
© Uwe von Schirp
Sexy oder Sexismus? Sophia Thomalla sorgt an der Stadtgrenze für Zündstoff
Knepper-Gelände
Ein Transparent am Knepper-Gelände erregt Gemüter. Es zeigt eine Frau mit langen blonden Haaren im roten Lack-Minikleid: Sophia Thomalla. Aber nicht das allein ist der Stein des Anstoßes.
Unser Leser Karl Glowsky schreibt: „Me too war gestern.“ Und fährt fort: „Nur all zu viele Menschen können oder wollen nicht sexy von sexistisch trennen. Dabei ist der Sexismus die größte Diskriminierung weltweit, weil damit die Hälfte der Menscheit getroffen werden soll.“ Was den Leser auf die Palme bringt, ist ein Transparent am Zaun des ehemaligen Knepper-Geländes.
„Echte Kerle versetzen keine Mädels. Echte Kerle versetzen Berge.“ Der eher platte Slogan erhält seine Brisanz durch das Bild-Motiv. Eine Frau liegt auf einem Haufen Sand. Das Bild bedient Klischees: Das Model hat blonde Strähnen, trägt ein knappes rotes Lack-Minikleid, streckt ihren Po in die Höhe.
Es ist ein Transparent der Firma Schüttflix: einige Meter lang, fast zaunhoch. Unweit der Bahnbrücke an der Nierhausstraße hängt es an den Drahtmaschen, dahinter ein Berg Erdaushub.
Tiefbau-StartUp ist ein Hagedorn-Schwester-Unternehmen
Dass es hier hängt, steht im Zusammenhang mit der Entwicklung des ehemaligen Kraftwerksgeländes. Auf Knepper bewegen Bagger, Radlader und Bulldozer von Hagedorn Revital seit gut zwei Jahren gewaltige Mengen Erdreich, Schotter und Sand.
Und: Schüttflix ist ein Schwester-Unternehmen von Hagedorn – ein 2018 gegründetes StartUp, das per Mobilfunk-App den Vertrieb von Schüttgut organisiert. Unternehmens-Chef Thomas Hagedorn ist einer der Gesellschafter von Schüttflix.
„Mit mehr als 1500 Partnerunternehmen haben wir schon heute die größte Marktabdeckung in Deutschland und beliefern ganz Nordrhein-Westfalen innerhalb von vier Stunden nach Bestellung“, heißt es auf der Unternehmens-Website.
Gesellschafterin gibt dem Unternehmen ein (Werbe-)Gesicht
Wer das Transparent am Knepper-Gelände genauer betrachtet, erkennt ein bekanntes Gesicht: Schauspielerin und Moderatorin Sophia Thomalla. Als Testimonial angefragt, stieg sie Medienberichten zufolge Ende 2019 mit einem hohen sechsstelligen Betrag in das Unternehmen ein.

Das Transparent am Zaun des Knepper-Geländes sorgt für Empörung. © Uwe von Schirp
„Ich finde, die Baubranche passt sehr gut zu mir. Sie ist sehr deutsch, sie ist sehr bodenständig. Das sind harte Kerle, die packen an“, erklärte Thomalla im Oktober 2020 in einem Interview mit grunderszene.de. „Da fühle ich mich schon sehr zuhause. Eine Lidschattenkollektion in diversen Sommerfarben wäre jetzt nichts für mich. Oder vegane Fleischpatties. Da stecke ich nicht so richtig drin.“
Thomalla versteht ihren Job bei Schüttflix darin, der noch recht jungen Marke im Tiefbau-Gewerbe ein Gesicht zu geben. Korrekter müsse es heißen: ein Bild zu geben. Das tut Thomalla – auf eben jenen Transparenten, in Unternehmenskalendern und über ihren Instagram-Account. 1,2 Millionen Follower zählt sie dort.
Auf Instagram verfahren Unternehmen und Gesellschafterin quasi nach dem Prinzip der Arbeitsteilung. Während Schüttflix im wesentlichen Bilder von Männern und Maschinen verbreitet, postet Thomalla auf dem Grat zwischen „sexy“ und „Sexismus“. Diese Provokation gehört seit Jahren zu ihrem eigenen Markenkern.
Sophia Thomalla hat eigene Sicht auf den Feminismus
2018 sorgte sie als Testimonial der #Männertage-Kampagne einer Elektronikmarkt-Kette für heftige Diskussionen. Der Werberat beanstandete die Kampagne als sexistisch. In einer Folge von „Hart aber Fair“ in der ARD erklärte sie 2015: „Wer als Frau ständig für Gleichstellung und gegen Sexismus wettert, hat offenbar noch nie ein Kompliment bekommen.“
Sophia Thomalla hat ihre eigene Sichtweise auf den Feminismus. „Natürlich bin ich Feministin“, sagte sie 2019 in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit. „Wenn ich im kurzen Rock herumstehe und über mich selbst Witze mache, wie ich da im kurzen Rock stehe, ist das mein verdammtes Recht als Frau. Und wenn ich mir einen Mann aussuche, der Macho ist, auch.“
Das Transparent am Zaun des Knepper-Geländes ist nicht das erste, das Kritik auf sich gezogen hat. Im Januar verhagelte das gleiche Motiv mit der Aussage „Echte Kerle baggern. Und schaufeln. Und kippen.“ einer Lünenerin die Stimmung. Sie wandte sich an das Gütersloher Unternehmen.

Dieses Werbebanner vermieste im Januar einer Lünenerin die Stimmung. © Bagusch
Und bekam binnen einer Stunde Antwort – von Schüttflix-Prokuristin Dagmar Großenbach: „Aus meiner Sicht sind sowohl die Bilder als auch der Kalender einfach großartig geworden.“ Die Managerin verweist „auf ästhetisch schöne Bilder“. Wenn man mit dieser Werbung Frauen diskriminiere, „müsste ja jede Werbung, in der eine Frau ein tolles Outfit trägt, eine Diskriminierung sein“.
Transparente verschwinden
Karl Glowsky wird das kaum überzeugen. Kürzlich hatte er ein weiteres gleichlautendes Transparent am Knepper-Gelände entdeckt. Das sei nun womöglich „bereits abgehängt oder gar gestohlen“. Letzteres wäre im Umfeld der Tätigkeiten von Schüttflix auch nicht neu.
Im Januar verschwand auf einer Baustelle in Erftstadt ein Schüttflix-Transparent. Sophia Thomalla nutzt es am 29. Januar 2020 auf Instagram für die ‚Beziehungspflege’ mit einem mutmaßlichen Fan.
„Hey Dieb, wenn du dich outest, verpasse ich dir eine Widmung auf mittlerweile ja DEINEM Banner. Und einen @schuettflix Kalender packe ich dir auch noch gratis oben drauf“, postet sie. „Ich meine, wer sich einen 9(!!!) Meter langen Werbebanner zu Hause aufhängt - Not Bad.“
Und – wenig überraschend – die Provokation an ihre Kritikerinnen und Kritiker folgt sogleich: „Hätte ich mal wie von den Über-Feministinnen empfohlen, doch den Rollkragen Pullover angezogen... Dann hätte das Ding sicher dort gehangen, bis es Wurzeln schlägt.“
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
