Jo Reichertz soll für iPhone zahlen, das die Telekom entsorgt hat „Das klingt nach Abzocke“

Jo Reichertz hat Ärger mit der Telekom: „Das klingt nach Abzocke“
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Ob Festnetz- oder Mobilfunk: Seit Jahrzehnten schon schwört Jo Reichertz aus Merklinde in diesem Punkt auf die Telekom. Bislang fuhr der Kommunikationswissenschaftler damit gut. „Die Telekom hat nun mal das zuverlässigste Netz“, findet er. Doch jetzt, kurz nachdem Reichertz seinen Handyvertrag um weitere zwei Jahre verlängert hatte, hat er Ärger mit dem Telekommunikationsunternehmen.

Das fordert Geld von dem 74-Jährigen. 828 Euro und ein paar Zerquetschte. Für ein neues iPhone 15, das er im Rahmen einer Vertragsverlängerung ebenfalls bestellt hatte. Für das aber hat er eigentlich schon bezahlt. „Für mich klingt das nach Abzocke, weil doppelt abkassiert wird“, sagt Reichertz.

Kommunikation ist „eine Frechheit“

Der Fall ist nicht ganz so leicht nachzuvollziehen. Auch, weil die Kommunikation zwischen den Streitparteien kompliziert ist, sie aneinander vorbeischreiben. Als „eine Frechheit“ empfindet Jo Reichertz das. Der Professor im Teilruhestand versteht selbst nur bedingt, wann und wo genau etwas schiefgelaufen ist. Obwohl er den Schriftwechsel, der seit seiner Vertragsverlängerung am 16. Januar zwischen ihm und Mitarbeitenden des Telekom-Kundenservices passiert ist, gewissenhaft dokumentiert hat: In einem dünnen Ringbuchordner hat er alle Schreiben abgeheftet. Sie sind nach Datum sortiert, mit Anmerkungen versehen, wichtige Passagen sind teilweise speziell markiert. In knapp fünf Wochen ist bereits einiges zusammengekommen ...

So lässt sich Reichertz‘ Ärger demnach rekonstruieren: Am 16. Januar verlängert der Merklinder im Telekom-Shop in der Castroper Altstadt seinen Handy-Vertrag um weitere zwei Jahre. Bestellt ein iPhone 15 pro mit 128 GB für knapp 1200 Euro dazu. Am 19. Januar wird ihm das Smartphone per Paket zugestellt. Während der nächsten Tage stellt Reichertz bei der Nutzung fest, dass der Akku seines neuen Arbeitsgeräts sich recht schnell entlädt. „Es war nach acht Stunden leer“, erzählt er. Und befindet: „Das kann nicht sein. Ich bin eher ein Geringnutzer. Ich streame nicht oder so, sondern ich telefoniere, schreibe Mails oder checke Nachrichten damit.“

Service-Auftrag statt Reklamation

Also ruft Reichertz am 29. Januar bei einer kostenfreien Telekom-Servicenummer an. Mit dem Ziel, die Qualität des Akkus zu reklamieren und das Handy kostenfrei gegen ein funktionierendes Gerät umzutauschen. Weil die Widerrufsfrist von 14 Tagen da noch nicht verstrichen ist und auch der Hotline-Mitarbeiter ihm angeboten habe, das Handy kostenfrei zurückzunehmen und umzutauschen, geht Reichertz davon aus, dass alles reibungslos ablaufen wird. Doch genau hier muss das Problem entstanden sein.

Das Archivfoto zeigt den Laden der Telekom in der Altstadt in Castrop-Rauxel.
Beim Telekom-Laden in der Castroper Altstadt hat Jo Reichertz sein iPhone 15 Mitte Januar bestellt. © Silja Fröhlich (Archiv)

Denn der Hotline-Mitarbeiter vermerkt Reichertz‘ Anliegen offenbar nicht als Reklamation, sondern als Serviceauftrag. Wesentlicher Unterschied: Letzterer kostet. In Reichertz‘ Fall genau 828,24 Euro.

Zustand auf Video festgehalten

Das ahnt der Kommunikationswissenschaftler am 29. Januar allerdings noch nicht, als er den Hörer auflegt. Das Austauschgerät erreicht ihn am 30. Januar. Mit einem Retourenschein. Den nutzt Reichertz tags darauf, um das erste iPhone mit der schwachen Akkuleistung zurückzuschicken. Er dokumentiert die Rücksendung mit einem Video samt Timecode. Darauf ist zu sehen, dass das Gerät zu dem Zeitpunkt äußerlich keinerlei Beschädigungen aufweist und in einem tadellosen Zustand ist. Das Video liegt unserer Redaktion vor.

Jo Reichertz wird erstmals am 1. Februar stutzig. Da erreicht ihn wieder eine Mail der Telekom. Angehängt ist dieser der kostenpflichtige Service-Auftrag. Auch der liegt unserer Redaktion vor. Dort lässt sich tatsächlich nachlesen, dass das Smartphone kostenpflichtig ausgetauscht wird. Irritierenderweise steht das allerdings unter dem Punkt „Fehlerbeschreibung“ und nicht unter dem Punkt „Wichtige Hinweise“. „Das hätte ich wohl genauer lesen müssen“, gibt Reichertz zu. Sagt aber auch: „Es steht an der falschen Stelle. Und ich konnte es erst am 1. Februar lesen, nachdem ich das Gerät ja schon am 31. Januar zurückgeschickt hat. Wie das so also bindend sein kann, erschließt sich mir nicht.“

Telekom sieht sich im Recht

Jo Reichertz reklamiert die Rechnung damals umgehend telefonisch. Auch jetzt noch beharrt er darauf, dass der Fehler von Seiten des Unternehmens entstanden ist. „Das Telefonat damals müsste aufgezeichnet worden sein, dem hatte ich jedenfalls zugestimmt. Das müsste sich also auch belegen lassen.“

Doch die Telekom sieht sich im Recht. Ihr Sprecher Nico Göricke erklärt auf Anfrage unserer Redaktion: „Ein Fehlverhalten unsererseits liegt nicht vor. (...) Unser Kunde muss die Rechnung begleichen.“ Der Service-Auftrag vom 29.1. sei bindend. Weil er an die authentifizierte E-Mail-Adresse gesendet und das im Auftrag beigefügte Retourenlabel für die Rücksendung genutzt worden sei, bedürfe es keiner Unterschrift. Aus Kulanzgründen und „aufgrund der langjährigen Kundenzugehörigkeit werden wir 50 Prozent auf den einmaligen Preis für die Reparaturrechnung gutschreiben“, teilt der Telekom-Sprecher zusätzlich mit.

„Nagelneues Handy weggeworfen“

Jo Reichertz will sich damit nicht zufriedengeben. Weil er sehr verärgert ist: Über einen weiteren Fakt, der ihm nach weiterem Schriftwechsel per Mail am 12. Februar mitgeteilt wurde. „Wir haben das eingesandte Smartphone mit dem Versand des Austauschgerätes bereits dem Wertstoffkreislauf zugeführt. Eine Rückabwicklung ist nicht möglich“, teilt die Telekom dort mit. „Das soll wohl heißen, die haben ein nagelneues Handy, bei dem nur der Akku fehlerhaft war, und das ich bereits bezahlt hatte, einfach weggeworfen“, sagt Jo Reichertz.

Auch dazu hat unsere Redaktion die Telekom gefragt. Nachdem die erste Antwort unverständlich war, erklärt Sprecher Nico Göricke auf erneute Nachfrage folgendes: „Der Kunde stimmt mit Einsendung des defekten Gerätes dem Austausch zu. Wir nehmen das defekte Gerät entgegen und senden es dem Hersteller nach vollständiger Löschung der persönlichen Daten zur weiteren Bearbeitung/Verwertung zu.“ Das Handy, so lässt sich durch den Schriftwechsel zwischen Telekom und unserer Redakteurin nachvollziehen, ist schlussendlich also verschrottet worden, weil es mit dem Hinweis „Gehäuse mechanisch beschädigt“ vermerkt worden sei.

„Katastrophale Kommunikation“

Jo Reichertz kann über all das nur den Kopf schütteln. Der Wissenschaftler, der von Berufes wegen Kommunikationsexperte ist und Menschen in solchen Bereichen auch schult, fühlt sich nicht ernst genommen. Er übt starke Kritik an der Kommunikation mit Kundinnen und Kunden. Sie sei nicht nur „katastrophal, weil teilweise ganz dumm und unempathisch“, sondern auch einfach nicht zielführend. „Wenn ich eine Botschaft aussende und auf diese keine Antwort erhalte, sondern nur ein modularisiertes Schreiben voll mit irgendwelchen Floskeln, wie soll ich denn dann kommunizieren?“, fragt er sich.

Der Castrop-Rauxeler hat mittlerweile auch seine Anwältin eingeschaltet. Die habe ihm signalisiert, dass das „ein ganz, ganz klarer Fall“ sei. Auch die Verbraucherzentrale hat Jo Reichertz dazu kontaktiert. Und eine ähnlich lautende Einschätzung erhalten. „Meine Vermutung ist ja, dass die Telekom das einfach probiert und hofft, dass sich niemand zur Wehr setzt“, sagt er. Schließlich verfüge auch nicht jede und jeder über entsprechende zeitliche und monetäre Ressourcen.

Die Tatsache, dass er für zwei Smartphones zahlen solle, von denen eines ohne seine Zustimmung bereits verschrottet worden sei, „klingt für mich nach Abzocke“, sagt Jo Reichertz. Auch eine entsprechende Anzeige zieht er in Erwägung.