Wo ist sie, die Sommermärchen-Stimmung? Wo ist das Sommermärchen-Wetter? Wie wird die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland? Ich bin seit Anfang der Woche auf Spurensuche. Bis Mittwochmittag habe ich noch nicht viel gefunden. Helft mir gern bei der Suche.
Mittwoch, 12.6.: Es sind noch zwei Tage, dann spielt Deutschland gegen Schottland. Um 21 Uhr wird mit diesem Spiel die Fußball-EM 2024 eröffnet. Die EM in Deutschland. In Dortmund und Gelsenkirchen. In meiner Arena. Aber fühlt sie überhaupt schon einer, diese Vorfreude auf ein Fußballfest mit Millionen Gästen aus ganz Europa?

Ich setze mich aufs Rad und fahre durch die Altstadt. Ich will zu Mentor Hisenaj, den Betreiber des Panorama-Cafés. Er empfängt mich an seinem Restaurant im Stadtgarten; wie immer hochfreundlich, ein echter Experte in Sachen Gäste-Bespaßung. Mit ihm und seiner Frau, beides Albaner, spreche ich über das Spiel gegen Italien am Samstag: Sie werden im Stadion sein. Sie sind heiß drauf. Sie haben auch einen Keilrahmen im Büro hinterm Restaurant, der die albanische darstellt. Aber Fußballschmuck und Fußball-Fieber?
Ich fahre ein paar Meter weiter, treffe Elmar Bök und Christoph Kirchhelle, den alle nur „Mücke“ nennen. Sie sind die Hausherren im Brauhaus Rütershoff. Sie werden im Brauhaus und davor jedes Spiel der deutschen Mannschaft zeigen und auch die anderen Spiele, die frei empfangbar laufen. Der Bierbrauer hat ein spezielles EM-Bier aufgelegt: Nagels-Bräu fließt hier aus dem Zapfhahn. Ich probiere ein halbes Glas des trüben goldenen Gerstensaftes. Ein paar Grad zu warm noch, aber fruchtig und mild. Leckeres Sommer-Bierchen, das hier für 3,50 Euro (0,3 l) ausgeschenkt wird. Aber wird es voll? Werden die Castrop-Rauxeler hier ab Freitag groß feiern und jubeln?

Ich fahre weiter zu Ilir Dracini, den Betreiber der Prima Fila (und to go) am Biesenkamp. Er ist halb Italiener, halb Albaner. Aber er ist nicht so fußballbegeistert, möge das Millionärs-Geschäft nicht so. Wir sprechen nicht lange über Fußball, auch wenn ich gern seine ganze Geschichte vor dem Aufeinandertreffen der beiden Nationen aufgeschrieben hätte.
Vor dem Lokal an der Fußgängerampel steht ein Pkw in einer Parkbucht: Er hat eine Deutschland-Flagge über die Motorhaube gespannt. Neben den Fähnchen im Fenster des Euro-Shops noch einer der wenigen schwarz-rot-goldenen Einsprengsel. Ich erinnere mich zurück: Vor der WM 2006, waren wir da nicht schon zwei Wochen vorher im Mega-Fußball-Modus?
Frische Flaggen am Autohaus
Irgendwie ist es noch ruhig. Ich fahre die Herner Straße Richtung Westring und steige vom Fahrrad ab: Beim VW-Autohaus Tiemeyer stehen die Neufahrzeuge in Reihe am Rande des Bürgersteigs. Wie immer. Oder: Fast wie immer. Denn seit kurzem sind die Autos mit den kleinen Fenster-Fähnchen ausgestattet. Die Stoffe dieser Fenster-Fähnchen sind wohl gerade erst ausgerollt und ausgepackt: Sie werfen noch Falten.
Am Vortag hab ich noch ein älteres Auto mit Deutschland-Fähnchen auf der Straße gesehen. Da wunderte ich mich erstmals: Irgendwie das erste bisschen EM-Stimmung, die mir da entgegengeschlagen ist. Sieht nicht schön aus, aber ist doch irgendwie ein Anfang. Oder nicht?

WM 2006: Es war die Zeit, als Public Viewing der ganz heiße Trend war. Als die Menschen in der Europahalle zu „Schwarz und Weiß“ von Oliver Pocher feierten und zu „54, 74, 90 2006“ von den Sportfreunden Stiller.
Das Brauhaus Rütershoff ist in den kommenden Wochen gut gebucht, was die 14 Hotelzimmer angeht. Engländer, Spanier, Albaner, auch deutsche Gäste: Elmar Bök wird auf Menschen mit Fußball-Leidenschaft treffen. Vielleicht bin ich Freitag dabei, wenn ein englisches Pärchen bei ihm eincheckt und von dort aus die EM erlebt.
Die Euro 2024: Aus internen Kreisen bei der Polizei heißt es, dass man so viele Gäste erwarte wie zuletzt 2006. Ganz Fußball-Europa ist heiß auf das Event. Schotten und Engländer werden zu Hunderttausenden nach Deutschland reisen. Albaner sollen im Ticketverkauf mit die meisten Anfragen gestellt haben. Es wird schon Ausnahmezustand sein.
Am Montagmorgen saß ich mit Leuten von der Castroper Sparkasse zusammen. Einige wirklich fußballinteressiert. „Spüren Sie die Stimmung?“, fragte ich. Irgendwie hing der Gesprächsrunde bei diesem Termin noch der Wahlsonntag nach, der vielen Castrop-Rauxelern einen Schrecken eingejagt hat. Vorfreude auf ein internationales Fußballfest bei uns: kommt vielleicht noch.

Am Dienstagmorgen war ich bei Aldo und Immy Segat. Die beiden Italiener vom kleinen, aber extrem beliebten Altstadt-Restaurant Il Caffé, Schalke-begeistert und fußballverrückt: „Ich habe so viel zu tun und stehe so früh auf“, sagt Aldo, „ich bin abends so müde, dass ich um 21 Uhr schon schlafe.“ Um 21 Uhr ist Anpfiff: am Freitagabend, wenn Deutschland spielt, und am Samstagabend, wenn Italien auf Albanien trifft. In Dortmund. Gleich nebenan. 2006 habe er schon zwei Wochen vorher mitgefiebert. Heute: irgendwie... noch... nicht so richtig.
Fußball-Stimmung, wo bist du? Wo sind die ersten mit Fähnchen geschmückten Straßen? Wo ist die Partymeile für das „Sommermärchen 2024“? Und wann scheint überhaupt endlich mal wieder richtig die Sonne?

2008 war ich mit Freunden in Österreich, 2012 in der Ukraine, 2016 in Frankreich. Wir fuhren der Nationalelf im Wohnmobil hinterher, waren in den Stadien live dabei, erlebten wunderbare Fußball-Wochen. Heute haben wir eine Tipprunde bei kicktipp. Nicht mehr. Das Feuer: Es braucht noch eins, zwei Funken. Bis Freitag...
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