Der Himmel ist tiefgrau verhangen. Es schüttet wie aus Eimern. Die Eleganz des beeindruckenden Bauwerks kommt an diesem verregneten Dezember-Nachmittag gar nicht recht zur Geltung. Die Emschergenossenschaft (EG) hat zu einer ersten Begehung des „Sprung über die Emscher“ eingeladen.
Vorsicht ist geboten: Der Zugang ist noch geschottert, der Brückenvorplatz West am Übergang zum Erlebnispark Emscherland noch gar nicht gestaltet. Am anderen Ende, auf Henrichenburger Seite, dürfte es nicht anders aussehen. Eine ganze Reihe Arbeiten stehen noch aus, bevor die in zwei weiten Bögen geschwungene Brücke über Emscher und Rhein-Herne-Kanal freigegeben wird.
„Wir rechnen, dass wir sie nach den Sommerferien mit einem Fest eröffnen können“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft. Wenn die Witterung es zulasse, soll es im Februar für die Bürgerinnen und Bürger schon einmal eine Baustellenführung geben.
Offenes und gutes Wetter nötig
In den Wintermonaten sei nur ein Teil der noch ausstehenden Arbeiten möglich, erklärt Markus Kühnel, Gruppenleiter der Planungs- und Bauabteilung. Dazu zählt unter anderem die Installation der Beleuchtung, die in die Unterseite der Handläufe am Brückengeländer integriert sind.
„Bei den restlichen Arbeiten sind wir auf offenes, gutes Wetter angewiesen“, sagt Kühnel. Zwei Monate nehme das Aufbringen der letzten (siebten) Schicht des Korrosionsschutzes und des speziellen Fahrbahnbelags sowie das Anbringen der Netze am Geländer der Brücke in Anspruch. Da das vor dem Winter nicht mehr möglich war, kommt es zu der weiteren Verzögerung bei der Eröffnung.

Im Oktober 2023 hatte EG-Sprecher Ilias Abawi im Interview mit unserer Redaktion das Frühjahr 2024 als Termin genannt. Ursprünglich hatte der Wasserwirtschaftsverband das Jahr 2022, dann das Frühjahr 2023, später den Herbst 23 geplant. Zunächst die Corona-Krise, dann der Ukraine-Krieg brachten jedoch den gesamten Projektplan zeitlich in Verzug.
Vom künftigen Fahrbahnbelag sind gut zehn Meter als Test aufgebracht. Der Belag erinnert an eine körnige Tartan-Laufbahn. Sie muss bei jedem Wetter griffig sein, um die Unfallgefahr für Fußgänger und Radfahrer zu minimieren. An diesem Nachmittag besteht der Belag den Stresstest – und bleibt trotz der Regengüsse rutschfest.

Zwei weitere Monate seien am Ende noch für Restarbeiten notwendig, rechnet Markus Kühnel. „Wir hoffen auf einen milden Winter“, sagt er. Die Baufirma stünde bereit, dann gegebenenfalls auch früher mit den witterungsabhängigen Arbeiten zu beginnen.
Nicht nur an der Brücke, sondern auch in ihrem Umfeld stehen noch Arbeiten an. An den Zugängen zum sogenannten „Platz der Schichten“ auf der Wartburginsel oder auf der anderen Kanalseite zu den Emscherterrassen müssen Landschaftsgärtner noch das Gelände modellieren. Die Sitzflächen an den tribünenähnlichen Aufenthaltsorten sollen zum Schluss eingebaut werden, erklärt Markus Kühnel.
Bei der Begehung wird einmal mehr deutlich, dass der „Sprung über die Emscher“ keine Brücke „aus dem Regal“ ist, sondern das Ergebnis eines architektonischen Wettbewerbs. Die 412 Meter lange Zügelgurtbrücke besteht aus sieben Feldern mit insgesamt 40 Bauteilen, die wiederum aus 10.500 Blechen mit einer Dicke von 10 bis 30 Millimetern. Die Teile wurden in einem Stahlwerk in Tschechien gefertigt und mit Lastzügen nach Castrop-Rauxel gebracht.

Einzelne Brückenfelder hält ein schräg stehender Pylon. Insgesamt 900 Tonnen Stahl haben die Brückenbauer verschweißt. Das Geländer ist dreidimensional und variiert in der Höhe. In den letzten Wochen haben die Facharbeiter rund 1600 Stahlösen Stück für Stück an das Geländer geschweißt. Sie halten einmal die Netze an den Seiten der 2,5 Meter breiten Fahrbahn.
Der „Sprung über die Emscher“ ist nach der Eröffnung Teil des Emscherweges und verbindet Castrop-Rauxel-Henrichenburg mit dem „Emscherland“ an der Stadtgrenze zu Recklinghausen-Suderwich.
Die Gesamtkosten des mit Städtebaumitteln des Bundes geförderten Bauwerks belaufen sich mittlerweile auf 12 Millionen Euro. Bei der Planung waren 8 bis 8,5 Millionen taxiert. „Wir werden als Emschergenossenschaft die Mehrkosten tragen“, erklärt Vorstandsvorsitzender Uli Paetzel. Der notwendige Kredit habe eine Abschreibung auf 60 Jahre. Durch die Mehrkosten komme auf die Mitgliedskommunen der EG keine Beitragssteigerung zu.