Streit um Wasserstoff: Politiker bezeichnet EUV als „Totalausfall“

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Streit um Wasserstoff: Politiker bezeichnet EUV als „Totalausfall“

rnEnergiewende

Der EUV Stadtbetrieb ist in Castrop-Rauxel zuständig für eine Flotte von 100 Autos, Müllfahrzeugen und Lastwagen. Er kann die Mobilitätswende mitgestalten. Das tut er aber womöglich nicht genug.

Castrop-Rauxel

, 18.11.2021, 19:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Michael Werner musste sich schwere Kritik gefallen lassen: Der EUV-Vorstand wurde am Dienstag (16.11.) aus der Politik schwer kritisiert für ein Papier, das der Stadtbetrieb zum Thema Umstieg auf Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzellen in seiner Fahrzeugflotte verfasst hatte.

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„Es hapert aus meiner Sicht an allem“, meckerte Nils Bettinger, Ratsmitglied der FDP, im Ausschuss für Wirtschaftsentwicklung und Digitalisierung. „Uns hat ihre Vorlage unendlich traurig gemacht, eine Dokumentation des Scheiterns.“ Bis auf einen Beitritt der Stadt zum H2-Netzwerk Ruhr sei seit Frühjahr 2019 nichts passiert in der Frage, wie man die Energiewende hin zum Wasserstoff mitgehen wolle.

An die Spitze einer Bewegung setzen

Dabei geht es vor allem um die Frage, ob man sich mit anderen an die Spitze einer Bewegung setzt. Das nämlich war die Idee der FDP 2019, als sie das Thema als erste Partei in die Kommunalpolitik einbrachte. Vorweg gehen, selbst gestalten, Werbung in eigener Sache machen als eine Stadt, die proaktiv vorgeht.

Doch das sei passé, findet Nils Bettinger. Ein Wasserstoffgipfel im Regierungsbezirk habe in Dorsten stattgefunden. „Warum nicht in Castrop-Rauxel?“, so Bettinger. „Wir haben hier eine H2-Fernleitung, mit Rain Carbon einen großen Hersteller und vier ÖPNV-Unternehmen, deren Busse hier fahren.“ Die Stadt sei prädestiniert für Wasserstofftankstelle und Vorreiterrolle.

Michael Werner argumentierte, man sei dabei, zusammen mit einer Spedition eine Tankstelle zu planen für LNG (Erdgas), E-Ladesäulen – und Wasserstoff. Aber: „Wir sind der EUV, wir sind gar nicht zuständig, eine Tankstelle zu bauen“, so Werner. „Wir sind zu 90 Prozent gebührenfinanziert und müssen unseren vordringlichen Aufgaben nachkommen“, so Werner. Rain Carbon stelle technischen Wasserstoff her. An die Wasserstoffpipeline quer durchs Ruhrgebiet komme man als Kommune nicht ran.

Faun-Müllauto mit Brennstoffzelle: Millionenkosten

Seit dem Beitritt zum Netzwerk sei stets ein EUV-Mitarbeiter in den Sitzungen gewesen. Man habe eine Einkaufsgemeinschaft mit Bochum und Herten, was Müllfahrzeuge angeht. „Aber ein Brennstoffzellen-Fahrzeug, das Hersteller Faun als einziger Anbieter hat, kostet 1 Million Euro, viel mehr als herkömmliche. Die Kollegen aus Recklinghausen hoffen gerade auf ein Fahrzeug für Mitte 2022. Es ist nicht mal eben so zu organisieren“, so Werner.

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Man habe einen Förderantrag für zwei Fahrzeuge gestellt, aber gehe nicht so vor wie andere, schon mal auf Verdacht zu bestellen. Auch wenn es 18 bis 22 Monate dauere, bis das Auto geliefert wird. Das bekomme er im Zweifel von der Politik um die Ohren gehauen. „Das mag unbefriedigend sein aus Ihrer Sicht“, so Werner, „aber wir haben viele Aufgaben. Wir betreiben die Fahrzeugflotte der Stadt, im Pkw-Bereich ist bei uns mittlerweile fast alles elektrisch.“

Noch ein Argument: Grüner Wasserstoff sei schwer zu bekommen. Tankslots an der kleinen H2-Tankstelle in Herten auch. Die Müllabfuhr könne sich aber keine langen Wartezeiten leisten. Und bei den ÖPNV-Unternehmen sei oft schon das Thema Fahrplanwechsel schwierig, da wolle er an einen koordinierten Umstieg auf die Brennstoffzelle erst gar nicht denken.

Tankstellen-Bau: Anfang 2022 will man weiter sein

Anfang 2022, hofft Werner, sei man beim Tankstellenprojekt mit dem Speditionsunternehmen weiter. „Es zeichnet sich ab, dass es auch dafür Fördergelder gäbe, aber dafür muss eine gewisse Projektreife erreicht sein. Vorher wollen wir auch eine erste Aussage haben von der Bauaufsicht, ob das, was wir vorhaben, genehmigungsfähig wäre.“ Für die Betankung mit Wasserstoff gebe es hohe Anforderungen. Und in Autobahnnähe müsse sie auch sein, um das regionale Verkehrsnetz zu erreichen.

„Das ist uns zu dünn“, findet Bettinger. „Dann müssen Sie sagen, Sie haben dafür kein Personal und keine Kapazitäten. Sie leisten großartige Arbeit für die Umwelt in unserer Stadt, aber für Wasserstoff ist das für uns ein Totalausfall.“