Die Speed Engineering GmbH ist am 4. November endgültig nach Castrop-Rauxel gezogen. Im eigenen Onlineshop bieten sie Bauteile für Autos und Motorräder an, die sie selbst entwickelt und getestet haben. Damit sollen Motorsport-Fans mit ihren Fahrzeugen sicherer und schneller über die Rennstrecken fahren können.
Die Geschäftsführer Denis Wachsmann und Zoran Tilev kamen auf unterschiedlichen Wegen zu ihrem Beruf. „Dass ich Ingenieur werden will, war eigentlich schon lange klar – auch losgelöst vom Thema Auto“, erzählt Dennis Wachsmann. In seinem Studium nahm er an dem Konstruktionswettbewerb „Formula Student“ für Studenten teil. Dabei mussten Rennwagen gebaut werden, die dann gegen Teams aus der ganzen Welt angetreten sind. Die Technik und der Motorsport faszinierten Wachsmann.
„Bei mir waren Autos schon immer ein Riesenthema. Ich wollte eigentlich immer Autodesigner werden“, erzählt Zoran Tilev. „Aber mein Vater sagte, das wird eh nichts. Das machen nur wenige Menschen auf der Welt und dafür bist du nicht gut genug.“ Nach einer kaufmännischen Ausbildung kehrte er jedoch in den technischen Bereich zurück und wurde Ingenieur.
Tilev und Wachsmann lernten sich kennen und fuhren sogar gemeinsam in einem privaten Rennteam. „Wir haben dabei gemerkt, dass es viele Produkte gibt, die wir anders machen würden“, erzählt Wachsmann. Weil die beiden Ingenieure in ihren Jobs unglücklich waren, entschieden sie, – mitten im Lockdown 2021 – ein Start-up zu gründen: die Speed Engineering GmbH.
Aber wie entwickelt man Bauteile für den Motorsport? Zuerst sehen sich Wachsmann und Tilev ein Auto im Serienzustand an und überlegen, was sich daran verbessern lässt, um es für die Rennstrecke effizienter zu machen. Da sie die sogenannten CAD-Daten – sozusagen technische Daten für Konstruktionsentwürfe auf dem Computer – von den Herstellern nicht bekommen, müssen sie das Auto mit einem 3D-Scanner digitalisieren. Anhand des entstandenen 3D-Modells muss das Auto rekonstruiert und digital nachmodelliert werden.
Am Computer entwerfen sie ein Bauteil, bauen es an das Auto und lassen es verschiedene Simulationen und Analysen durchlaufen. Denis Wachmann erzählt: „Dabei geht es um Fragen wie: Wo positionieren wir den Heckflügel, um Anpressdruck im hinteren Bereich zu erzeugen? Wo den Splitter, um im vorderen Bereich die Aerodynamik zu verbessern?“

Auch Unfälle können am Computer simuliert werden, um Schwachstellen des Materials aufzudecken und das neue Teil an den nötigen Stellen zu verstärken. Druck, Aerodynamik, Abtrieb, Entlüftung, Reibung oder Hitze – eine Vielzahl von physikalischen Faktoren müssen die Ingenieure bedenken, wenn sie ein neues Teil entwickeln.
Der erste Prototyp des Bauteils entsteht im 3D-Drucker, manche Teile werden auch gefräst oder mit Lasern geschweißt. Für die Tests fernab des Computers geht es auf die Rennstrecke. Mal auf die Nordschleife des Nürburgrings, mal nach Oschersleben oder nach Zandvoort in den Niederlanden. Zum einen lässt sich an Rundenzeit, Kurvengeschwindigkeit oder Endgeschwindigkeit auf der Zielgeraden ablesen, ob das neue Teil seinen Zweck erfüllt. Zum anderen prüfen sie auf sichtbaren Verschleiß oder arbeiten mit verschiedensten Sensoren.

Die Geschäftsführer von Speed Engineering planen für ihre Firma ein neues Gebäude, in dem auch ein eigener Windkanal entstehen soll. „Für unsere Zwecke reicht eine Miniaturform von den Windkanälen, die man aus der Formel 1 kennt“, erzählt Denis Wachsmann. In dem 14 Meter langen Kanal sollen sich die Luftströmungen um das Auto herum noch besser testen lassen.
Zu den Zukunftsplänen gehört auch, dass die Firma die Dienstleistungen eines Ingenieurbüros weiter ausbauen will, die Zoran Tilev und Denis Wachsmann fernab des Automobilbereichs anbieten.
Seit der Gründung ihrer Speed Engineering GmbH hat sich das Leben der beiden Entwickler sehr verändert. „Der Job hat alles umgekrempelt, fordert viel von einem und ist definitiv aktuell der Mittelpunkt unseres Lebens“, sagt Tilev. Für Freundschaften oder Freizeit bleibe nicht mehr viel Zeit.
Vor allem die ersten Jahre der Firma waren für die Gründer anspruchsvoll. „Wir haben unser Erspartes in die ersten Prototypen gesteckt und hatten einfach gar kein Geld“, erzählt der 34-Jährige. „Es geht nicht spurlos an einem vorbei, wenn man zwei Jahre kaum schläft und viel Stress hat: zum Beispiel, wenn man nachts um 3 Uhr noch in die Firma fährt, um den 3D-Drucker wieder anzustellen, damit Geld reinkommt.“
Die Gründung ihres Start-ups haben die Unternehmer jedoch nie bereut. Anderen würden sie diesen Schritt aber gerade wegen der finanziellen und gesundheitlichen Belastung trotzdem „auf keinen Fall empfehlen“. Auch wenn die Herausforderungen Wachsmann und Tilev persönlich weiterentwickelt haben. „Man wächst daran, händelt Probleme völlig anders, ist stressresistenter und lösungsorientierter“, erzählt Zoran Tilev. „Ich persönlich kann sagen, dass ich meinen Horizont um so vieles erweitert habe. Das hätte ich im Angestelltenverhältnis nicht hinbekommen.“