ich sehr mochte. Im Erwachsenenalter habe ich es dann mal gelesen. Wenn man etwas dramatisiert, muss man seinen eigenen Weg durch dieses Buch finden und fragen: Was möchte ich erzählen? Und für mich war es spannend, die Geschichte für das Kinder- und Jugendtheater mit etwas verändertem Personal zu erzählen. Die Besucher des U-Boots sind bei uns Nadine und Pierre, zwei 13-jährige hochbegabte Heranwachsende, die mit Kapitän Nemo auf Augenhöhe diskutieren und auf hohem Niveau ein tolles Gespräch miteinander führen können. Doch wir werden einen Kapitän Nemo erleben, so wie wir ihn aus der klassischen Literatur kennen. Diese Figur ist auch im Original von Jules Verne toll geschrieben. Kapitän Nemo hat eine sprunghafte Persönlichkeit und Genies sind immer ein bisschen in Anführungszeichen durchgeknallt.
Sie haben schon viele Produktionen am WLT inszeniert. Doch jede Regiearbeit ist einzigartig. Was war bei Nemo die besondere Herausforderung bzw. was macht die Produktion für Sie besonders?
Karin Eppler: Philipp Kiefer und ich bringen immer ein „Reisegepäck“ für eine Inszenierung mit. Was es diesmal für mich aber ganz besonders macht, ist, dass wir eine Erweiterung zum Schauspiel dabeihaben: ein Schattenspiel. Wir haben dieses Element gemeinsam mit dem Ensemble erarbeitet, was uns die Welt der Tiefsee ein bisschen näherbringt. Denn ganz ehrlich: Die BBC hat so tolle Filme aus der Tiefsee gemacht. Wie wollen wir da am Theater gegen Bilder in 8K anstinken? Und was ist besser als die BBC: die Fantasie!

Herr Kiefer, der Hauptort der Produktion ist ein U-Boot. Welche typischen Merkmale eines U-Boots haben Sie verwendet? Haben Sie ein echtes U-Boot als Vorbild genommen?
Philipp Kiefer: Also der Wunsch war es natürlich, dass ich ein 50-Tonnen-U-Boot auf die Bühne stellen kann. Dass es nicht so sein wird, war mir natürlich auch klar. Aber ich bin erstmal von einem U-Boot ausgegangen, so wie es ist. Ich wollte eigentlich eins anschauen. Leider war die Abteilung im Deutschen Museum in München geschlossen. Aber es gibt natürlich ganz viele Abbildungen. Bei dem Modell waren mir verschiedene Aspekte wichtig. Das war erstmal der Begriff: rund oder abgerundet. In einem U-Boot ist erst einmal nichts eckig, dann kam etwas Längliches und Kaltes dazu. Im Roman ist das U-Boot auch sehr gut beschrieben. Ein berühmter Stich zeigt ein riesiges Bullauge, das im Roman immer wieder benutzt wird. So machen wir das auch als Blick in die Unterwasserwelt.
Ich habe gehört, es ist ein fantastisches Bühnenbild, was macht Ihnen persönlich daran die meiste Freude?
Philipp Kiefer: Ich erfreue mich sehr daran, dass die Handwerker das ganz toll bauen. Im Theater ist das zum Glück öfters so: Wir haben es mit totalen Spezialisten zu tun. Wir können dort Sachen machen, die es einfach sonst auf der Welt gar nicht gibt oder nicht mehr gibt. Was das Bühnenbild betrifft, freue ich mich auf eine Schwere, die hoffentlich leicht daherkommt und etwas Schwebendes hat. Um die Zuschauerinnen und Zuschauer in die Unterwasserwelt mitzunehmen, wird auch der Sound eine besondere Rolle spielen. Und das Publikum kann sich auf die maritimen Kostüme freuen. Das ist immer ein schönes Design.
Worauf darf sich das Publikum noch freuen?
Philipp Kiefer: Auf die Nautilus als U-Boot und Druckkammer großer Gefühle – und darauf, dass man zusammen abtauchen kann unter das Meer, um dann wieder zusammen aufzutauchen, mit prall gefüllten Eindrücken und vielen Fragen. Wir fangen sehr komödiantisch an und enden auch wieder komödiantisch. Aber dazwischen liegt ein tiefer Marianengraben. Denn um Zukunft zu sehen, muss man manchmal die Risse der Welt kennen.