Wie konnte es zu diesem schweren Busunglück kommen? Was wird aus dem Haus an der Karlstraße, in das der Elektrobus der HCR-Linie 324 am Montag gegen 16.55 Uhr krachte? Wie geht es den Beteiligten? In diesem Ermittlungs-Nebel ist es auch am Dienstag noch schwer, klare Sicht zu bekommen. Aber Gespräche mit Augenzeugen und den Ermittlern bringen doch mehr Klarheit. Der Kracher in die Hausecke war nicht der erste Zusammenstoß des Busses, so viel steht fest.
Von Herne aus fuhr der Bus Montagnachmittag Richtung Castrop. Dabei touchierte er offenbar schon knapp 60 Meter vor dem Haus zwei am anderen Straßenrand geparkte Autos. Ein blauer Kombi wurde am Kotflügel schwer beschädigt. Die Polizei markierte den Standort noch am Abend mit Sprühfarbe. Von dort muss der E-Bus dann wohl auf der Gegenseite ins erst im Jahr 2017 erbaute Haus abgelenkt worden sein.

Am Morgen danach steckt der Bus noch immer in der Hausecke. Dahinter liegen ein Hauswirtschaftsraum und die Küche. Alles in diesem Hausbereich ist zerstört, berichtet Theo G.. Er wohnt mit seiner Frau ein Haus weiter in einem Bungalow hier am Stadtrand von Castrop-Rauxel. Hinter den Häusern erstrecken sich lange grüne Gärten, dahinter ein Paradies für Heimtiere: Hühner und andere Vierbeiner, um die sich die beiden Generationen der Familie gemeinsam kümmern. Dahinter trainieren die Fußball-Junioren des SV Wacker Obercastrop vor dem Pokalspiel gegen Schalke 04.
Als der Bus gegen 16.55 Uhr ins Haus kracht, ist Theo G., der Vater und Schwiegervater der Bewohner, draußen unterwegs. Erst hört er nach eigenen Schilderungen den Knall beim Aufprall mit den am linken Straßenrand parkenden Autos. Dann sieht er wohl halb mit an, wie der E-Bus in das Haus seiner Tochter kracht.
Bewohnerin war gerade in der Küche
Sie steht gerade in der Küche und eilt gleich zu ihm auf die Straße. Der Vater sieht, dass sie wohlauf ist, und geht zur schwer eingedrückten Fahrerkabine. Der Busfahrer ist eingeklemmt, benebelt, aber doch halb bei Bewusstsein. Theo G. spricht ihn an, doch er reagiert benommen. Dann sagt er genau einen Satz: „Hinten ist noch eine Frau.“ Der einzige Fahrgast im Bus. „Wahnsinn, dass er in seinem Zustand auf die Frau im Bus hingewiesen hat“, sagt Theo G. am Morgen danach, als er eine Kanne Kaffee und Tassen in einem Korb bereit stellt, um die Polizei zu versorgen.
Die war die ganze Nacht über in einem Streifenwagen vor Ort. Am Morgen rücken weitere Kräfte des VU-Teams aus Dortmund an. Das ist für die Ermittlungen zuständig: Die Beamten sehen sich den Bus an, leuchten in die von der Feuerwehr aufgeschnittene Fahrerkabine. Sie wollen den digitalen Fahrtenschreiber bergen, aber das gestaltet sich noch schwierig. Der könnte jedenfalls Hinweise geben auf das zum Unfallzeitpunkt gefahrene Tempo, auf Lenkbewegungen und Lenkzeiten und andere Dinge, die zur Aufklärung wichtig werden. Am Dienstag verdichten sich die Anzeichen, dass der 58-jährige Fahrer selbst einen medizinischen Notfall welcher Art auch immer erlitten haben könnte. Aber das bleibt vorerst offen.
Theo G. sagt, seine Tochter befinde sich weiter in seiner Obhut. Sie sei erst recht klar gewesen, habe keine Verletzungen, sei aber dann am Abend in einem Telefonat weggebrochen. Die Familie steht unter Schock.
Im Haus hat das Technische Hilfswerk alles mögliche im Erdgeschoss und auch in den Zimmern des Obergeschosses abgestützt: Balken und Ständerwerk schleppten die Helfer am Abend ins Haus und sicherten das Gebäude, das augenscheinlich schwer beschädigt wurde. Risse in der Wand sind wohl nur kleine Hinweise darauf, was im Innern und an der Statik wirklich beschädigt wurde. „Dann müssen wir also sechs Jahre später noch mal neu bauen“, sagt Theo G. mit einem gewissen Sarkasmus. Offen, ob das notwendig sein wird.
Rettungshubschrauber landet
Seine Frau ruft am Montagnachmittag gleich die 112 an. Wenig später sind Rettungskräfte der Feuerwehr und ein Notarzt vor Ort. Ein Rettungshubschrauber kommt noch dazu. Zu dem Zeitpunkt ist noch unklar, wie viele Leute im Bus waren und wie schwer die Verletzungen sind. Lebensgefahr wird einige Zeit später aber ausgeschlossen. Ein Rettungswagen bringt den Fahrer, einen 58-jährigen Mann aus Dortmund, ins Krankenhaus. Die Frau (21), einziger Fahrgast im Bus, wird mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht.
„Bei dem Aufprall wurde das Haus stark in Mitleidenschaft gezogen und der Hauswirtschaftsraum wie auch die Strom- und Wasserleitung komplett zerstört“, heißt es von der Feuerwehr. Darum stellt der Stromversorger den Strom an der kompletten Karlstraße ab.

Schon am späten Nachmittag sind ein Baufachberater des THW und der Architekt des Hauses vor Ort, um weitere Schritte zu planen und die Bergung des Busses vorzubereiten. Am späten Montagabend wird der Strom wieder angeschaltet. An guten Schlaf ist im Hause von Theo G. kaum zu denken. Die Wacker-Fußballer trainieren dem Vernehmen nach statt unter Flutlicht vor Auto-Scheinwerfern.
Wie es weiter geht, ist allen Beteiligten auch am Morgen danach, am Dienstag, noch unklar. Ein Abschleppunternehmen rückt gegen Mittag an, aber wartet auf das Go: Ist der Bus überhaupt noch abschleppbar? Noch wichtiger aber die Frage: Was geschieht mit dem Haus, wenn er herausgezogen wird. Architekt, Staatsanwaltschaft, Polizei, THW, die Eigentümer: Alle sind vor Ort, beraten... und warten.
Vater Theo G. im Interview über den Unfall und die Folgen und viele weitere Videos und Infos auf rn.de/castrop
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