Horst Timm fährt gerne und viel Fahrrad. Das ist an sich nichts Besonderes. Doch der 67-Jährige verbindet mit seinen Touren durch den Kreis Recklinghausen, das Ruhrgebiet und Umgebung gleich zwei sehr ungewöhnliche Tätigkeiten: Zum einen fotografiert er Grubenwagen - inzwischen mehr als 2000 -, zum anderen sammelt er Altglas - inzwischen mehr als vier Tonnen!
„Genau 4010,4 Kilogramm Altglas habe ich bisher aufgelesen“, stellt der pensionierte Lehrer mit einem Blick auf seine Statistik und ein wenig Stolz in seiner Stimme klar. 4010,4 Kilo - das entspricht in etwa dem Gewicht eines ausgewachsenen asiatischen Elefantenbullens, in der Tat ein stolzes und rekordverdächtiges Ergebnis. Vielmehr eine stolze und rekordverdächtige Zwischenbilanz, denn der Castrop-Rauxeler hört bislang nicht auf, fast täglich mit dem Rad unterwegs zu sein und dabei die Augen offenzuhalten: nach Altglas am Wegesrand, im Gebüsch, neben Abfalleimern - und nach Grubenwagen in Gärten, Hinterhöfen, vor öffentlichen Gebäuden.
Seinem persönlichen Triathlon - Radfahren, Glassammeln, Grubenwagen fotografieren - geht Horst Timm seit 2019 nach. „Da wurde ich pensioniert und habe mich gefragt, was ich jetzt mache“, erinnert er sich. „Radfahren, das war klar - das macht mir Spaß und ist gesund. Aber es wird ohne Ziele auf Dauer leicht langweilig. So habe ich mir Dinge gesucht, die das Ganze interessanter machen.“
Wieder schaut der ehemalige Mathematik-, Kunst- und Musiklehrer in seine - offenbar sehr genaue - Buchführung. Er bilanziert: „16.612 Flaschen sind es bisher, seit dem 9. August 2019.“ Sie sind gezählt, eingetragen und im ersten halben Jahr der „Sammelleidenschaft“ auch genau von ihm gewogen worden. „Inzwischen weiß ich, wie das Gewicht ist, zum Beispiel, dass drei Bier ein Kilo ausmachen. Da muss ich nicht mehr extra wiegen“, sagt Horst Timm über die etwa zehn Flaschen, die er bei einer Tour durchschnittlich sammelt.
„Ich mache das aus guten Gründen“
„Dadurch wird das Radfahren natürlich anstrengender, ich muss ja jedes Mal zum Aufheben der Flaschen absteigen“, berichtet der 67-Jährige. Dennoch zweifelt er nicht an seiner ungewöhnlichen Aktivität, wie er fast beiläufig erklärt: „Ich mache das aus guten Gründen, denn das ist positiv für die Umwelt - wenn das Zeug nicht überall herumliegt.“
Dabei ist Horst Timm natürlich klar, dass Flasche nicht gleich Flasche ist - und so wird von ihm auch sortiert. Nur das pfandfreie Altglas kommt in die dafür vorgesehenen Container, Pfandflaschen stellt er neben den Abfallbehältern ab. „Damit möchte ich meine Pension nicht aufbessern“, sagt Horst Timm schmunzelnd. „Die Flaschen holt sich dann immer ein Pfandsammler ab.“ Und wenn Horst Timm unterwegs einem Flaschensammler begegnet, bekommt der eben das Leergut: „Dann wird mein Korb direkt ausgeleert.“
Horst Timm ist einer der „Hunte-Hunter“
Bei seinem Glas- und Grubenwagen-Hobby trifft Horst Timm viele Menschen, „da kommt es schon zu interessanten Gesprächen“, erzählt der Castrop-Rauxeler. „Zum Beispiel darüber, warum ich das mit dem Glas mache, da sind manche Leute befremdet.“ Und auch der Bergbau ist bisweilen Thema: So hat Horst Timm 2020 einen anderen Grubenwagen-Fotografen kennengelernt - Martin Holtappels, der jetzt sogar einen Bildband mit Grubenwagen herausgegeben hat. Inzwischen tauschen sich die beiden Männer regelmäßig aus, geben sich gegenseitig Tipps zu Grubenwagen-Standorten. Zusammen nennen sie sich die „Hunte-Hunter“. „Hunt“ ist ein anderer Ausdruck für Kohlenförderwagen, das englische „Hunter“ bedeutet Jäger.
Natürlich hat Horst Timm auch über die Grubenwagen-Fotos genau Buch geführt: „Ich bin inzwischen während meiner Radtouren bei 2239“, berichtet er, jeweils 250 Fotos hat er in einem Album verewigt. Einer dieser Wagen steht im Vorgarten seines Hauses. Mit aufgedruckten Lebens- und Arbeitsdaten erinnert das alte Stück an seinen Vater Ferdinand Timm, der mehr als drei Jahrzehnte lang unter Tage gearbeitet hat.
„Manchmal beißt man sich an einem Thema fest“
Und die Grubenwagen-Leidenschaft von Horst Timm geht weit, sie begleitet ihn sogar bis in den Urlaub, auch da werden bisweilen mit dem Rad Wagen aufgesucht und fotografiert. „Manchmal beißt man sich eben an einem Thema fest“, gibt Horst Timm lächelnd zu und ergänzt etwas erleichtert: „Meine Frau nimmt das im Urlaub gelassen - wenn ich es nicht übertreibe und natürlich schöne Radtouren heraussuche.“ Denn bei aller Begeisterung für die Bergbauwagen, bei allem Engagement für das Altglas erinnert sich Horst Timm selbst an den ursprünglichen Sinn seiner Freizeitbeschäftigung: „Das Hauptziel ist ja das Radfahren.“
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