Energie-Dialog

Soziale Träger schlagen Alarm: „Unendlich vielen Familien droht Schieflage“

Immer mehr Menschen geraten wegen der steigenden Preise in Existenznöte. Sie bräuchten Hilfe. Doch die sozialen Träger in Castrop-Rauxel kämpfen selbst mit der Energiekrise. Ein Dilemma.

Castrop-Rauxel

, 15.10.2022 / Lesedauer: 3 min

Mit steigenden Kosten kämpfen nicht nur viele Familien in Castrop-Rauxel. Auch die sozialen Träger der Stadt machen sich Sorgen. Wenn die Kosten, vor allem für Energie, weiter so steigen, könnten soziale Strukturen wegbrechen.

Sozialberatung, Beratung für Senioren, Erziehungsberatung, Tafel und Suppenküche, Frauenhaus, Ferienfreizeiten für Kinder und Jugendliche – das sind nur einige Beispiele für wichtige Hilfen. „Wir müssen auf uns aufmerksam machen“, sagt Veronika Borghorst, Vorständin der Caritas Castrop-Rauxel. Gerade haben sie und Vertreter anderer Träger und der Stadt sich zu einem Energie-Dialog getroffen. Borghorst und die Beigeordnete Regina Kleff sagen, was dabei raus kam.

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Die Krise hat die Familien erreicht, sagt Veronika Borghorst. Die Kinder in den Kitas würden davon erzählen, welche Probleme Eltern haben. „Wir haben eine Verantwortung, dass Kinder sich keine Sorgen machen müssen“, findet Regina Kleff.

Auch soziale Träger brauchen einen Rettungsschirm

In der Corona-Pandemie mit den Lockdowns habe es Geld vom Staat gegeben, um Strukturen zu erhalten. Ähnliches fordert die Erste Beigeordnete jetzt: „Auch die sozialen Träger brauchen einen Rettungsschirm.“ Land und Bund seien gefordert. Beim Energie-Dialog hörte Jule Wenzel, Landtagsabgeordnete der Grünen und deren Sprecherin für Sozialpolitik, diesen Appell deutlich.

Die angekündigte Gaspreisbremse mag erst einmal Hoffnung bringen. Veronika Borghorst hatte bei den ursprünglich angekündigten Preissteigerungen schon mal gerechnet, dass die Mehrkosten so viel Geld ausmachen würden, wie für vier bis fünf Vollzeitstellen ausgegeben werden. Dabei spielten nicht nur die Energiekosten eine Rolle, sondern auch die allgemeine Preissteigerung etwa für Lebensmittel und Benzin. Neben dem Gaspreisdeckel müsse es auch einen Strompreisdeckel geben.

Veronika Borghorst ist Vorständin der Caritas Castrop-Rauxel. © Thomas Schroeter

In den Kitas, so die Caritas-Vorständin, müsse sicher noch nicht Alarm geschlagen werden. Da sei sie vorsichtig optimistisch, dass eine Lösung auf Bundesebene gefunden werde. Aber bei den vielen freiwilligen Leistungen, für die die Caritas einen Eigenanteil von 20 Prozent aufbringen muss, könnte es bald problematisch werden.

Immer mehr Familien brauchen Unterstützung

Geld gehe in die Strukturen, für die Freiräume aber bleibe kein Geld, das sei ihre Sorge, sagt Veronika Borghorst. Kurz zusammengefasst: Muss mehr Geld in Strom und Heizung gesteckt werden, müssen entweder Angebote gekürzt werden oder aber Stunden beim Personal, was wiederum zu gekürzten Angeboten führen würde.

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Dabei müsste es genau umgekehrt sein: „Unendlich viele Familien mit kleinen Einkommen könnten in Schieflage kommen, in der sie unterstützende Hilfe brauchen.“ Ein Beispiel: Fünf Stunden stehen in der Woche für Sozialberatung zur Verfügung. „Wir könnten locker eine Vollzeitkraft beschäftigen“, sagt sie. „Anfang des Jahres wurden wir überrannt von Hilfesuchenden, das war nicht zu schaffen.“

In der Küche des Caritas-Verbandes kochen Ehrenamtliche das Essen für die Suppenküchen-Ausgabe. Das Foto entstand im vergangenen Winter. © Thomas Schroeter

Andere Angebote werden immer mehr angenommen. Als Spende des St.-Rochus-Hospitals kommt einmal in der Woche freitags ein Eintopf aus der Klinik-Küche zur Caritas. „Es kommen regelmäßig 30 Menschen“, sagt sie. Tendenz steigend. Genauso sieht es bei der Tafel aus. 1600 Menschen sind als Kunden gelistet. In diesem Jahr kamen viele Ukrainer dazu. „Und es werden immer mehr Jüngere“, so die Caritas-Chefin.

Mehr Wohngeld-Berechtigte bedeuten mehr Personal bei der Stadt

Lebensmittel werden meist von Lebensmittelmärkten gespendet. Doch die Caritas ist auf weitere Spenden angewiesen. Wie sich die Spendenbereitschaft angesichts der Inflation entwickeln wird: ein großes Fragezeichen.

Weitere Problemfelder: Regina Kleff erläuterte beim Energie-Dialog, dass Veränderungen beim Wohngeld mehr Antragsteller bringe. Dafür bräuchte es zusätzliche Stellen im Rathaus, also stiegen die Personalkosten.

Sven Lütkehaus, Geschäftsführer beim paritätischen Wohlfahrtsverband, sprach die Gefahr an, dass freiwillige Leistungen wie die von der Kommune bereitgestellte psychosoziale Beratung als erste dem Rotstift zum Opfer fallen könnten.

Christoph Haßel-Puhl von der Lebenshilfe Castrop-Rauxel, Oer-Erkenschwick, Datteln, Waltrop unterstrich, dass durch den allgemeinen Fachkräftemangel notwendig werdende Zusatzleistungen zunehmend langen Bearbeitungszeiten gegenüberstehen. Familien müssten in Vorkasse gehen, was oft nur mit Krediten zu stemmen sei. Hier müssten kurzfristige Instrumente ansetzen, forderte Ralf Wenzel von der städtischen Schuldnerberatung einen Stopp der Verschuldungsspirale ein.

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