Daumen hoch: Die Grünen mit Bert Wagener an der Spitze freuten sich über eine Verdopplung ihrer Mandate im neuen Stadtrat. © Matthias Langrock
Kommunalwahl 2020
Enttäuschung, Verärgerung, Freude und Jubel: Stimmen aller Parteien
Als gegen 23.10 Uhr die Ergebnisse der Wahl für Castrop-Rauxel feststanden, da feierten die einen. Die anderen ärgerten sich. Wir haben bis Mitternacht Stimmen aller Parteivorstände gesammelt.
Die SPD und die Grünen die großen Gewinner, Verlierer gab es mehr – und eine neue Partei im künftigen Stadtrat: Der Wahlabend bei der Kommunalwahl 2020 war spannend, er war lang und für einige ein Fest, für andere eine Enttäuschung. Wir haben nach 23.10 Uhr alle Partei-Sprecher angerufen. Das sagten sie uns:
Annette Korte (FWI, 4,3 Prozent): „Wir haben es nicht geschafft, unsere Wähler zu bewegen und neue zu gewinnen. Wir sind mit zwei Leuten im neuen Rat, wollten aber vier Sitze. Die Alternative wäre vor zwei Jahren gewesen, aufzugeben [nach dem Tod von Fraktionschef Manfred Postel, Anm. der Redaktion). Das kam für uns nicht infrage, weil uns die Stadt am Herzen liegt. Wir geben nicht auf und machen weiter für die Bürger dieser Stadt. Ich freue mich, dass viele junge Leute in den Rat kommen – das gibt frischen Wind.“
Thomas Schmidt (UBP, 4,3 Prozent): „Wir liegen knapp vor der FWI, sind damit die größte der kleinen Parteien – und sind zwiegespalten: Wir wollten vier Mandate, haben mit zwei Sitzen also unser Wahlziel nicht erreicht. Am Ende sind wir froh, dass wir den Fraktionsstatus gehalten und FDP und Linke überholt haben. Im Rat würde ich mich freuen, wenn wir mit wechselnden Mehrheiten weiter arbeiten würden – ich habe das Gefühl, dass das wesentlich effektiver ist. Bei der Stichwahl hätten wir [den Grünen-Kandidaten] Herrn Fiedler unterstützt. Jetzt werden wir [CDU-Kandidat Oliver] Lind unterstützen. Wir wollen neuen Wind im Rathaus.“
Andreas Kemna (Die Partei, 2,9 Prozent): „Die Freude über dieses beste Kommunalwahlergebnis seit Kriegsende darf nicht vergessen machen, dass wir unser Wahlziel von 100 Prozent plus X teilweise deutlich verfehlt haben. Wir bitten darum, dass man uns die Zeit gibt, die Ursachen in Ruhe zu analysieren und daraus Konsequenzen zu ziehen. Das schließt Konsequenzen personeller Natur ein. Wir sind gewählt und werden ernst machen – mit der Satire. Wir analysieren intern, ob wir Kravanja oder Lind unterstützen werden. Ich erwarte, dass wir Angebote bekommen. Ob es Geld, Bier oder etwas anderes ist, lassen wir auf uns zukommen. Vielleicht bietet auch der eine was, damit wir den anderen unterstützen. Abwarten.“
Der Castrop-Rauxeler Stadtverbandsvorsitzende der Grünen, Ulrich Werkle, freute sich über das sehr gute Ratswahl-Ergebnis seiner Partei. © Matthias Langrock
Uli Werkle (Grüne, 15,1 Prozent): „Wir haben uns verdoppelt von vier auf acht Mandate. Heute sind wir mit uns im Reinen. Es ist eine Mischung aus Bundestrend, der sich nicht nur auf die beiden sympathischen Bundes-Parteivorsitzenden beschränkt, sondern auch auf die gute Politik der Grünen in Bund und Land zurück geht. In Castrop-Rauxel hat sich eine Grüne Jugend etabliert, die jungen Leute haben prominente Plätze auf unserer Liste bekommen und ziehen in den Rat ein.
Fridays for Future haben Themen auf den Tisch gebracht, dann haben Leute wie FDP-Chef Lindner gesagt, man solle das lieber die Experten machen lassen – und die haben gesagt, dass die jungen Leute recht hatten. Lass sie also ruhig machen! Das System mit dem überparteilichen Bürgermeister hat bei uns nicht funktioniert. Die Unterstützung aus den anderen beiden Wählergruppen ist nicht da gewesen.“
Fachsimpeln über die ersten Ergebnisse bei der SPD: Lisa Kapteinat, Daniel Molloisch und Frank Schwabe. © Tobias Weckenbrock
Lisa Kapteinat (SPD, 38,9 Prozent): „Hashtag Läuft hier. Ich bin sehr zufrieden, hatte sogar lange gehofft, dass wir ohne Stichwahl gewinnen. Es ist ein gutes Zeichen für die gute Arbeit, die wir hier gemacht haben. Ich bin nicht davon überzeugt, dass man nur für gute Arbeit gewählt wird, sondern auch mit dem, was man in Zukunft vor hat. Wir haben unter Corona gut gearbeitet, unser Bürgermeister hat gezogen.
Castrop-Rauxel fängt jetzt an, den Trend der SPD zu drehen. Es ist ja in einigen Ruhrgebietsstädten besser gelaufen, als man das vorher gedacht hätte. Ich sehe das als Zeichen, dass die SPD noch nicht so abgeschrieben ist, wie man gedacht hat. Eine Stichwahl ist nie obsolet, ein Bürgermeister sollte von der Mehrheit der Bürger gewählt werden, auch wenn es nur knapp keine war. Die wird den Trend deutlich bestätigen, auch wenn es die Königsdisziplin ist, die Leute dann neu zu motivieren, zur Wahl zu gehen. Wir gehen die zwei Wochen Wahlkampf nun mit viel Freude an.“
Für die CDU mit Bürgermeisterkandidat Oliver Lind und Stadtverbands-Chef Carsten Papp wartet vor der Stichwahl noch viel Arbeit, wenn sie eine Chance haben will, die Spitze im Rathaus zu stürzen. Der Wahlabend hatte außer drei direkte Ratsmandate, die man allerdings schon ziemlich sicher verbucht hatte, kein Abend der Erfolge. © Nora Varga
Carsten Papp (CDU, 26,8 Prozent): „Wir haben über 3 Prozentpunkte verloren, obwohl wir schon gute Politik gemacht haben. Wir haben wechselnde Mehrheiten organisiert, womit man, wie sich gezeigt hat, mehr bewegen kann als in einer Koalition. Das wurde von unseren Wählern aber nicht honoriert. Ich glaube nicht, dass das mit unserem Bürgermeisterkandidaten zusammenhängt. Er hat so viele Stimmen bekommen wie die Partei und die Stichwahl erreicht, nicht der gemeinsame Kandidat dreier Parteien. Wir hätten uns ein besseres Ergebnis erhofft, in unseren Augen ist Oliver Lind aber der richtige. Bei der Stichwahl werden die Karten neu gemischt, die anderen Parteien sind nun gefragt. Wir müssen weiter so kämpfen wie bisher. Chancen sind da.“
Für Uwe Biletzke und die Linken war es kein freudiger Wahlabend bei der Kommunalwahl 2020. © Tobias Weckenbrock
Uwe Biletzke (Die Linke, 3,9 Prozent): „Zwei Sitze im Rat, das ist enttäuschend, aber wir müssen damit klar kommen. Die Linke hat in NRW komplett verloren, wir stehen sogar noch besser da als in anderen Kommunen. Dass wir schlecht abgeschnitten haben, liegt an Corona und daran, dass viele Wähler kehrt gemacht haben an den Wahllokalen, wo die Wartezeit zum Teil bei über einer Stunde lag.“
In der FDP Parteizentrale warteten die Kandidaten seit dem frühen Abend auf die Ergebnisse. Es wurde kein Abend der Freude, sondern der Ernüchterung. © Nora Varga
Nils Bettinger (FDP, 3,8 Prozent): „Beim letzten Mal hatte ich 4,8 Prozent und die Hoffnung, dass ich diesmal mehr erreiche. Das ist schon eine Enttäuschung für mich. Ich muss das Ergebnis von Mario Rommel [er erhielt mehr Stimmen als Bettinger, Anm. der Redaktion] hinnehmen und finde es bemerkenswert. Aber das ist die Entscheidung der Wähler. Corona hat dazu beigetragen, dass die SPD hier so erfolgreich war. Der Bürgermeister hatte bei diesem Thema unser Vertrauen und hat keine Fehler gemacht. Wenn man eine Stadt durch eine Krise bringt, wird das honoriert. Wir haben die SPD zwei Jahre in einer Ampelkoalition begleitet. Das hat aber nicht auf uns abgefärbt.“
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