Sowohl bei den Stammkunden als auch bei den Beschäftigten herrscht noch Ungläubigkeit. Vor einem Tag, am Donnerstag (26.1.), erreichte die Mitarbeiterinnen die folgenschwere Botschaft: Am Samstag (28.1.) ist Schluss. Die Entscheidung fiel nach Angaben des Inhabers Mitja Wolf am Mittwoch (25.1.).
Kundin Lena Maria Schäfers aus Becklem kann ihre Bestürzung kaum in Worte fassen. „Das ist gegenüber den Arbeitnehmern eine Katastrophe“, sagt die 25-Jährige. Sie kennt den Traditionsbetrieb von klein auf und ist bis heute regelmäßig vor Ort, um sich mit hausgemachten Backwaren zu versorgen.
Die Castrop-Rauxelerin erinnert sich: Sie habe, seit sie ihren Führerschein hat, den Weg nach Ickern gern auf sich genommen. Und das mitunter zu früher Stunde, häufig schon um vier Uhr morgens. Bis zuletzt seien die Preise fair gewesen.
Seit 1989 im Team
„Ich wollte nie woanders arbeiten“, verrät Ulrike Kray. 34 Jahre habe die nun 53-Jährige in dem Geschäft verbracht. Jetzt muss sie den Betrieb, der sie einst ausbildete, verlassen. Sichtlich fassungslos nimmt die gelernte Bäckereifachverkäuferin die Kündigung auf. Nach ihrer Stimmung gefragt, antwortet sie: „Traurig.“
Glück im Unglück hat die Auszubildende Mercedes Jonker. Sie kann ihre Lehre in einem benachbarten Betrieb fortsetzen. Doch nach zwei Jahren in der Bäckerei kann man ihr die Enttäuschung anmerken.
Schock auch bei der Kundschaft
Ein großer Teil derer, die sich am vorletzten Tag noch einmal mit Brötchen, Nussecken oder anderen Backwaren eindecken, wird unvorbereitet von der Nachricht getroffen. Das ist keine Übertreibung: „Glaube ich nicht“, reagiert eine Seniorin. „Bescheiden ist das.“ Es ist offensichtlich, dass sie sich mit anderen Ausdrücken zurückhalten musste.
Mit der Backstube Vieting verschwindet eine der letzten Handwerksbäckereien aus der Stadt. Für viele Castrop-Rauxeler macht das den Verlust umso schwerer. Eine Kundin beklagt, man finde traditionell gebackene Brötchen immer seltener. Sie weiche nur ungern auf Industrieprodukte, wie man sie in Discountern bekomme, aus. Da pflichtet ihr ein junger Mann, augenscheinlich Handwerker, bei.

Während die Mitarbeiterinnen das Lokal für den vorletzten Feierabend vorbereiten, ziehen sie ein Fazit. Die Entscheidung des Inhabers sei abzusehen gewesen, so ist der Konsens. Man habe beobachten können, dass die Akzeptanz für weitere Preiserhöhungen stetig sinke.
Unvermittelt getroffen habe sie die Kündigung dennoch. Die Frauen hatten keine Zeit, sich ausreichend vorzubereiten, sich um einen neuen Job zu kümmern. Da sind sich einig. Bis auf die Auszubildende konnte sich niemand einen neuen Arbeitsplatz beschaffen.
Am Samstag (28.1.) gibt es die letzte Chance, noch einmal die beliebten Steinofenbrötchen zu kaufen. Um zwölf Uhr mittags werden die Türen dann endgültig geschlossen.
Bäckerei Vieting geschlossen: Mittwoch beschloss der Chef: Es geht nicht mehr
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