Lothar Degner war überrascht, als er diese saftige Rechnung erhielt: Er sollte wirklich 63 Euro für eine Tankfüllung bezahlen. Bei einem Benziner oder Diesel vielleicht der normale Kurs. Aber bei seinem Opel Mokka mit Elektromotor? „Die Rechnung lag sonst immer bei 24 bis 27 Euro. Der Akku hat eine Reichweite von 330 Kilometern“, sagt er. Und dafür 63 Euro? „Wie kann das sein? Das ist doch Abzocke! Und vor allem kann man da doch keinem ein Elektroauto schmackhaft machen.“
Vorweg: Lothar Degner bekam einen Teil des Geldes zurück. Aus Kulanz, wie es hieß, aber ohne daraus erwachsende rechtliche Ansprüche. Er muss seinen Opel aber auch weiterhin an einer der rund 100 öffentlichen Ladesäulen in Castrop-Rauxel aufladen. Aber was ist da nun verkehrt gelaufen? Oder ist eine Ladung wirklich so teuer?

Degner ist Ex-Opelaner. Er arbeitete auf dem Werk in Bochum. So hat er bis heute den Luxus, dass er praktisch einmal im Jahr zu günstigen Konditionen einen Opel oder ein anderes Auto aus dem Hersteller-Konzern leasen. Dazu gehören neben Opel auch Peugeot, Citroën, Chrysler, Fiat, Lancia, Alfa Romeo und andere Marken. Der neue Wagen werde ein Berlingo, so Degner. Auch kein Elektro. Aber das hat andere Gründe.
Zurück zu seinen Lade-Erfahrungen: Er wohnt an der Wilhelmstraße. Gar nicht weit von dem Ort entfernt, an dem die Stadtwerke Castrop-Rauxel mit der Breilmann KG und anderen Partnern die erste grüne Säule mit den zwei Ladepunkten in Betrieb nahm. Er lädt manchmal dort, aber meistens im Erin-Park direkt am Fuße des Fördergerüsts. Dort arbeitet er heute als Hausmeister im Mulvany-Center. Und stritt sich mit einem österreichischen Unternehmen um das Geld, bis Ende Januar die gute Nachricht von der Rückerstattung kam.
35 Euro unter „weitere Belastung“
Auf jener Rechnung für 63 Euro standen die berechneten Gebühren aufgelistet: 25 Euro für den Strom an sich und über 35 weitere Euro als weitere Belastung. Er fand raus, was berechnet wurde, zumal er das vor dem Ladevorgang auch auf dem Display angezeigt bekommen und bestätigt hatte. Aber wie das immer so ist mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, zumal bei einem Vorgang, den er so grob alle zwei Wochen vornahm: Er las nicht und bestätigte.
Er nahm also keine Kenntnis davon, dass er nicht nur den geflossenen Strom bezahlte. Für eine volle Ladung benötigt sein Auto hier knapp fünf Stunden. Aber der 121. Lademinute aber wurden ihm nicht nur 65 Cent / kWh berechnet, sondern auch 18 Cent / Minute als Blockade-Gebühr für den Stellplatz. „Was ist erst mit Autos mit größerem Akku?“, fragt sich Degner heute. Denn die Ladesäulen laden eben in dem ihnen gegebenen Tempo. Nach zwei Stunden abbrechen und umparken: absolut umständlich.

Wir fragen die Stadtwerke an und bekommen Antworten: „Ich bedanke mich für das Kundenfeedback, das uns an der Stelle sehr hilft“, sagt Jens Langensiepen, der Geschäftsführer des Unternehmens. Denn mit Degners Hilfe konnte ein Programmierungsfehler aufgedeckt werden.
Zum Jahreswechsel habe man den Tarif am Stadtwerke-Schnelllader am Westringcenter (Am Landwehrbach) umstellen wollen. Dort gelte seitdem ein Ad-hoc-Tarif, also für Kunden ohne Stadtwerke-Konto oder sonstige Lade-Dienstleister, der bei 65 ct/kWh und ab der 121. Minute 18 ct/Minute beträgt. Hier sei die Blockiergebühr richtig und nachvollziehbar, da E-Autos an dem Schnelllader in der Regel deutlich schneller vollgeladen sind als in zwei Stunden.
Normallader eigentlich ohne Blockiergebühr
„Um sicherzustellen, dass hier ein E-Auto die Ladesäule nicht stundenlang blockiert, haben wir hier eine Blockiergebühr eingeführt“, sagt Langensiepen. Bei allen anderen Ladesäulen, die als ‚Normallader‘ 22 kW pro Ladepunkt bieten, sollte dieser Tarif aber nicht gelten, sondern der alte Tarif bestehen bleiben. Der liegt bei 65 ct/kWh ohne Blockiergebühr.
„Im Zuge der Beschwerdeaufklärung haben wir festgestellt, dass wir zum Jahreswechsel versehentlich für alle Ladesäulen eine Blockiergebühr hinzugefügt haben. Das war nicht unsere Absicht“, so der Stadtwerke-Chef. Dem betroffenen Fahrer habe man aus Kulanz die Gebühr für den von Ihnen genannten Ladevorgang erstattet. Bis Ende nächster Woche werde die Blockiergebühr für die Normallader zurückgenommen. Die Umstellung dauere aber einige Tage.

Degner sei gleichwohl einer der wenigen Kunden, die das Ad-hoc-Laden in Anspruch nähmen. Von 1812 Ladevorgängen im Januar an allen Ladepunkten waren das 43, sagt der Stadtwerke-Chef. Sie scannen mit dem Smartphone einfach den QR-Code und werden dann auf dem Ladesäulen-Display durch den Ladevorgang gelotst. Andere Nutzer verfügen über Apps oder Ladekarten diverser Anbieter am Markt.
Wenn andere Kunden beim Laden durch diese Umstellung viel mehr bezahlt haben, können sie sich womöglich auch bei den Stadtwerken melden. An den aktuell 84 aktiven Ladepunkten gelte bald in jedem Fall wieder der Preis von 65 ct/kWh ohne Blockiergebühr. Und im Laufe des Jahres plane man, selbst eine Stadtwerke-Ladekarte und -App mit attraktiven Konditionen anbieten zu können, so Langensiepen.