Viele Schottergärten sind auch in Castrop-Rauxel frei von Vegetation. © Dieter Düwel

Vorgärten

Schottergärten: Früherer Trend wird in Castrop-Rauxel überall abgelehnt

Viele Hausbesitzer setzen eher auf Schotter als auf Pflanzen in ihren Vorgärten. Doch Experten verweisen auf gravierende Nachteile. Das erste Bundesland hat die Gärten sogar schon verboten.

Castrop-Rauxel

, 04.10.2020 / Lesedauer: 5 min

Der Biologe Ulf Soltau nennt sie auf seiner Homepage „Gärten des Grauens“. Sie sind auch bekannt unter Bezeichnungen wie „Steingärten“ oder „Schottergärten“. Gemeint sind die Vorgärten, die hauptsächlich mit Steinen bedeckt sind und in denen sich schon mal vereinzelte Pflanzen verlieren. Auch in Castrop-Rauxel prägen sie vor allem in Neubaugebieten das Stadtbild.

Aber das steigende Bewusstsein für Klima- und Umweltschutz hat eine Kehrtwende eingeleitet. Mehr und mehr Hausbesitzer ziehen das Grün bepflanzter Vorgärten dem Grau der Steingärten vor. Was sind die Gründe dafür?

Vorgärten ohne Pflege?

Lange Zeit galt der Vorgarten als das Aushängeschild des Hauses und wurde daher mit einem Potpourri an kleinen Bäumen, Hecken, Stauden oder Rasenflächen bepflanzt. Vor einigen Jahren wurde dann der Wunsch nach pflegeleichten Gärten immer größer.

Was war die Alternative zu dem einladenden, aber pflegeintensiven Pflanzenteppich? Mehr und mehr Hausbesitzer setzten auf Kies oder Schotter in der Hoffnung, dass sich eine intensive Pflege erübrigen würde.

Doch solch ein Garten ist nach Meinung von Gartenexperten alles andere als pflegeleicht. Garten- und Landschaftsbauer Thorsten Thuir erklärt dazu: „Man muss dem Kunden erklären, dass ein Steingarten überhaupt nicht pflegeleicht ist. In den ersten ein bis zwei Jahren mag das der Eindruck sein, aber irgendwann stellt sich das Unkraut ein, zum Beispiel durch Flugbesamung, durch das Laub im Herbst, das sich zwischen die Steine legt, oder durch Moosbefall.“

Eine regelmäßige Reinigung wird notwendig. Das geschieht oft durch Laubbläser oder Hochdruckreiniger. Diese Geräte sind laut und verbrauchen viel Energie. Viele Gartenbesitzer greifen deshalb zu Bioziden oder sogar Pestiziden, um die Steine wieder „sauber“ zu bekommen. Damit wird endgültig alles Leben auf der Fläche und im Boden vernichtet.

Umweltschädliche Abdichtung

Thorsten Thuir verweist in dem Zusammenhang auf ein weiteres Problem: „Um den Unkrautbefall von unten zu verhindern, wird eine Folie unter die Steine gelegt. Das aber verhindert den Abfluss des Regenwassers. Es kann nicht versickern und fließt direkt in die Kanalisation.“

Dr. Ulrich Häpke, Sprecher der BUND-Gruppe Ost-Vest, sieht zudem die Gefahr, dass Schadstoffe aus dem Unkrautvlies freigesetzt werden: „Es ist zu befürchten, dass Schwermetalle und hormonähnliche Substanzen ausgewaschen werden und den Untergrund kontaminieren. Im Laufe der Zeit wird auch das Vlies selbst zersetzt, so dass Mikroplastik-Partikel in die Umwelt geraten.“

Biologische Wüsten schaden dem Klima

Die vielfältigen ökologischen Nachteile der Schottergärten sind vor allem Klimaschützern und Naturfreunden ein Dorn im Auge. André Stinka, Vorsitzender der Naturfreunde NRW, erinnert an die Extremwetterphasen der vergangenen Sommer, die die Bedeutung unversiegelter und begrünter Flächen in der Stadt deutlich gemacht haben: „Pflanzen nehmen das Wasser auf und haben durch ihre Verdunstungsleistung einen positiven Effekt auf das Mikroklima. Versiegelte Böden dagegen sind biologische Wüsten und Hotspots in Hitzephasen.“

Auch Ulrich Häpke betont die schädliche Wirkung der Steinwüsten auf das Mikroklima: „Indem die Vegetation in ‚normalen‘ Vorgärten Sauerstoff produziert, Wasser verdunstet und den Boden beschattet, verwandelt sie diese Vorgärten in kleine Kaltluftinseln. Schottergärten hingegen heizen sich auf, verstärken die innerstädtischen Wärmeinseln und verursachen bei den Bewohnern einen sommerlichen Hitzestress.“

Beispiele für steinerne Gärten finden sich in allen Castrop-Rauxeler Ortsteilen. © Dieter Düwel

Bedrohung von Artenschutz und Artenvielfalt

Vor allem die Tierwelt leidet unter den Schottergärten. Sie bieten den meisten Tieren und Pflanzen weder Nahrung noch Lebensraum. BUND-Sprecher Häpke unterstreicht die Lebensfeindlichkeit der steinernen Vorgärten: „Sie bieten Vögeln und Insekten nichts zu futtern, weil unter der Folie oder dem Vlies alles Leben erstickt. Kein Wunder, wenn diese Tiere immer seltener werden. Bepflanzte Vorgärten dagegen sind ein Tummelplatz für Wildbienen, Schmetterlinge und andere Fluginsekten.“

Ulrich Häpke vom BUND ist ein scharfer Gegner der Schottergärten: „Sie bieten Vögeln und Insekten nichts zu futtern, weil unter der Folie oder dem Vlies alles Leben erstickt.“ © Die Linke

Die örtlichen Kleingärtner teilen diese Einschätzung. Stephan Bevc, Vorsitzender des Bezirksverbands Castrop-Rauxel/Waltrop: „Wir haben die Entwicklung der Schottergärten in den letzten Jahren mit Entsetzen verfolgt. Das sind einfach tote Gärten. Wir weisen unsere Mitglieder an, möglichst darauf zu verzichten.“

Initiative „Rettet den Vorgarten“

Karoline Podchull-Giesebrecht vom Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau NRW, der zusammen mit dem Bundesverband die Initiative „Rettet den Vorgarten“ ins Leben gerufen hat, betont den ästhetischen Aspekt: „Abwechslungsreiche, lebendige und attraktive Vorgärten sollen wieder die Visitenkarte des Hauses sein und dazu beitragen, die Lebensqualität am und im Haus sowie in der Nachbarschaft positiv zu beeinflussen.“

Verbandsmitglied Thorsten Thuir schließt sich an: „Wir kämpfen von Verbandsseite durch Aufklärung in den Medien gegen die Anlage von Steingärten. Die Hausbesitzer lassen sich mittlerweile auch davon überzeugen, dass ein grüner Vorgarten schöner ist.“

Eine umwelt- und insektenfreundliche Alternative zu den Schottergärten. © Dieter Düwel

Baden-Württemberg verbietet Schottergärten

Wie reagieren Politik und Verwaltung auf die zunehmende heftige Kritik an den steinernen Vorgärten? Viele Kommunen haben bereits die Anlage von Schotter- und Kiesgärten verboten. Allerdings beziehen sich diese Verbote nur auf Neubaugebiete. Andere Gemeinden scheuen sich, Verbote auszusprechen, denn sie müssten diese kontrollieren und durchsetzen.

Jetzt hat Baden-Württemberg als erstes Bundesland eine Änderung des Landesnaturschutzgesetzes beschlossen. Schottergärten auf Privatgrundstücken sind verboten. Was bedeutet das für bereits bestehende Gärten? Diese Gärten müssten im Zweifel beseitigt oder umgestaltet werden, sagte ein Ministeriumssprecher: „Wir setzen vor allem auf Kooperation, die Einsicht der Eigentümer und die Überzeugungskraft der Verwaltung vor Ort.“

Die Stadt setzt auf Aufklärung und Überzeugung

In Castrop-Rauxel sind die „Gärten des Grauens“ noch weit verbreitet, wie Stephan Bevc berichtet: „Wir haben in Castrop-Rauxel immer noch recht viele steinerne Vorgärten im privaten Bereich, auch wenn offensichtlich ein Umdenken einsetzt.“ Wie geht die Verwaltung das Problem an?

Hier beruft man sich auf die Bauordnung NRW, die die grüne Gestaltung von Vorgärten fordert, sofern die Flächen nicht anderweitig benötigt werden. Dazu Pressesprecherin Maresa Hilleringmann: „Diesen Anspruch hält auch die Stadt Castrop-Rauxel hoch. So gibt es in Bebauungsplänen teilweise zusätzliche Regelungen zu Vorgärten.

In der Breite setzt die Stadt auf Aufklärung und Überzeugung. Ein Flyer zum Thema ist in Arbeit. Auch die Stadtverwaltung weist darauf hin, dass Schottergärten nicht so pflegearm sind wie vielfach vermutet und gibt eine Empfehlung. „Eine Gestaltung mit robusten Bodendeckern ist langfristig die deutlich pflegeärmere Variante“, erklärt die Pressesprecherin.

„Magergärten“ als Kompromiss

Für Hausbesitzer, die nicht komplett auf Steine in ihren Vorgärten verzichten wollen, sieht Juniorchef Stephan Bödefeld vom gleichnamigen Gartenbaubetrieb an der Dortmunder Straße eine Alternative: „Die Nachteile der Kiesgärten, vor allem biologischer und klimatechnischer Art, werden immer stärker beachtet. Daher entsteht zunehmend der Wunsch nach Bepflanzung. Die Tendenz geht zu den ,Magergärten‘, das heißt, die Erde wird mit Schotter versetzt, darauf werden Stauden gepflanzt, die auch blühen und insektenfreundlich sind.“

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