Schulleiter Höck muss vier Lehrer abordnen „Mir ist die Not der Grundschulen bewusst, aber...“

ASG-Schulleiter Höck: „Mir ist die Not der Grundschulen bewusst, aber...“
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Vier Kolleginnen und Kollegen vom Adalbert-Stifter-Gymnasium in Castrop-Rauxel werden in den kommenden zwei Schuljahren an Grundschulen in der Region unterrichten. Sie werden abgeordnet, also von der eigentlichen Schule zwangsversetzt, weil der Personalmangel an Grundschulen eklatant ist und das ASG aktuell laut Stellenplan einen Personal-Überhang hat.

Wer abgeordnet wird, musste Schulleiter Joachim Höck wie die Direktoren an einer handvoll weiterführenden Schulen im Kreis Recklinghausen entscheiden. Seine Entscheidung begründet er ausführlich in einem Gastbeitrag.

Herr Höck, wie sind Sie mit der Abordnungs-Pflicht umgegangen?

Meine Vorgehensweise bei der Auswahl der Kollegen, die es betrifft, ist so wie bei anderen: Funktionsstellen, Schwerbehinderte, Kolleginnen und Kollegen bis zu einer bestimmten Altersgrenze, Mangelfächer und Kollegen mit besonderen Aufgaben, die nicht ohne weiteres und mal eben so übertragbar sind.

Warum genau so?

Das ist ein recht sachlicher Kriterienkatalog, den ich im Vorfeld erstellt und dem Lehrerrat und den Mitgliedern der Schulleitung mit der Möglichkeit der Rückmeldung vorgelegt habe. Ebenfalls habe ich ihn dem ganzen Kollegium im Vorfeld transparent gemacht.

Auf dieser Grundlage habe ich eine Entscheidung getroffen, wen ich für die Abordnung durch die Bezirksregierung benenne bzw. vorschlage. Die Entscheidung habe ich ebenfalls, wie auch die Aufstellung der Kriterien, allein getroffen.

Wie war das jetzt an Ihrer Schule für die Kolleginnen?

Mir war klar, dass diese Entscheidung die Kollegen zunächst hart trifft vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Situation, aber auch angesichts der Tatsache, dass die Arbeit an Grundschulen mit der an einem Gymnasium nicht ohne weiteres vergleichbar ist. Insofern stehen sie zunächst vor der sehr großen Herausforderung, ihr Familienleben der neuen Situation anzupassen; hier muss viel neu oder umorganisiert werden.

Angesichts der wahrscheinlich weiteren Fahrtwege zum Einsatzort und der noch ungewissen Situation ist das zunächst sicher auch eine psychische Belastung. Aber auch die pädagogische, didaktische und Erziehungsarbeit an Grundschulen wird die Kollegen zunächst vor die Herausforderung stellen, sich darauf einzustellen und einzulassen, aber auch, sich rasch in das fremde System und Umfeld einzuarbeiten und dort seinen Platz zu finden.

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Werden sie das schaffen?

Ich bin überzeugt davon, dass sie der Aufgabe an einer Grundschule gewachsen sind und dort eine gute und die Kollegien vor Ort unterstützende Arbeit machen werden.

Und wie sieht es an Ihrer Schule aus?

Die Abgeordneten sind hier nicht über. Auch wenn wir statistisch im Überhang sind, haben wir in diesem Schuljahr den teilweisen oder kompletten Ausfall von vier Kolleginnen und krankheitsbedingt die nur teilweise Einsatzfähigkeit weiterer Kollegen aufzufangen. Ganz zu schweigen von dem großen Einsatz, den die Kolleginnen zusätzlich geleistet haben, um unsere Schule weiterzuentwickeln. Hier werden sie schlichtweg mit ihrer Arbeit, ihrem Engagement, ihren Ideen und vor allem als Mitglieder des Kollegiums fehlen. Aber trotzdem, das als klares Signal, wird die Unterrichtsversorgung im kommenden Schuljahr gesichert sein.

Ist diese Maßnahme denn aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Mir ist die Not der Grundschulen durchaus bewusst; und alle Eltern, die aktuell oder in den letzten Jahren Kinder an Grundschulen haben oder hatten, können ein Lied davon singen. Nicht nur, dass der Anteil an unbesetzten Stellen in Grundschulen deutlich höher ist als an anderen Schulformen. Fehlende Lehrkräfte fallen dort wegen des Betreuungsgebotes während des ganzen Schultages deutlich stärker ins Gewicht. Vor diesem Hintergrund ist für mich nüchtern betrachtet die Entscheidung auf rein statistischer Ebene nachvollziehbar. Inhaltlich halte ich sie mindestens für schwierig.

Warum?

Weil sie alle Betroffenen, also die abgebenden Gymnasien, die aufnehmenden Grundschulen und vor allem die abgeordneten Kollegen vor enorme Herausforderungen und Probleme stellt. Insofern kann ich nur ein paar Dinge hoffen.

Was hoffen Sie denn?

Ich hoffe, dass es sich dabei um eine einmalige Aktion handelt. Dass die Schulpolitik - wie angekündigt - die Grundschulen künftig so stärkt, dass die dort ja schon seit längerem vorhandene Personalnot endlich nachhaltig und sinnvoll behoben wird. Ich hoffe außerdem, dass die Gymnasien alle Unterstützung - auch personelle - bekommen, um auch in schwierigen Phasen nicht nur die Unterrichtsversorgung, sondern auch die begonnene Schulentwicklung weiterzuführen.

Bei der Auswahl der Schulen sollte man auf deren persönliche Situation Rücksicht nehmen. Und sie sollten alle notwendige Unterstützung auch durch die Bezirksregierung erhalten, um in den beiden Schuljahren gute Arbeit machen zu können, in der sie sich mit ihrem Engagement und ihrem Selbstverständnis als Lehrer und Pädagogen angenommen und wahrgenommen fühlen.