Tattoofarben-Verbot: Castrop-Rauxeler Tätowierer ruft nach Hilfe vom Staat
Tätowierungen
Rot, gelb, lila: Die meisten Tattoofarben sollen nach einer Verordnung der EU ab Januar 2022 nicht mehr erlaubt sein. Die Entscheidung stellt viele Tätowierer vor Probleme. Auch Samuel Böhm.
Über 100 Farben stehen in den Regalen von Samuel Böhms Tattoo-Studio „Gentleman Tattoo“ in Castrop-Rauxel. Von gelb bis lila ist alles dabei. 2000 Euro sollen die Farben wert sein, erzählt er. Doch Ende des Jahres muss er alle wegschmeißen.
Denn die Farben sollen laut einer neuen Verordnung der Europäischen Union ab Januar 2022 verboten werden. Eine Entscheidung, die viele Tätowierer vor finanzielle Probleme stellen könnte.
„Es ist für uns schlecht, weil viele Existenzen daran hängen“, sagt Samuel Böhm. Das Farbverbot betrifft vor allem bunte Tinte. Für schwarz gäbe es bereits Alternativen, sagt Samuel.
EU stuft Chemikalien in Farben als gefährlich ein
Grund für das Verbot seien gesundheitliche Bedenken bei den Inhaltsstoffen der Farben. Laut ECHA, der Chemieagentur der Europäischen Union, könnten Krebsrisiken und andere negative Auswirkungen auf die Gesundheit nicht ausgeschlossen werden. Die ECHA schreibt außerdem, dass durch das Verbot über 1000 Fälle allergischer Reaktionen verhindert werden könnten.
Samuel nutzt die Farben seit Jahrzehnten. Probleme gab es bei ihm bisher nie. Allergische Reaktionen seien bei Tattoos immer möglich, aber nicht häufig, sagt er. Aus diesem Grund müssen Kunden den Tätowierer vor dem Stechen über ihre Allergien informieren. Einmal sei eine Frau zu ihnen ins Studio gekommen, die auf die rote Farbe eines anderen Tätowierers allergisch reagiert habe, erzählt Samuel. Sonst nichts.
Über eintausend Euro für neue Farben
Einige Hersteller arbeiten an alternativen Farben, die den neuen Richtlinien entsprechen. Die Firma „World Famous Tattoo Ink“ habe schon entsprechende Farben angekündigt, so Samuel. Aber: Bestellen könne er sie im Moment noch nicht.
Um ein breites Farbspektrum anbieten zu können, muss Böhm einiges ausgeben: Er rechnet damit, dass er etwa 1300 Euro in neue Farbe investieren muss. Nächstes Problem: Über die Qualität der neuen Farben sei noch nichts bekannt. „Alles ist neu. Man weiß nicht, ob sie qualitativ genauso gut sind wie die alten“, sagt er. „Das sehen wir erst, wenn sie da sind.“
Sollten bis Januar keine neuen Farben geliefert werden, könnte es für einige Tattoo-Studios schwierig werden. Jedes zweite Tattoo sticht Böhm in seinem Studio in Farbe. Sollten diese Tattoos im kommenden Jahr wegfallen, könne er die Verluste im Moment noch auffangen, sagt er. Für Tätowierer, die sich auf farbige Tattoos spezialisiert haben, könnte es dann aber besonders schwierig werden.
Erneuter Schlag nach der Coronakrise
Das Farb-Verbot trifft die Tätowierer in einer schwierigen Zeit. Schon während des Lockdowns hätten sie viele Verluste einstecken müssen. Drei Monate habe er nicht arbeiten können, erzählt Böhm. Hilfe vom Staat habe er zwar bekommen. Diese sei aber nicht ausreichend gewesen.
Die Kosten für die neuen Farben würden die Situation noch erschweren. „Der Staat muss es fairer gestalten“, sagt Samuel Böhm. „Natürlich wünscht man sich Hilfe.“ Er rechnet sogar damit, dass im kommenden Jahr viele Tätowierer ihren Laden schließen müssen.
Um das Verbot noch zu stoppen, starteten einige Tätowierer eine Petition im Internet. Über 100.000 Unterstützer hat die europaweite Aktion mit dem Namen „Save the Pigments“. Auch Böhm und seine Mitarbeiter haben unterschrieben.
Kunden wollen Tattoos mit alten Farben
Die alten Farben sind nicht nur bei den Tätowierern, sondern auch bei den Kunden beliebt. Viele hätten angerufen, um noch vor dem Verbot einen Termin zu bekommen. Bei ihm ist das aber nicht möglich: Er ist bis April 2022 ausgebucht.
Ganz verschwinden werden die alten Farben aber wohl nicht. Böhm weiß, dass einige Tätowierer im Untergrund weiter machen werden. Nicht gut, findet er, denn die Tätowierer seien gerade erst von ihrem „dreckigen Image“ losgekommen.
Jahrgang 2001, gebürtig aus dem Allgäu, mittlerweile nach Dortmund gezogen und fühlt sich im Ruhrgebiet zuhause. Offen für alle Themen, aber schreibt am liebsten über interessante Menschen und besondere Geschichten aus der Region.