Welchen Anteil macht der Solarstrom in Castrop-Rauxel inzwischen aus? Und welchen strebt man an? Diese Frage steht im Raum, nachdem unsere Redaktion unter den Fachbetrieben, die Photovoltaik-Anlagen bauen, eine Umfrage gemacht hat. Das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur gibt Aufschluss. Gemeinsam mit zwei Fachleuten aus der Castrop-Rauxeler Szene haben wir sie betrachtet.
Sebastian Land und Ulrich Werkle sind beide engagiert in der Energiegenossenschaft Gemeinschaftsenergie, die sich vor wenigen Wochen gründete und der nun schon 250 Genossen zählen. Wenn man also die aktuell in Betrieb befindlichen Einheiten betrachtet, ergibt sich eine Zahl von 1215 Anlagen mit einer Gesamtbruttoleistung von 17,367 Megawatt peak zum 1. November. Am 1. Januar waren es nach Auswertung von Werkle und Land noch 15,843 MWp und 1032 Anlagen.
Diese Daten entsprechen nicht ganz einer Auswertung von Selfmade Energy, die eine Pressemitteilung an unsere und viele andere Redaktion schickten: „In Castrop-Rauxel wurden 2022 64 Solaranlagen neu installiert“, hieß es darin. Dies entspreche einem Zuwachs von 6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Deutschlandweit liege man bei 7,7 Prozent, in Dortmund bei um 9 Prozent.
„Ich kann diese Zahlen nicht ganz nachvollziehen“, urteilt Sebastian Land. Er kommt auf einen Zuwachs von 9,6 Prozent Leistung, die relevanter sei als die bloße Zahl der Anlagen. Doch auch das bezeichnet der Vorsitzende der Genossenschaft Gemeinschaftsenergie „bei weitem nicht“ als ausreichend.
80 Prozent Deckung bis 2030
Er erklärt sein Urteil so: „Wenn wir insgesamt von vereinfacht 900 kWh pro kWp im Jahr ausgehen, dann können wir insgesamt, stand heute, 14.258 MWh Strom im Jahr mit Photovoltaik erzeugen.“ Bei der Gemeinschaftsenergie fokussiere man allerdings auf das Ziel, 80 Prozent des Strombedarfs im Jahr 2030 erneuerbar zu decken. „Wir denken eher in Jahren, die uns noch bleiben“, so Land.
Innerhalb der nächsten sieben Jahre müssten Castrop-Rauxel demnach 80 Prozent eines geschätzten Strombedarfs von 270.000 MWh decken. Dieser Wert stammt aus dem Ausbaupfad für Castrop-Rauxel aus dem Klimabeirat* der Stadt, der in der Politik bekannt ist. Dort ging man von Basiszahlen von 2019 aus, wo der tatsächliche Bedarf bei 206.400 MWh lag.
Von dort rechnete er mit den in einem Szenario skizzierten 2,5 Prozent an wachsendem Bedarf bis 2030 hoch, wobei er aber von einem tatsächlich höheren Bedarf ausgeht: Der forcierte Vormarsch von Wärmepumpen und vor allem Elektroautos sorgt vermutlich für noch mehr Strom-Hunger.

Im Moment kommen noch ungefähr 34.000 MWh aus Windkraft und anderen erneuerbaren Quellen in Castrop-Rauxel zum Solarstrom hinzu. „Man sieht, dass wir eine ordentliche Schippe zulegen müssen“, so Land.
Die Bundesregierung machte nun den Weg frei für kleinere Anlagen bis 30 kWp, mit denen man grob drei bis vier Haushalte versorgen kann: Für die fallen zum 1.1.2023 die Umsatzsteuer- und Einkommenssteuer-Pflichten. Neben wegfallender Bürokratie für die Betreiber fallen auch Beschaffungskosten niedriger aus. Die Rechnung eines Fachbetriebes, der ab Januar Anlagen baut, werden künftig von den üblichen 19 Prozent Mehrwertsteuer für Arbeitsleistung und Materialkosten befreit. In der Rechnung ist dann für den Kunden Brutto gleich Netto.
„Wer sich eine PV-Anlage aufs Dach setzt“, meint Land, „kann Brutto-Kosten von 40 Cent und mehr je Kilowattstunde durch Netto-Kosten von ca. 10 Cent je Kilowattstunde ersetzen und richtig viel Stromkosten sparen.“
Genossenschaft will Großanlagen
Er selbst verfolgt als Vorsitzender der Genossenschaft das Ziel, größere Anlagen zu bauen, weil sie in Bezug auf ihre Leistung schneller und günstiger gebaut sind. Gemeint sind Anlagen so um die 100 kWp, die man gut auf Gewerbeimmobilien bauen kann. „So hoffen wir, nächstes Jahr Anlagen mit zusammen mindestens 0,8 MWp Leistung zu errichten. Das wäre ein Fünftel dessen, was im Stadtgebiet insgesamt passieren müsste, damit wir das Ziel schaffen“, rechnet Sebastian Land vor.
Wenn man nächstes Jahr ungefähr 4,8 MWp Leistung zubauen würde, müsste man einem Ausbaupfad mit folgenden Stufen folgen: 2027 wären 13,3 MWp als Zubau gefragt, 2030 28 MWp. Die Genossenschaft verfolgt dabei auch den Plan, selbst Hand anzulegen. Denn von den elf Fachbetrieben, die unsere Redaktion anfragte, meldeten einige der sechs antwortenden Unternehmen eine Barriere zum schnellen Ausbau: Auftragslage und Fachkräftemangel. Das Material ist bei den meisten Anbietern hinreichend vorhanden.
Gemeinschaftsenergie will anpacken. Die ersten Dächer werden gerade schon von den Machern begangen und auf Machbarkeit geprüft. Und wer selbst zu Hause ausbauen möchte: Bei einer Prüfung und Beauftragung durch einen Fachbetrieb noch in diesem Jahr könnte die eigene PV-Anlage nach Angaben der Firmen bis zum Frühsommer 2023 am Netz sein.
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*Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle schrieben wir zunächst Klimabündnis, meinten aber den Klimabeirat. Beim Klimabündnis handelt es sich um einen privaten Zusammenschluss von Menschen, die den Klimaschutz in Castrop-Rauxel voranbringen wollen. Der Klimabeirat ist ein Organ des Stadtrates und von diesem per Beschluss ins Leben gerufen.