Der Mischling Merlin kam mit großen gesundheitlichen Beschwerden ins Tierheim Castrop-Rauxel und ist der Grund, weswegen Johannes Beisenherz nun eine Straftat vorgeworfen wird. © privat

Tierschutz

Strafanzeige für Castrop-Rauxeler Ex-Bürgermeister – wegen eines Hundes

Castrop-Rauxels ehemaliger Bürgermeister Johannes Beisenherz setzt sich seit Jahren für den Tierschutz ein. Im Streit um einen Hund ist nun gegen den 71-Jährigen Strafanzeige gestellt worden.

Castrop-Rauxel

, 15.02.2021 / Lesedauer: 5 min

Strafanzeigen, Polizeieinsätze vor dem Tierheim und endlose Streitereien mit Anwälten und dem Kreis Veterinäramt: Castrop-Rauxels Ex-Bürgermeister Johannes Beisenherz hätte sich nicht träumen lassen, was auf ihn zukommen wird, als das Tierheim Castrop-Rauxel im August 2020 den Hund Merlin bei sich aufgenommen hat.

„Die Halterin des Mischlings ist schwer krank“, erinnert sich Beisenherz, der 1. Vorsitzender des Tierschutz-Vereins Castrop-Rauxel ist, an die Umstände, die zu Merlins Aufnahme führten. „Sie hatte einen längeren Klinik-Aufenthalt vor sich, deswegen hatte der Betreuer der Dame den Hund bei uns abgegeben.“ Erst einmal sollte der Hund bis Ende September im Tierheim versorgt werden, danach war geplant, dass das Tier wieder zurück zu seiner Besitzerin kommt.

Lügen über den Zustand von Merlin

Wie meistens bei Neuaufnahmen erkundigten sich die Vereinsmitglieder damals, ob Merlin irgendwelche Besonderheiten habe, auf die bei der Pflege zu achten sei. „Der Betreuer meinte, mit dem Hund sei alles in Ordnung“, erzählt Kristina Rummeld, 2. Vorsitzende des Tierschutz-Vereins. Merlin sei ein ganz normaler Hund.

Johannes Beisenherz, Vorsitzender des Tierschutzvereins Castrop-Rauxel und ehemaliger Bürgermeister der Europastadt, hat wegen Merlin eine Strafanzeige bekommen. © Thomas Schroeter

Diese Aussage lässt Rummeld noch heute, über ein halbes Jahr nach der Aufnahme, vor Wut schnauben. „Der hat uns eiskalt angelogen“, meint sie. Denn Merlin war offenbar bereits bei früheren Klinik-Aufenthalten seiner Besitzerin im Tierheim Recklinghausen gewesen und hatte da große Verhaltensauffälligkeiten gezeigt. Das Tierheim habe sich deshalb geweigert, den Mischling erneut aufzunehmen. Auch das Kreis-Veterinäramt Recklinghausen sei damals mit dem Fall befasst gewesen.

Bei Merlin wird ein Tumor diagnostiziert

Auch in Castrop-Rauxel seien schon bei der Abgabe Besonderheiten an dem Tier aufgefallen. „Merlin konnte kaum gehen, als wir ihn aufnahmen. Er war verängstigt und hockte nur in seinem Zwinger“, erinnert sich Rummeld.

In der Tat sollte der Gesundheitszustand des Tieres noch weitaus schlimmer sein. Die Mitglieder des Vereins stellten bei dem Hund einen Schwulst am Penis fest, beim Wasserlassen musste Merlin regelmäßig vor Schmerzen jaulen.

Die Tierschützer wandten sich an einen Tierarzt. Dessen Diagnose war so eindeutig wie schlimm: ein Tumor, der umgehend operiert werden müsse. Was dann auch Ende August geschah – offenbar mit Einverständnis des Betreuers der Halterin.

Merlin erholt sich und lebt auf

Nach dem Eingriff sei es Merlin sichtbar besser gegangen, berichtet Kristina Rummeld. „Gerade der Kontakt zu anderen Hunden lässt ihn wieder aufleben. Er sucht ständig die Nähe zu anderen Tieren.“

Das war die eine Seite der Medaille. Die andere stimmte die Verantwortlichen des Castrop-Rauxeler Tierschutzvereins allerdings sehr nachdenklich: Denn Merlins Leben sei durch den Tumor massiv gefährdet gewesen, den die Besitzerin nach Meinung des Tierschutzvereins übersehen haben müsse – möglicherweise wegen ihres Gesundheitszustands.

Lebenssituation des Hundes muss sich ändern

Zusätzlich wurden bei Merlin auch noch starke Rückenprobleme diagnostiziert. Der Tierschutzverein übernahm Tierarzt- und Therapie-Kosten. Immer deutlicher sei geworden, dass sich die Lebenssituation des Hundes grundlegend verändern müsse, meint Johannes Beisenherz: „Wir wollen sicherlich nicht der Halterin irgendetwas ankreiden“, sagt er. „Aber Fakt ist: Hier ist das Leben eines Lebewesens gefährdet.“

Tierschutz steht im Vordergrund

Da Merlins Halterin sich immer noch in der Klinik befand, suchte der Verein das Gespräch mit ihrem Betreuer. Zwischenzeitlich schien klar, dass der Hund mindestens bis November im Tierheim Castrop-Rauxel bleiben sollte.

Das Kreis-Veterinäramt habe zunächst die Ansicht geteilt, dass die Gesundheit des Hundes bei seiner Halterin massiv gefährdet sei. „Um dem Hund weiteres Leiden zu ersparen (...) ist die Fortnahme des Tieres zu verfügen“, heißt es in einer ersten Beurteilung der Amtstierärztin Anfang November.

In der Zwischenzeit hatte der Betreuer jedoch als Interessenvertreter seiner Patientin einen Anwalt eingeschaltet. Dieser forderte die Rückgabe des Tieres. Sie brauche den Hund, teilweise sei er das einzige Lebewesen, mit dem sie kommuniziere.

Kreis Veterinäramt macht einen Rückzieher

Und auch das Kreis-Veterinäramt änderte seine Haltung grundlegend. Die Behörde verfügte Ende November, dass „ausnahmsweise“ der Hund zurück zur Halterin kommen solle.

In einer Stellungnahme gegenüber der Redaktion begründet der Kreis diese Entscheidung folgendermaßen: „Weil das Veterinäramt erst rund drei Monate später einbezogen wurde, konnten sich die Mitarbeiter keinen eigenen Eindruck von dem Zustand des Tieres bei Abgabe machen, holten aber Auskünfte von zwei Tierärzten ein, die den Hund zuletzt untersucht hatten.“

Denn es kam heraus, dass Merlin erst im Juni 2020 das letzte Mal bei seinem regulären Tierarzt in Waltrop in Behandlung war. Der Veterinär konnte damals keinen Schwulst am Penis feststellen. Aufgrund der Aussagen des Tierarztes sei das Veterinäramt zu dem Schluss gekommen, dass der Schwulst sich in der Zwischenzeit entwickelt, die Halterin von Merlin also nicht nachlässig gehandelt habe. Eine endgültige Fortnahme des Tieres sei deshalb nicht erforderlich, heißt es in der Stellungnahme.

Beisenherz ist von der Entscheidung schockiert

Von der Entscheidung des Veterinäramtes war der Tierschutzverein wie vom Schlag getroffen. Besonders das „ausnahmsweise“ in der Begründung macht Johannes Beisenherz fassungslos: „Das heißt doch: Eigentlich gibt es dafür keine Rechtsgrundlage, aber wir versuchen es noch einmal, weil wir dem Blick in die Glaskugel glauben wollen. Wir sind entsetzt über diesen Sinneswandel.“

Auch die Begründung, das Veterinäramt sei erst spät einbezogen worden, versteht Beisenherz nicht. Schließlich sei das Amt bereits zwei Jahre zuvor vom Tierheim Recklinghausen auf den Zustand des Tieres aufmerksam gemacht worden.

Die Tierschützer stört auch, dass allein das Wohl der Halterin berücksichtigt worden sei. Wie es Merlin ergangen wäre, sei allenfalls Nebensache gewesen. Deshalb weigerte sich der Verein, den Hund auszuhändigen.

Veterinäramt verlangt Herausgabe von Merlin

Daraufhin eskalierte der Streit: Telefonate, E-Mails und Schrieben gingen zwischen Tierschutzverein und Anwalt der Gegenseite hin und her. Den Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung am 23. Dezember, als Mitarbeiter des Veterinäramts vor der Tür des Tierheims standen und Merlin mitnehmen wollten.

Eine überforderte Tierheim-Mitarbeiterin konnte das Tier jedoch nicht herausgeben. Merlin war nämlich überhaupt nicht im Tierheim.

Merlin (l.) ist sehr kuschelig und sucht die Nähe zu anderen Hunden © privat

Die Einzigen, die wussten, wo sich Merlin zu dem Zeitpunkt aufhielt, waren Beisenherz und Rummeld. Doch beide hatte das Veterinäramt offenbar vergeblich versucht zu erreichen.

Das hinderte die Veterinäramts-Mitarbeiter nicht daran, die Tierheim-Mitarbeiterin fast drei Stunden lang unter Druck zu setzen, wie Beisenherz berichtet. „Sie haben ihr sogar gedroht, dass sie sich der Beihilfe zur Unterschlagung strafbar mache.“

Beisenherz bekommt Strafanzeige

Für den 71-Jährigen ist es nicht bloß bei einer Drohung geblieben. Gegen Johannes Beisenherz läuft mittlerweile in seiner Funktion als 1. Vorsitzender des Tierschutz-Vereins ein Verfahren wegen Unterschlagung eines Objektes. „Wir, die sich erstmalig der Gesundheit des Hundes nachhaltig angenommen haben, werden nun an den Pranger gestellt. Es ist ein Skandal“, meint Beisenherz.

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Dennoch bleibt er bei seinem Standpunkt: „Wir würden uns, wenn wir denn den Hund herausgäben, der „Beihilfe zum Tierschutzverstoß“ schuldig machen.“

Merlin wird vermisst

Das Schicksal scheint es unterdessen mit Merlin weiterhin nicht gut zu meinen: Anfang Februar entwischte Merlin durch eine Verkettung unglücklicher Zustände. Sowohl der Tierschutzverein als auch der Bruder der Halterin suchen nach dem Tier.

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