
© Ronny von Wangenheim
Der Schnaps für unter Tage: Im Speicher der Kornbrennerei Schulte-Rauxel
Wir öffnen Türen
In die gute Stube der Kornbrennerei Schulte-Rauxel kommen Menschen gerne zum Heiraten. Doch auf dem alten Hof gibt es auch dunkle, gruselige Ecken, gut geeignet für teuflische Zaubermeister.
Der Hof Schulte-Rauxel ist Heimat für Künstler, Gewerbetreibende oder Handwerker. Im Wohnhaus aus dem Jahr 1840 empfangen Konrad Hirschmann (65) und Karin Ahlrichs (63) Brautpaare, die sich im perfekten Ambiente das Ja-Wort geben. Doch es gibt auch düstere Ecken mit Gruselfaktor. Dazu führt uns das Ehepaar auf den Dachboden der ehemaligen Kornbrennerei.
Steil führt eine schmale Treppe auf den Dachboden hinauf. Unten ist heute das Atelier von Andreas Flügel. In früheren Jahrhunderten schleppten hier Menschen auf den Schultern schwere Kornsäcke auf den Kornspeicher. In den vergangenen Tagen lebten diese Zeiten wieder auf, wenn auch etwas gespenstischer.
Eine hölzerne Treppe, die relativ steil vom Boden noch weiter hinauf zu einer Empore führt, könnte genauso in der Mühle stehen, in der Otfried Preußlers Krabat sein Handwerk bei einem Zaubermeister lernte: Hier schleppten jetzt Schauspieler des Westfälischen Landestheaters Säcke nach oben, gefilmt von Kameras. Die Videos, die hier entstehen, werden in die Inszenierung von „Krabat“ eingebaut. Die Produktion gibt es zwar schon länger. Aber nach Umbesetzungen musste jetzt neu gedreht werden.
Video für Moldawien-Song entstand auf dem Kornspeicher
Konrad Hirschmann öffnet für solche Aktionen gerne den riesigen Dachboden. Auch ein Video für den Beitrag zu Moldawien beim Eurovision Song Contest entstand vor einigen Jahren zwischen den alten Holzbalken. Hirschmanns Familie ist hier immerhin seit 250 Jahren hier angesiedelt.
Im Wohnhaus kann man viele seiner Ahnen an den Wänden bewundern. Und ja, so erzählt er lächelnd, es gebe hier auch Geister. Der Dachboden ist auf jeden Fall beliebter Spielort für die fünf Kinder und inzwischen zahlreichen Enkel.
Im Kornspeicher öffnet Konrad Hirschmann eine Luke, an der die Säcke per Flaschenzug hochgezogen wurden. Draußen hängen noch zwei dieser Säcke als Anschauungsmaterial. Viele Tonnen Weizenkorn lagerten hier mannshoch nach der Ernte.
Korn der Brennerei Schulte Rauxel wurde an Zechentoren verkauft
Auf dem Speicher waren früher auch riesige Wasserfässer untergebracht. Im Boden sieht man, wo früher Löcher waren. Darunter standen drei Meter hohe riesige Bottiche, in denen das Weizenkorn einen weiteren Schritt machte hin zum fertigen Kornbrand. Geheizt wurden sie mit heißem Dampf, der in einem Kesselraum erzeugt wurde.

Auf dieser Leiter hat das WLT ein Video gedreht. © Ronny von Wangenheim
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auf dem Hof Schulte-Rauxel Korn gebrannt. Als die vielen Zechen entstanden, war der Korn gefragt. „Mein Urgroßvater fuhr mit dem Ochsenkarren vor das Zechentor und schenkte den Schnaps aus“, erzählt Konrad Hirschmann. Eine gewisse Menge durften die Bergleute unter Tage mitnehmen, erzählt er. Dieser dort verkostete Schnaps sei allerdings nicht so hochprozentig gewesen.
Bis zu 35 Schnapssorten wurden produziert
Mit dem Abfallprodukt der Brennerei, der eiweißreichen Schlempe, wurde das Vieh gefüttert. „Diese Geschäftsidee hat den Hof groß gemacht“, sagt Konrad Hirschmann. Bis zu 35 Sorten wurden in Hochzeiten produziert. Korn, Doppelkorn, Wacholder, Boonekamp, Aufgesetzter und vieles mehr entstand in der Kornbrennerei Schulte-Rauxel.

Konrad Hirschmann zeigt, wo früher die Säcke auf den Speicher gezogen wurden. © Ronny von Wangenheim
Rund 150 Jahre wurde Korn gebrannt und verkauft. Dann machte neues EU-Recht dem Ganzen ein Ende. Hirschmann: „Danach war es nicht mehr rentabel.“ Statt nur einer Geschäftsidee entwickeln sich seither auf dem Hof an der Rieperbergstraße viele: Tonstudio, Musikschule, Künstleratelier, Kletterschuhmeister, Catering-Service, Trauzimmer – das alles findet sich in den historischen Mauern. Und die Feuerwehr, bis sie bald in einen Neubau an der Pallasstraße umzieht.