Die Wohneigentumsquote in Deutschland hat den tiefsten Stand seit 15 Jahren erreicht. Sie liegt laut Zahlen des Zensus aus dem Jahr 2022 bei nur noch 44 Prozent. Das bedeutet im Vergleich zu 18 anderen europäischen Staaten den vorletzten Platz. Nur die Schweiz verfügt mit einer Quote von 36 Prozent über noch weniger selbst genutztes Wohneigentum. Demgegenüber liegen die Slowakei mit 91 Prozent und Ungarn (90) im Ranking vorne.
Die Zahl der Haushalte von Menschen, die im Eigenheim oder in einer Eigentumswohnung leben, sinkt kontinuierlich. Das ist eines der Ergebnisse der Studie „Wohneigentum in Deutschland“. Für das östliche Ruhrgebiet sind die Zahlen alarmierend. Das Pestel-Institut hat die Studie erstellt und die Ergebnisse bei der Messe „Bau“ am Montag (13.1.2025) in München präsentiert. Auftraggeber war der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB).
Regional haben die Macher der Studie bei der Eigentumsquote – nicht ganz überraschend – zum Teil eklatante Unterschiede errechnet. Generell, das zeigt ein Blick auf die Werte aller Landkreis und kreisfreien Städte in Deutschland, ist sie auf dem Land höher als in der Stadt.
Vom Mieter- zum Eigentümerland
Die Quote reicht von über 70 Prozent etwa im Landkreis Südwestpfalz (Rheinland Pfalz) und St. Wendel (Saarland) bis zu den ostdeutschen Metropolen Leipzig (13,3 Prozent) Rostock (14,5) und Berlin (15,8). Die neun Städte mit der geringsten Eigentumsquote liegen allesamt in den östlichen Bundesländern. Erst dann folgt Frankfurt am Main (19,7).
Im Ruhrgebiet hat Gelsenkirchen mit 23,6 Prozent den geringsten Anteil an Wohneigentum. Dortmund kommt auf 26,6 Prozent – 0,8 Prozentpunkte weniger als 2011. Im Landesschnitt von NRW (40,1 Prozent) liegt der Kreis Recklinghausen mit seiner sowohl städtischen als auch ländlichen Prägung. Er kommt auf 40,3 Prozent Eigentumsquote (2011: 40,8). Etwas höher liegt der Wert im Kreis Unna mit 42,7 Prozent (43,6).
Langfristig müsste Deutschland mehrheitlich vom Mieter- zum Eigentümerland werden, fordert das Pestel-Institut. „Eine Eigentumsquote von 50 Prozent und mehr würde vor allem auch mehr soziale Stabilität bringen“, erklärt Studienleiter Matthias Günther bei der Pressekonferenz in München. Stichwort: Altersarmut.

Wohneigentum sei ein wichtiger Garant für die Altersvorsorge. Denn Mieten würden für zunehmend mehr Senioren zu einer finanziellen Belastung. „Steigende Mieten drängen mehr und mehr ältere Menschen in die Altersarmut“, sagt der Institutsleiter. Die Quote der Empfänger von Grundsicherung stieg bundesweit von 2,5 Prozent im Jahr 2010 auf 3,7 Prozent in 2023. Matthias Günther: „Grundsicherung im Alter heißt Armut bis zum Tod.“
In der Region ist die Quote der Senioren, die auf eine Grundsicherung angewiesen sind, überdurchschnittlich. In Dortmund stieg sie von 4,8 Prozent im Jahr 2010 auf 7,86 Prozent 2023 an, im Kreis Recklinghausen von 2,89 auf 4,16 Prozent und im Kreis Unna von 2,36 auf 3,63 Prozent.
Wie groß die Diskrepanz im verfügbaren Einkommen nach Abzug der kalten Wohnkosten zwischen Eigentümern und Mietern im Ruhestand ist, zeigt eine vereinfachte Modellrechnung.
Nest-Bauer-Generation
Sie basiert bei einem Zwei-Personen-Haushalt auf der Annahme, dass beide Bewohner gleich viel Geld verdienen – das statistische Durchschnittseinkommen als Halbtags- und Vollzeitkraft. Sie leben auf 100 Quadratmetern Wohnfläche – im Mietfall mit einem Mietzins von 8 Euro/Quadratmeter und kalten Nebenkosten von 1,80 Euro/Quadratmetern.
Nach 45 Erwerbsjahren verbleiben den Eigentümern (im schuldenfreien Wohnraum) demnach 2219 Euro verfügbares Einkommen, Mietern 1419 Euro. In einem Single-Haushalt mit einer 60-Quadratmeter-Wohnung sind es für Eigentümer 1508 Euro, für Mieter 1028 Euro.
Besonders bitter fällt die Bilanz der Studie mit Blick auf die sogenannte Nestbauer-Generation aus. „Die meisten der heute 25- bis 45-Jährigen wohnen zur Miete“, sagt Matthias Günther. „Der Staat hat aus ihnen quasi eine komplette Miet-Generation gemacht.“

Der Pestel-Chef macht „politisches Versagen“ für den fortschreitenden Rückgang der Eigentumsquote verantwortlich. „Für Durchschnittsverdiener ist die Chance auf Wohneigentum heute gleich Null“, sagt er. „Die Enttäuschung der Menschen darüber ist enorm.“ Dabei wünsche sich der weit überwiegende Teil der Bevölkerung, in eigenen vier Wänden zu wohnen.
Die Probleme sind derweil bekannt. Die Hauspreise sind im bundesweiten Durchschnitt von 2020 bis 2024 um rund ein Drittel gestiegen. Die Kosten für Neubauten stiegen noch stärker. In der Folge brachen die Baugenehmigungen für Neubauten von 2022 bis 2024 um mehr als 50 Prozent ein.
Pestel-Institut und Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel kritisieren eine „erratische Politik“. Sowohl hinsichtlich der Förderung von Wohneigentum als auch den Anforderungen an Bestandsimmobilien und Neubauten habe es einen Schlingerkurs in der Wohnungsbaupolitik gegeben.
Mit rund 100.000 durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) geförderten Wohneinheiten habe die Anzahl 2023 einen historischen Tiefstand erreicht. Zum Vergleich: 2021 wurden noch rund 450.000 Wohneinheiten durch diverse Programme über die KfW gefördert. Die derzeitigen Programme seien nicht auf eine Wohneigentums-Förderung, sondern allein auf qualitativ hochwertigen Wohnungsbau ausgerichtet, kritisieren die Auftraggeber und Macher der Studie. Den könne sich kaum einer leisten.

Sie fordern Sicherheit und Verlässlichkeit in der Wohnungsbaupolitik und eine effektive Förderung, wie es sie in den 1950er- bis 1980er-Jahren gegeben habe, als der soziale Wohnungsbau zu rund 40 Prozent Wohneigentumsförderung gewesen sei. Das Pestel-Institut empfiehlt ferner einen auf etwa zwei Prozent Zinsen dauerhaft festgeschriebenen staatlichen Kredit als Eigenkapital-Ersatz. Außerdem solle der Staat beim Ersterwerb von selbst genutztem Wohneigentum komplett auf die Grunderwerbssteuer verzichten.
Der scheidenden Bundesregierung stellen Pestel-Institut und BDB ein schlechtes Zeugnis aus. „Das Bundesbauministerium hat bislang zielsicher am Wohnungsmarkt und damit am Leben der Menschen vorbei gefördert“, kritisiert BDB-Präsidentin Katharina Mezger auf der Pressekonferenz in München. „Wir brauchen keine Förderprogramme für das politische Schaufenster.“
Die Unternehmerin aus Dortmund nimmt die künftige Bundesregierung in die Pflicht. „Die Parteien sind jetzt gut beraten, die Chance der Menschen, sich ein Einfamilienhaus, ein Reihenhaus oder eine Eigentumswohnung anzuschaffen, in den Fokus des Bundestagswahlkampfes zu rücken“, sagt sie. Bildung von Wohneigentum müsse ein Schwerpunkt der Wohnungsbaupolitik der künftigen Bundesregierung sein.